Die Wandelbarkeit der Stile und Stimmungen taucht das Publikum das ganze Konzert über in ein Wechselbad der Gefühle und Stimmungen, das schon fast an Hexerei grenzt. Youn Sun Nah kann mit ihrer Stimme anscheinend alles machen: Die Operndiva mit kraftvollen Höhen und extremen Haltetönen, die Chansonnière, die einem „Avec le Temps“ von Léo Ferré Schmelz und Tiefe von herb-süßer Zartheit verleiht, die Metal-Furie, die Tom Waits‘ „Jockey full of Bourbon“ mit rotzigem, aggressivem Growling zu einem geradezu bedrohlichen Hörereignis werden lässt. Und sie kann auch Schmacht, wie sie in ihrer bis zum Zerreißen gedehnten Lento-Version von Cohens „Hallelujah“ zeigt. Wobei das Artifizielle immer die Oberhand behält und keinen Platz für Sentimentalität lässt. In Joni Mittchells „Men from Mars“ packt sie eine solide Rock’n-Roll-Gestik aus, in einem koreanischen Traditional kommt ein exotisch schillerndes Vibrato zum Einsatz.
Ein Höhepunkt des Abends ist ihre Version von „A sailor’s life“, eines englischen Traditionals. Das Klavier malt debussy-verdächtige Meereswellen und baut mit raffinierten Mischklängen eine wohlige Melancholie auf, während der Bass vokale Qualitäten entwickelt. Youn Sun Nahs Stimme wird in dieser Ballade zum Nebelhorn in der Einsamkeit, obertonreich und flackernd, das sich später zur schrillen Alarmsirene steigert. In „She moves on“ von Paul Simon hat Drummer Daniel Rieser seinen großen Soloauftritt, der in einer atemberaubenden Stampede gipfelt, bevor sich alle fünf wieder in einem gepflegten Jazzkeller-Ton zusammenfinden.