Lörrach Welch Wahnsinns-Stimme

Dorothee Philipp
Mit stehenden Ovationen feierte das Publikum Youn Sun Nah und ihre Musiker. Foto: Dorothee Philipp

Sängerin Youn Sun Nah begeisterte bei Konzert im Burghof.

Lörrach - Es fängt ganz sanft an: Filigraner Edel-Jazz mit kammermusikalischen Qualitäten, distinguiert, wohlerzogen. Doch unter der noblen Oberfläche, die die koreanische Sängerin Youn Sun Nah und ihre vier Instrumentalisten da im Burghof ausbreiten, brodelt etwas. In den tiefen Lagen vibriert eine Kraft, die sich im Lauf des Konzerts in tausend verschiedenen Facetten entfalten wird.

Wandelbarkeit des Gesangsstils

Die Sängerin, die zahlreiche internationale Preise abgeräumt hat, darunter 2011 den Echo Jazz als „beste Sängerin international“, fasziniert mit einer Wandelbarkeit des Gesangsstils, die einem fast den Atem nimmt. Und schon im Intro zeigt sich: Die Musiker der Band mit Daniel Rieser (Drums), Brad Christopher Jones (Bass), Tomek Miernowski (Gitarre) und Frank Woeste (Klavier, Keys) bringen ebenfalls außergewöhnliche Solisten-Qualitäten mit. Ihnen lässt Youn Sun Nah viel Freiraum zur Freude des Publikums, das nach den Soli immer wieder in „Szenenbeifall“ ausbricht.

Schon im zweiten Stück des Abends, einer Cover-Version von Jimi Hendrix‘ „Drifting“, geht sie zur Sache. Rockig und mit einem Balladenton von tiefer Düsternis baut sie die Spannungsbögen, die sie bis zur Hysterie ausreizt. Und dann eine unerwartete Wende zur Vokalakrobatik in „Momento Magico“ von ihrem schwedischen Jazzkollegen Ulf Wakenius, mit dem sie 2013 einen großartigen Auftritt im Burghof hatte. Hier wird die zierliche Asiatin zur Beatboxerin, die schillernde akustische Seifenblasen platzen lassen kann.

Wechselbad der Gefühle und Stimmungen

Die Wandelbarkeit der Stile und Stimmungen taucht das Publikum das ganze Konzert über in ein Wechselbad der Gefühle und Stimmungen, das schon fast an Hexerei grenzt. Youn Sun Nah kann mit ihrer Stimme anscheinend alles machen: Die Operndiva mit kraftvollen Höhen und extremen Haltetönen, die Chansonnière, die einem „Avec le Temps“ von Léo Ferré Schmelz und Tiefe von herb-süßer Zartheit verleiht, die Metal-Furie, die Tom Waits‘ „Jockey full of Bourbon“ mit rotzigem, aggressivem Growling zu einem geradezu bedrohlichen Hörereignis werden lässt. Und sie kann auch Schmacht, wie sie in ihrer bis zum Zerreißen gedehnten Lento-Version von Cohens „Hallelujah“ zeigt. Wobei das Artifizielle immer die Oberhand behält und keinen Platz für Sentimentalität lässt. In Joni Mittchells „Men from Mars“ packt sie eine solide Rock’n-Roll-Gestik aus, in einem koreanischen Traditional kommt ein exotisch schillerndes Vibrato zum Einsatz.

Ein Höhepunkt des Abends ist ihre Version von „A sailor’s life“, eines englischen Traditionals. Das Klavier malt debussy-verdächtige Meereswellen und baut mit raffinierten Mischklängen eine wohlige Melancholie auf, während der Bass vokale Qualitäten entwickelt. Youn Sun Nahs Stimme wird in dieser Ballade zum Nebelhorn in der Einsamkeit, obertonreich und flackernd, das sich später zur schrillen Alarmsirene steigert. In „She moves on“ von Paul Simon hat Drummer Daniel Rieser seinen großen Soloauftritt, der in einer atemberaubenden Stampede gipfelt, bevor sich alle fünf wieder in einem gepflegten Jazzkeller-Ton zusammenfinden.

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