Lörrach Was Männern heilig ist

Gabriele hauger
Was denken, fühlen, wünschen Männer? Auf Spurensuche Foto: Pixabay

Interview: Ums Feuer tanzen und Urschreie loslassen? Ein beliebtes Klischee beim Stichwort „Männertag“. Wie ein solcher wirklich aussieht, verrät Diakon Ralf Ochs. Der Mitinitiator des Lörracher Männertags macht seit elf Jahren inspirierende Erfahrungen.

Ralf Ochs ist Diakon in der Kirchengemeinde Lörrach&Inzlingen. Selbst jenseits der Mitte des Lebens stehend (er ist 66 Jahre alt), weiß er um die oft sehr grundsätzlichen Fragen, die sich die Menschen in dieser Lebensphase stellen. Es sei wohl etwas dran, dass Männer  im Vergleich zu Frauen weniger Gelegenheit haben oder nutzen, um über ihre Gedanken, Wünsche, Gefühle zu sprechen.  Auch darum gibt es seit elf Jahren den Männertag. Wir wollten wissen, was dahinter steckt. 

Herr Ochs, warum braucht es einen Männertag?

Ich bin der festen Überzeugung, dass es sehr befruchtend ist, wenn Männer, die eine gewisse Offenheit mitbringen, über sich  erzählen und Einblicke in ihr Innerstes  geben. Es ist  nach meiner Erfahrung anregend und hilfreich zu erfahren, dass auch andere Männer vor  denselben Fragen und Lebenssituationen stehen wie man selbst.

Frauen haben meist ihre beste Freundin, mit der sie Intimes besprechen.  Fehlt das auch noch der  heutigen Männergeneration?

Zu unserem Männertag kommen in der Regel Männer in der zweiten Lebenshälfte, so ab 40 aufwärts. Das ist  noch eine Generation, die es nicht so gewohnt ist und es weniger gelernt hat,  im Männerkreis offen und ehrlich über sich zu sprechen – abseits vom Stammtischniveau. Ich vermute, das können Frauen irgendwie besser.

Haben Männer Schwierigkeiten, ihre Verletzlichkeit zuzugestehen?

Es braucht dazu eine Atmosphäre des Vertrauens, dass ich weiß, ich rede hier  in einem geschützten Rahmen. Und es braucht  eine gewisse Bereitschaft,  die eigenen Unsicherheiten zu verbalisieren, meine seelischen Wunden und Narben zu zeigen.  Der Männertag bietet dazu Raum und Gelegenheit. Natürlich ist es nur ein Tag, also keine therapeutische Veranstaltung. Aber es   ist ehrlich und echt und kann mitunter etwas im Männerleben bewegen und auslösen.

Was passiert an diesem Tag?

Der Männertag findet immer  in der Natur statt. Das gehört dazu. Schließlich  sitzen  viele der Teilnehmer meist den ganzen Tag am Schreibtisch.  Der Wald hat eine sehr anregende Wirkung.  Immer auch dabei: Feuer.  Das hat etwas Lebendiges, auch Verzehrendes, sogar Gefährliches. Das gehört  zum Männerleben dazu.

Da drängt sich ja das Klischee von halb nackten Männern auf, die ums Feuer hocken und Urschreie ausstoßen.

Nein, so ist es nicht (lacht). Aber schon der Urmensch saß ja redend am Feuer. Auch  wir planen, um das Feuer herum zu sein  – angezogen!  Jeder gibt Gedanken, Erlebnisse, Erfahrungen von sich, das hat etwas gemeinschaftsstiftendes. Ums Lagerfeuer wurde ja schon in alten Zeiten die Friedenspfeife geraucht und erzählt.  Diesen Ritus  nehmen wir gerne auf.

Sie waren einer der Ideengeber des Männertags.  Gab es dafür eine Initialzündung?

Ich bin seit über 20 Jahren Mitglied in einer Männergruppe. Die Erfahrungen, die ich in dieser Gruppe machen durfte, zeigten mir, wie hilfreich es sein kann, wenn Männer zusammenkommen und sich über das austauschen, was sie wirklich und echt bewegt. Das Ganze ohne Frauen, weil man dann ja nicht „gockeln“, nicht zeigen muss, was für ein toller, starker Typ man ist.  Das wollten wir anbieten und eine Gelegenheit und Raum schaffen, in denen Männer vertrauen, Offenheit und Solidarität erleben. So ist 2012 der erste Lörracher Männertag entwickelt worden. Dass wir ein Bedürfnis bei Männern getroffen haben, zeigt, dass wir dieses Jahr den 12. Männertag durchführen. Tatsächlich entscheiden sich immer wieder Teilnehmer des Männertags anschließend,  festes Mitglied einer Männergruppe zu werden.

Welche Männer kommen?

Es sind meist Männer ab 40, 50 Jahren und älter aus der ganzen Region und weit darüber hinaus. Wir fragen nicht nach Beruf, Status oder ähnlichem. Jeder kann so viel von sich erzählen, wie er will.

Spielt Religiosität eine Rolle?

Da sind wir frei. Es sind Männer dabei wie ich, die zur verfassten Kirche gehören, aber genauso andere. Das ist nicht entscheidend.  Entscheidend ist eher eine spirituelle Fragerichtung, die in den Männertagen immer Raum gegeben wurde. Die haben wir dieses Jahr beispielsweise unter dem Thema  „Wow, echt gut. Was Männern heilig ist“. Da bewegen wir uns im Grenzbereich von Heiligkeit und Profanität.  Im übrigen besuchen wir beim Männertag auch meist Orte mit einem mystischen Hintergrund, dieses Mal ist die  Ottilienkirche der Schlusspunkt. Da werden wir gemeinsam singen und einen Segensritus vollführen, um wieder gestärkt in den Alltag zu gehen.  

Welche Themen werden beim Männertag angesprochen?

Eines der wichtigsten: Wer bin ich aktuell in dieser Lebensphase? Was habe ich erreicht? Was will ich noch?   Die Partnerschaft spielt oft eine Rolle, das Thema Sexualität, vor allem die sich verändernde Sexualität. Und durchaus die Frage nach Gott.  Gibt es Gott für mich? Glaube ich an Gott? Möchte ich mich in meinem Leben an einer Transzendenz festmachen?  Was auch schon Thema war: Ich habe eine Krankheit, die bleibt bei mir, wie gehe ich damit um?  Es sind sehr grundsätzliche Themen. Wir wollen beim Männertag nicht an der Oberfläche bleiben, sondern in die Tiefe gehen.

 Männertag: Samstag, 9. November; Treff im Gemeindehaus St. Bonifatius, spontan Interessierte können vorbeikommen, die Anmeldefrist ist abgelaufen.

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