Ist das kindliche Publikum ein besonderes?
Reagieren die Smartphone-Kids von heute anders als früher? Muss man mehr auf Effekte setzen?
Ist Theaterbesuch bei Kindern nicht leider zu einer Frage der Bildungsschicht geworden? Wie steuern Sie gegen?
Das Puppentheater Halle ist regelmäßig zu Gast bei der Kinderszene im Lörracher Burghof. Mit dem Werkhof Schöpflin proben Sie nun erstmals an einer Eigenproduktion. Wie kam das zustande?
Es geht um das Thema Angst. Wie sind Sie als Regisseur vorgegangen?
Das Ganze ist in eine Rhamenhandlung eingebettet.
Für Spiel und Puppenbau ist Lars Frank verantwortlich. Was zeichnet ihn aus?
Gerade ist die Lörracher Kinderbuchmesse zu Ende gegangen. Sie waren dort bereits als Gastautor. Was schätzen Sie an dieser Veranstaltung?
Da könnte ich ein Buch darüber schreiben! Mich fasziniert besonders die epische Kraft, die das Puppentheater entfaltet, weil ich von der Literatur her komme. Das Puppentheater hat zudem eine Künstlichkeit, die ich sehr schätze, mit einer großen Verwandtschaft zur Oper. Und es gehört nicht zum Bildungskanon der bürgerlichen europäischen Gesellschaft und ist daher dem Publikum gegenüber freier. Es ist nicht so vordeterminiert, dass jeder im Vorfeld weiß, wie der Faust, der Hamlet oder die Zauberflöte laufen muss.
Ja, ein wenig schon. In der Tat: Da das Puppenspiel bei uns nicht so eine große Tradition hat – im Gegensatz zum asiatischen Raum – bekommt es weniger Aufmerksamkeit, weniger finanzielle Ressourcen. Das bedaure ich.
Durch die besondere Publikumsentwicklung in Halle spielen wir zwar auch für Schulklassen. Unser Hauptpublikum sind aber Familien. Unser Augenmerk liegt auf dem Konflikt, der daraus entsteht, dass Kinder und Erwachsene ziemlich unterschiedliche Interessenslagen haben. Wir schlagen uns nicht auf eine Seite, sondern versuchen beide Seiten anzusprechen und ihre Interessen wahrzunehmen. Die Reaktionen zeigen, dass uns das gelingt.
Kinder haben zudem noch keine ästhetische Bildung. Ihnen schmeckt ein Vier-Sterne-Menü, aber auch eine Currywurst. Der Clown von nebenan kann mitunter genauso viel Begeisterung betrachtet werden wie unser Puppentheater.
Es kommt auf das Alter an. Je intensiver die Kinder den Medienkonsum rezipieren, desto stärker kann es passieren, dass sie starke Reize brauchen. Aber: Für Kinder ist die besondere Theatersituation allein schon etwas Faszinierendes: Die Wahrnehmung des Raums, des Lichts, der Atmosphäre, der Unmittelbarkeit. Dass das alles live direkt vor ihnen geschieht: Je jünger sie sind, umso empfänglicher sind sie dafür.
Das ist der guten Kontakte geschuldet. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit der Kinderszene und dem Werkraum Schöpflin zusammen. Der Werkraum wird nun das Stück „Lars Angst oder Die Rettung des Kreuzfahrtschiffs Völkerfreundschaft“ zeigen, und wir schauen, ob es dann noch auf Tournee geht.
Das Stück gibt es schon lange, wir haben es etwas aktualisiert. Es geht um die Angst, die die meisten Kinder in einer bestimmten Lebensphase entwickeln. Sie empfinden diese extrem konkret. Da müssen die Eltern abends unterm Bett nachschauen, den Kleiderschrank untersuchen, dass da nichts Gefährliches versteckt ist. Rationale Argumente nützen nur bedingt etwas. Das ist das Thema. Drumherum haben wir eine Geschichte gesponnen: Der kleine Lars fährt auf einem Kreuzfahrtschiff mit seinen Eltern. Diese möchten auch mal ein wenig Zweisamkeit genießen und Lars ein paar Stunden allein lassen. Dabei entwickelt der Junge aber große Angst. Daraus entspinnt sich ein Konflikt...
Ja. Mir gefällt sehr, dass im Stück neben dieser Angst auch das Theater thematisiert wird. Denn dieses ist die Rahmenhandlung: Ein Biologe will einen Vortrag zum Thema Angst halten. Sein Publikum sind Kinder. Daher packt er das Thema in eine Geschichte, die er selbst erlebt hat: als kleiner Lars auf dem Schiff. Dazu hat er etwas gebastelt, was leider schief gegangen ist. Er interagiert dann mit den Kindern. Die Mittel werden gezeigt und erklärt, wie von einem Zauberer. Dadurch steigen die Kinder richtig in die Geschichte ein.
Er ist sicher einer der besten Ensemblepuppenspieler der Welt. Er kann ein Ensemble herausfordern und fördern. Er ist kollegial, ehrgeizig und geht mit hohem Anspruch an die Sache heran. Natürlich ist Puppenspiel Handwerk. Wie das Geigenspiel auch. Das muss man lernen. Die Frage, warum der eine ein Menuhin wird und der andere nicht, weiß man oft nicht klar zu sagen. So ist es beim Puppenspiel auch. Lars Frank hat eben diese Gabe, sich selber zurückzunehmen und die Puppe in den Vordergrund zu heben, ohne dass man merkt, wie er das genau macht. Er hat eine ausdrucksstarke Technik und eine enorme Effizienz bei seinem Spiel mit der Puppe: Da ist kein Gramm, keine Bewegung zu viel. Gerade bei der offenen Spielweise kommt es enorm darauf an, wie die Energie verteilt ist, auch wenn der Zuschauer das gar nicht direkt merkt. Das kann der einfach. Und das Publikum liebt ihn, egal ob in Europa, Kanada oder Tokio.
Das ist ein ganz tolles Format, das man sich öfter wünschen würde. Ich verstehe gar nicht so recht, warum Frankfurt oder Leipzig während ihrer Buchmessen nicht ein ähnliches Paralleluniversum für Kinder gestalten.
n Themenreihe „Keine Angst!“: Premiere von „Lars’ Angst oder Die Rettung des Kreuzfahrtschiffes‘ Völkerfreundschaft“: Sa., 25.11., 16 Uhr, mit Lars Frank und Jörg Kunze, Werkraum Schöpflin Lörrach-Brombach; weitere Termine: 27.11., 9 und 11 Uhr, 28.11., 10 Uhr; 4.2., 16 Uhr, 5.2., 9 und 11 Uhr, 6.2., 10 Uhr