Lörrach „Welche Erinnerung wollen wir?“

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Eine Tafel auf dem Hauptfriedhof erinnert an die Lörracher Gefallenen des Zweiten Weltkrieges. Foto: Kristoff Meller

Sachstandsbericht zur Erinnerungskultur wird im Hauptausschuss vorgestellt. Verlegung der ersten Stolpersteine für Herbst 2020 geplant.

Lörrach - Der aktuelle Sachstandsbericht zur Erinnerungskultur in Lörrach wird morgen Abend im Hauptausschuss vorgestellt. Ein Schwerpunkt ist die Aufarbeitung des Nationalsozialismus (NS) in Lörrach, die mit verschiedenen Maßnahmen fortgeführt werden soll.

Seit Juni 2018 haben sieben Sitzungen der offenen Arbeitsgruppe (AG) zur Erinnerungskultur stattgefunden mit einer Beteiligung von jeweils etwa 20 bis 30 Personen, wie Lars Frick, Fachbereichsleiter Kultur und Tourismus, in der Vorlage ausführt. Die zugrunde liegenden Fragestellungen lautet bis heute: „Welche Erinnerung wollen wir? Wie wollen wir wann warum an wen oder was erinnern?“

Schon in der ersten Sitzung haben sich Schwerpunktthemen herauskristallisiert: Lörracher Demokratiegeschichte, die NS-Zeit, Grenze, Flucht und Migration in der Stadt, Lörrach als politisches Zentrum der Region, Lörracher Industriekultur, Jüdisches Leben sowie Kunst und Künstler in Lörrach.

Als weiteres Thema, dass sich laut Frick „quer zu den Schwerpunktthemen verhält“, wurde der angedachte Menschen- und Kinderrechtsweg (MKW) behandelt. In einer der abschließenden Sitzungen soll ein Vorschlag erarbeitet werden, wie die Rundwege zu den Schwerpunktthemen mit dem MKW in Verbindung gebracht werden können.

Rundwege zur Geschichte

„Als eine der zentralen Erinnerungsformen haben sich thematische Rundwege herauskristallisiert“, schreibt Frick. Die AG unterstützt darum unter anderem einen von Hubert Bernnat vorgeschlagenen Rundweg zur NS-Geschichte (wir berichteten) An den jeweiligen Orten soll eine Tafel errichtet werden, die kurz auf das Ereignis hinweist und einen Verweis zu vertieften Informationen im Internet oder Flyer gibt.

„Um am Ende nicht eine Flut von neuen Schildern zu generieren“, so Frick, soll es an Orten, die Bestandteil mehrerer Rundwege sind, ein Schild mit mehreren Verweisen geben. Diese Hinweise sollen gestalterisch ein Teil des Beschilderungskonzepts der Stadt werden, welches der Fachbereich Stadtentwicklung aktuell erarbeitet.

Aufarbeitung fortsetzen

Die Aufarbeitung der NS-Zeit in Lörrach ist laut Frick „auf einem guten Weg, aber noch längst nicht abgeschlossen“. Vermutlich werde sie niemals vollends abgeschlossen sein, da noch viele Aspekte nur sehr wenig erforscht seien oder gar nicht bekannt sein könnten. Die AG hält es laut Frick für unerlässlich an diesem Thema weiter zu arbeiten.

Der Gemeinderat hat 2016 den Auftrag erteilt, die NS-Geschichte in den Ortsteilen durch den Historiker Robert Neisen zu erforschen. Im April und Mai hat er erste Forschungsergebnisse präsentiert (wir berichteten). Für Dezember steht der Abschluss in Aussicht.

Die Ergebnisse sollen überblicksartig in der Sonderausstellung „Badische Kunst im Nationalsozialismus“ ab Mai 2020 im Dreiländermuseum präsentiert werden. Darüber hinaus schlägt die Verwaltung vor, die detaillierten Ergebnisse in Form eines Lörracher Heftes zu publizieren. Die Forschungsarbeit wird etwa einen Umfang von 200 Seiten haben, sodass laut Frick mit Druckkosten in Höhe von 14 500 Euro zu rechnen ist. Die Mittel sind Teil der Haushaltsberatungen.

Zentraler Gedenkort

Die AG sprach sich einstimmig für einen zentralen Gedenkort für die Erinnerungsarbeit der Stadt aus. „Uneinigkeit bestand lediglich bei der Frage nach dem Standort und der geeigneten äußeren Form“, so Frick. Es wurden verschiedene Vorschläge diskutiert: die Beibehaltung des Soldatenfriedhofs auf dem Hauptfriedhof, die Umgestaltung der Gedenkstele im Aichelepark oder die Errichtung eines neuen zentralen Gedenkortes am Neuen Markt. Die AG schlägt dem Gemeinderat vor, eine eigene Findungskommission einzurichten.

Stolpersteine verlegen

Die AG befürwortet außerdem mehrheitlich die Idee der Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig. Bei der Umsetzung gibt es laut Frick jedoch einige Fragen und Befürchtungen: „Um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und um das Gedenken an die Opfer nicht als Grundlage für erinnerungspolitische Grabenkämpfe werden zu lassen, befürwortet die AG eine durch die Stadtverwaltung organisierte und gesteuerte Verlegung von Stolpersteinen.“ Das öffentliche Gedenken in einer Stadtgesellschaft an die NS-Opfer müsse durch einen transparenten Diskurs begleitet werden und könne nicht „der individuellen Entscheidung einer einzelnen Person oder Personengruppe überlassen bleiben“, schreibt Frick in der Beschlussvorlage.

Daher spreche sich die AG für Richtlinien zur Verlegung und für die Einrichtung eines Beirats aus. Dieser soll einmal pro Jahr zusammen kommen, um über die aktuellen Anträge zur Verlegung zu befinden. Eine erste Sitzung wird für das Frühjahr einberufen, sodass eine Verlegung erster Stolpersteine laut Frick im Herbst 2020 umgesetzt werden kann. Dieses Vorgehen sei bereits mit Demnig abgestimmt.

Ausblick Erinnerungskultur

Die AG wird dieses Jahr noch mehrmals tagen und im Anschluss weitere Maßnahmen empfehlen. Ziel sei es, ein umfassendes Konzept zur Erinnerungskultur vorzulegen, welches als Grundlage für künftige Fragestellungen dienen soll, so Frick.

Inhaltlich werde dieses Konzept alle Fragestellungen zur Erinnerungskultur in Lörrach ansprechen, insbesondere die gelegentlich aufgeworfenen Fragen nach dem Umgang mit Ehrenbürgern aus der NS-Zeit, nach Straßenbenennungen oder nach dem Umgang mit problematischen oder aus der Zeit gefallenen Denkmalen. Daneben sollen verbindliche Grundsätze formuliert werden. Frick: „Diese legen fest, nach welchen Prinzipien die Stadt in Zukunft ihre Erinnerungskultur mit Leben erfüllen will.“

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