Lörrach Von Maulburg ins „Reich der Mitte“

Die Oberbadische

Auslandsaufenthalt: Julia Schinzel hat ein Jahr in China verbracht / Bald geht es für sie nach London

Ich kann es nur jedem empfehlen“, sagt Julia Schinzel aus Maulburg strahlend. Die 24-jährige Studentin ist kürzlich von einem Auslandsjahr in China zurückgekommen. Ans Verschnaufen aber denkt sie gar nicht: In einer Woche, am Donnerstag, 20. September, geht es für die sie weiter nach London.

Welche Erfahrungen sie im „Reich der Mitte“ gesammelt hat und wie sie auf die Idee kam, im Ausland zu studieren, darüber hat Adrian Steineck sich mit ihr unterhalten.

Frage: Julia, Du bist vor kurzem aus China zurückgekommen, wo Du an der Universität von Peking studiert hast. Bald geht es für dich nach London. Wie kam es denn dazu?

Derzeit mache ich meinen Doppelmaster, und das zweite Jahr absolviere ich an der London School of Economics. Dort beginnen die Kurse am 27. September und dauern bis Mitte Juni. Dabei bauen die Zertifikate aufeinander auf, das heißt, wenn ich das Studium in London nicht bestehen sollte, wird mir auch das China-Jahr nicht angerechnet. Ein gewisser Druck ist also da. (lacht)

Frage: Was hat dich zu diesem Auslandsstudium inspiriert?

Ich habe in Wien eine Vorlesung über die Möglichkeit von Auslandssemestern besucht. Der Doppelmaster kam mir da wie gerufen. Unterstützt wurde ich dabei durch die Studienstiftung des deutschen Volkes.

Frage: Denkt man an Asien und speziell China, haben wir Europäer ja manchmal bestimmte Klischeevorstellungen. Hat sich dein Bild von Asien durch den Aufenthalt dort gewandelt?

Definitiv. In Peking etwa ist das Umweltbewusstsein stark ausgeprägt. So wurde erreicht, dass statt 500 heute nur noch 200 Milligramm Feinstaub in der Luft sind. Technisch sind die Menschen in China auch sehr versiert. So haben sie ein System entwickelt, mit dem sie per Handy-Scan bezahlen können.

Frage: Andere Länder, andere Sitten: Gab es auch Situationen im Alltag, die dich erstaunt oder überrascht haben?

Ja. In China ist es etwa unüblich, seine Tasche auf den Boden zu stellen. Das wird vom Gastgeber als Signal dafür verstanden, dass man sich bei ihm nicht wohlfühlt. Auch die Tischsitten sind für uns eher ungewohnt: Es wird sehr laut gegessen und gerülpst, im Restaurant wird regelrecht nach der Bedienung gebrüllt. Wenn ein Gast den Tisch verlässt, ist dieser übersät mit Essensresten, Papiertüchern und Ähnlichen. Es war also immer spannend, in Peking essen zu gehen. Auch ist es Sitte, dass mehr bestellt wird, als die Gäste essen können. Denn: Je mehr die Gäste übrig lassen, desto mehr vermittelt es dem Gastgeber das Gefühl, wohlhabend zu sein.

Frage: Wie war das mit Diskussionen in China? Hattest Du da manchmal das Gefühl, dass Du bestimmte politische Themen lieber nicht anschneiden solltest?

Es war ja so, dass ich zu einer politisch sehr spannenden Zeit in Peking war. Im März wurde auf dem 19. Parteikongress beschlossen, dass die Amtszeitbeschränkung des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping aufgehoben wird und dieser damit über das Jahr 2023 hinaus an der Macht bleiben darf. Da gab es durchaus Diskussionen darüber, ob das vertretbar ist. Da habe ich schon gemerkt: Man darf gegen die derzeitige Regierung etwas sagen, aber nicht gegen die kommunistische Partei. Generell habe ich gelernt, dass auch in der Schule die Geschichte in China – und in anderen Ländern sicher auch – Geschichtliches anders geschildert wird als bei uns. Generell ließe sich sagen: Man darf kritisch denken, aber nur begrenzt.

Frage: Wie war das sprachlich? Bist Du mit Englisch gut durchgekommen?

Nein. In Peking wird überhaupt kein Englisch gesprochen. Einmal wollte ich eine Zugfahrkarte nach Laos buchen und habe nach drei Stunden entnervt aufgegeben. Auch andere Dinge waren etwas gewöhnungsbedürftig.

Frage: Zum Beispiel?

In China kann man Strom und Wasser mit einer Chipkarte beziehen, die man regelmäßig aufladen sollte. Um die Gasversorgung zu beantragen, muss man also auf eine Bank gehen. Auch ist es so, dass die Regierung die Vergabe zentral regelt und man auf eine entsprechende Nachfrage schon einmal zu hören bekommt: Die Regierung hat das Gas noch nicht angestellt. Da ist man schon kurz überrascht.

Frage: Du erzählst trotz mancher Unannehmlichkeit mit sichtlicher Freude von deinem Aufenthalt. Was hat dir das Auslandsjahr persönlich gebracht?

Ich bin sicherlich weniger leicht gestresst als vorher, und meine Resilienz oder psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Herausforderungen hat zugenommen. Das Leben in China war in gewisser Weise eine ständige Herausforderung, aber es war doch eine schöne Zeit. Zugleich habe ich gelernt, manches in Deutschland mehr zu schätzen, etwa dass wir Trinkwasser aus dem Hahn bekommen. In China muss man das Wasser erst abkochen. Man wird durch die Vielfalt der Erfahrungen erwachsener. Ich würde jedem empfehlen, ein Auslandssemester einzulegen.

Weitere Informationen: Wer sich über Auslandssemester informieren will, der findet im Internet etwa unter www.wege-ins-ausland.de Näheres.

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