Lörrach Von der Macht der Musik

Die Oberbadische
Schauspieler-Grandseigneur Peter Simonischek las beim Beethoven-Konzert des Basler Sinfonieorchesters die Textpassagen aus Alain Claude Sulzers Neudeutung des Prometheus-Myhos. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Konzert: Sinfonieorchester Basel mit Schauspieler Peter Simonischek

Von Jürgen Scharf

Lörrach. Das Beethoven-Jahr hat sein Gutes: So lernt man die Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“, wenn nicht auf der Theaterbühne, so doch im Konzertsaal kennen. Das Sinfonieorchester Basel hat aber nicht das gesamte Ballett im Burghof gespielt, sondern Ausschnitte daraus, und es wurde auch nicht dazu getanzt, dafür gesprochen. Anstelle der Choreografie trat die szenische Lesung mit einem neuen Text des Basler Autors Alain Claude Sulzer.

Immerhin: So viel Prometheus hört man selten. Man musste die Einzelheiten der Handlung auch gar nicht kennen, um in den Kunstgenuss dieser Ballettmusik zu kommen. Sulzer hat eine andere Geschichte als das Original-Libretto erzählt, das sich mehr mit den mythologischen Gestalten und Göttern beschäftigt. Der namhafte Basler Autor konzentriert sich allegorisch auf den Fortschritt der Menschheit und den ständigen Kampf für das Gute und hat Prometheus, der den Menschen das Geschenk des Feuers brachte, das er im Olymp raubte, auf eine Kulturgeschichte aus den Anfängen der Menschen konzentriert.

Neben dem revolutionären prometheischen Geist hat Sulzer Episoden mit dem Adler, der täglich Prometheus’ Leber frisst, die immer wieder nachwächst, sowie amüsante Geschichten über den ersten Hund, der zum treuen Gefährten des Menschen wird, in seine Mythos-Nachdichtung eingebaut.

Lars Vogt beeindruckt

Nach Sulzers neuer Lesart brachte Pandora den Hass, das ganze Übel und den Mord zu den Menschen – dieser Schluss ist ebenso archaisch wie modern und führt in die heutige Situation. Die Zwischentexte füllten die Zäsuren der einzelnen musikalischen Szenen.

Gelesen hat sie der bekannte Schauspieler und langjährige „Jedermann“-Darsteller Peter Simonischek mit warmer sonorer Stimme, völlig unpathetisch, nicht gerade mit prometheischem Feueratem, aber sehr wohltönend. Das passte gut zur Interpretation des Sinfonieorchesters, die einen sorgfältigen, geschlossenen Eindruck machte, tänzerisch und rhythmisch elastisch daherkam.

Ivor Bolton, nicht gerade ein Feuergeist am Pult, aber ein kultivierter Feingeist, entfaltet die gut einstündige „Prometheus“-Musik mit Poesie und plastisch mit Bildhaftigkeit. Zu Harfenglissandi und Streicherpizzicato hört und sieht man förmlich, wie Prometheus von Orpheus träumt – das ist die Macht der Musik.

Über das exzellente Spiel der Basler, den schönen Klang und die orchestrale Detailarbeit konnte man nur staunen. Der Dirigent begreift mit „seinem“ Orchester die Partitur wirklich als Ballettmusik, federnd, schlank, durchsichtig und rehabilitiert dieses Werk, das die Musikpraxis lange zu Unrecht unbeachtet ließ.

Auch im Es-Dur-Klavierkonzert holt Bolton, der mit dem ganzen Körper und ohne Taktstock dirigiert, das beethovensche Brio mit ausladenden Gesten aus dem Orchester heraus. Mit Lars Vogt hatte er einen adäquaten Pianisten, der einen entschlackten Beethoven favorisierte, geradlinig, geschmeidig und ausgeglichen klangschön.

Mit viel Klangsinn und großem Artikulationsvermögen spielt Vogt bereits die eröffnende Kadenz des ersten Satzes. Im Adagio beeindruckt der Pianist mit großer dynamischer Bandbreite und einem schönen Pianissimo, wenn er sich ganz zurücknimmt. Mit gemeinsamem Gestaltungswillen wird der letzte Satz (Rondo) konzertant realisiert.

Vogt führt ein perfektes Klavierspiel vor, und seine harmonisch-gelassene Deutung zeigt einen unkomplizierten Umgang mit diesem fünften Klavierkonzert, genannt „Emperor“, des Titanen Beethoven. Die Basler begleiteten den unverkrampft spielenden Solisten in einer geglückten Balance, sehr flexibel. So ergab sich ein sprechender Dialog in einem der meistgespielten Konzerte überhaupt. Mit olympischer Entspanntheit spielte Lars Vogt den Beethoven und bedankte sich für den Applaus mit einer kontemplativen Brahms-Zugabe.

Der Einstieg zu diesem Beethoven-Abend war unprätentiös, lebendig und durchlichtet. Und die Prometheus-Musik nach der Pause war ebenso stimmig und überzeugend, so dass sich der Eindruck eines facettenreichen Beethoven-Porträtkonzerts rundete.

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