Lörrach Warum der Burghof rot ist

Gabriele Hauger
Hinhören: Ganz nah an der Glasfassade spürt man die Klangvibrationen, wie die Künstlerin veranschaulicht. Foto: Gabriele Hauger

Der Burghof-Eingang ist rot. Was das mit dem Stimmenfestival und KI zu tun hat, erfahren wir im Gespräch mit der spanischen Künstlerin Esmeralda Conde Ruiz.

Was ist bloß mit dem gläsernen Burghof-Eingang los, mag sich so mancher Passant fragen. Die intensive Farbe ist Teil einer innovativen Kunstinstallation. Vollständig gelüftet wird deren Geheimnis erst zur offiziellen Eröffnung des Stimmenfestivals am 11. Juli. Die Presse durfte schon mal hinschauen – und hören.

Alles ist rot

Alles ist rot, Glaswände, Glasdecke. Dabei wurde die Farbe von innen betrachtet mit Verve aufgetragen, bewusst ohne Perfektion. Doch nicht nur die Intensität dieses je nach Wetter und Lichteinstrahlung unterschiedlich intensiv leuchtenden Rots nimmt gefangen. Klänge umfluten zusätzlich den Besucher. Sie entströmen den ringsum angebrachten 16 Sound-Umwandlern, denen ein KI-generierter Chor entströmt, der sogar die Glasscheiben in Schwingungen versetzt. Ohr anlegen erlaubt! Durch diese Kunstinstallation wird das Raumerlebnis ein anderes: Umwogt von Klang und Farbe können die Besucher neu fühlen, erleben, vielleicht auch ins Nachdenken kommen. Was hat es mit diesen Stimmen auf sich? Sind es echte Stimmen? Wollen Sie uns etwas sagen?

Wunder der Stimme

Herzlich und zugewandt, jenseits jeglicher kultureller Abgehobenheit, erläutert die in London lebende renommierte Künstlerin und Musikerin Esmeralda Conde Ruiz ihr Projekt. Sie beschäftigt sich schon lange mit dem Wunder der menschlichen Stimme, mit ihrer Einmaligkeit, ihrer Emotionalität. Und so kam idealerweise eine Kooperation mit dem Stimmenfestival zusammen.

Begeistert von der Architektur des Burghofs mit seinen großzügigen Glasfassaden, sprühten die Ideen geradezu, erzählt die Künstlerin. Zunächst war eine Installation im Foyer angedacht. Doch schnell wurde Ruiz klar, dass sich das Entree des Hauses am besten eignet. Die Farbe Rot drängte sich auf. Diese wiederum assoziierte bei ihr einen englischen Ausdruck: Paint The Town Red.

Begutachtet ihr Werk: Esmeralda Conde Ruiz Foto: Gabriele Hauger

Sich vergnügen

Übersetzt bedeutet das so viel wie: feiern, sich vergnügen. Was aber, wenn man diesen Ausdruck einer KI präsentiert? Dann könnte diese den Begriff wörtlich nehmen: Die Stadt wird rot angemalt. Diese Duplizität spiegelt das Kunstprojekt wider. Und greift so gleichsam ein unsere Gesellschaft zunehmend umtreibendes Thema auf: Wie gehen wir mit der künstlichen Intelligenz um?

Doch zurück zu den Klängen aus dem Entree. Die Gesangskomposition wurde von Ruiz ausschließlich mithilfe KI-generierter neuronaler Stimmen erschaffen. Die Künstlerin fütterte in monatelanger Arbeit öffentlich zugängliche Übersetzungsseiten wie Google Translate, die wir alle meist unreflektiert selbst nutzen, mit Wörtern und Lauten. Dabei verwendete sie eine große Sprachenvielfalt von Afrikaans über Slowakisch bis zu Vietnamesisch oder Walisisch. Dabei kamen zuweilen ganz schön irritierende Ergebnisse heraus, sagt Ruiz lachend. Und so klingt es in dem vierminütigen Loop manchmal fast wie Gesang, manchmal so, als jammere ein Patient auf dem Zahnarztstuhl. Das kann der Besucher als Soundinstallation auf sich wirken lassen – oder aber hinterfragen: Was macht KI mit uns? Wie fehlerhaft ist sie? Welche Konsequenzen kann das haben? Was passiert mit Übersetzungen, wenn der kulturelle Kontext fehlt? Und welche Auswirkungen könnte das für uns Menschen haben?

Noch beherrscht uns die KI nicht, sagt die Künstlerin nachdenklich. Doch wir stehen an einer Schwelle, ist sie sich sicher. Das sollten wir uns bewusst machen, so ihre Forderung: Zwischen fortschrittlichen Möglichkeiten einerseits und Entfremdung, Gefahr sowie Fake andererseits.

Das Entrée Foto: Gabriele Hauger

Was macht die KI mit uns?

Mit Paint The Town Red geht das Stimmenfestival in seinem 30. Jahr neue Wege. Erstmals hält Bildende Kunst Einzug. Für den Festivalchef Timo Sadovnik eine Entwicklung, die der namensgebenden menschlichen Stimme noch ganz neue Perspektiven und Möglichkeiten verleiht. Das Kunstprojekt ist zwischen Spaß und Reflexion verortet. „Es soll inspirieren“, sagt Esmeralda Conde Ruiz.

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