Lörrach Wiege der deutschen Gugge

mek

Fasnachtsserie – Folge X: Die Guggemusiken der Lörracher Fasnacht /  Die „Guggemusik ’53“ (Foto) ist die älteste deutsche Formation

Lerche, Güggel, Frösch und Schnägge: Hinter vielen Figuren der Lörracher Fasnacht steckt eine interessante Geschichte. Bis zum Ausklang der närrischen Tage wird unsere Zeitung einige dieser Figuren porträtieren. Grundlage der Artikel ist das vom stellvertretenden Obergildenmeister Klaus Breitenfeld geführte Häs-Buch der Narrengilde. Im zehnten und letzten Teil dreht sich alles um die Musik – die Guggemusik.

Lörrach (mek). Seit gestern Abend tönen wieder lautstark  Sousaphon, Trommeln und Co.  durch die Lörracher Straßen – die Guggenmusiken sind unterwegs. Ihren Ursprung hat die Guggemusik im jahrhundertealten Brauch, Wintergeister mit schrägen Tönen, Trommeln und Kuhglocken zu vertreiben. Als Teil der Fasnacht trat solch eine Blaskapelle erstmals beim Basler Morgenstraich im Jahr 1874 auf. Der Begriff Guggemusik fand an der Basler Fasnacht 1906 zum ersten Mal Verwendung.

Guggemusik ’53
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten sich dann zunächst in der übrigen Schweiz immer mehr Guggemusiken, bevor der Trend über die Grenze nach Süddeutschland hinüberschwappte: In der Silvesternacht 1952 wurde in einem Lörracher Gasthaus die Idee geboren, eine Guggemusik nach Basler Vorbild zu gründen. Mit der „Guggemusik ’53“ weiß die Narrengilde Lörrach  somit die älteste Guggenmusik Deutschlands in ihren Reihen. „Es ist deshalb sicherlich nicht untertrieben, Lörrach und das Dreiländereck als die Heimat der deutschen Guggenmusiken zu bezeichnen“, schreibt Breitenfeld im Häs-Buch.

Doch im vergangenen Jahr  geriet die älteste Guggemusik in finanzielle Schwierigkeiten, nachdem es Unregelmäßigkeiten in der Kasse gab und sich der Kassierer aus dem Staub gemacht hatte.  Von über 30 Mitgliedern schrumpfte die Clique auf  sieben Musiker.  Die Narrengilde verhinderte jedoch das Aus und half beim Neuanfang, so dass auch in diesem Jahr die älteste Guggemusik Deutschlands in Lörrach zu hören sein wird.

Tschäddärä
Etwas jünger ist die Guggemusik „Tschäddärä“, die seit  1967 besteht. Wie alle Lörracher Gruppen  orientiert sich das Kostüm sehr stark an den Guggen der Stadt Basel  und folgt einem einheitlichen Motto. Die Kostüme, die in der Regel alle drei Jahre wechseln, sind dabei sehr aufwendig gearbeitet, insbesondere die Köpfe aus Pappmaché. In der Regel zeichnet sich das Kostüm des Tambourmajors durch einen besonders überdimensionierten Kopf aus. Die Guggenmusiken  halten bei Marsch und Spiel außerdem eine klare, beinahe schon militärisch genaue Ordnung ein.

Trottwarschlurbi
Die drittälteste Guggemusik sind die „Trottwarschlurbi“. Ihren Namen hat die 1980 im „Blauen Salon“ der Gaststätte „Vorstadt“ in Stetten aus der Taufe gehobene Clique aus dem Umstand gewählt, dass die Musiker oft mit ihren Holzschuhen auf dem Trottoir schlurben.
Zur Fasnachtszeit findet man deren Mitglieder laut Breitenfeld nicht nur in Lörrach. Sie sind ihrem Hobby auch schon in München, Berlin, Meerane oder Bellinzona  nachgegangen.  Außerdem laden sie jedes Jahr zum  Guggeball „Zündschnur“.

Oktave–Chratzer
Als einzige Ortsteil-Guggemusik existieren seit 1981 die „Oktave–Chratzer“ aus  Brombach, die wie die Trottwarschlurbi ebenfalls jährlich einen großen Guggeball veranstalten. Sie haben außerdem wesentlichen Anteil an der Gründung der Gugge-Explosion, die aus dem 20-jährigen Jubiläum der Oktave-Chratzer hervorgegangen ist.

Gassefäger
Die  Lörracher Guggemusiken nehmen traditionell nur Männer ab 16 Jahren in ihren Reihen auf. Eine Eigenart, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat.  Doch auch einige Lörracherinnen fanden nach und nach Gefallen an den  schrägen Tönen. Der Beitritt wurde ihnen jedoch verwehrt. „Die etablierten Guggemusiken der Stadt wollten nichts von weiblichen Aktiven in ihren Reihen wissen“, schreibt Breitenfeld. Daraufhin beschlossen sie, 1990 selbst eine Guggemusik  zu gründen, um  durch die Gassen zu „fägen“ – der Name „Gassefäger“ der ersten reinen „Wiibergugge“ war geboren. Die alemannische Bezeichnung „Wiiber“ muss laut Breitenfeld bei der Übertragung ins Hochdeutsche allerdings keinesfalls mit „Weiber“ sondern mit „Frauen“ übersetzt werden.

In Anbetracht des Erfolgs, den sich die Damen zwischenzeitlich erspielt haben, denkt heute auch niemand mehr an eine Änderung der Situation: „Undenkbar, dass die Wiiberguggen einen Mann in ihren Reihen dulden würden – es sei denn vielleicht als Maskottchen“, so Breitenfeld.

Symfoniee–Müüsle
Ebenfalls eine reine Wiibergugge sind die „Symfoniee–Müüsle“. Die Damen-Truppe besteht seit 1993 in wechselnder Besetzung. Denn eine Schwierigkeit, mit der alle Wiibergugge laut Breitenfeld von Natur aus „immer wieder zu kämpfen haben“,   ist die der „Schwangerschaftsunterbrüche“. Dies führe  „zu einer phasenweisen spürbaren Reduzierung der Aktivenzahl“. Es spreche aber für die Begeisterung der Frauen für die Fasnacht beziehungsweise auch ihrer Partner, dass sie meist schon nach relativ kurzer Zeit – wenn auch in verminderter Intensität – wieder der Musik frönen.

Ohreputzer
Was Erwachsenen lieben, gefällt auch schon den Jüngeren. Aber als 1998 zwei Jugendliche einer Lörracher Guggemusik beitreten wollten, wurde ihnen dies wie zuvor den Frauen verwehrt:  Sie waren zu jung. Daraufhin gründeten sie ebenfalls selbst eine eigene Guggemusik, wie Breitenfeld detailreich schildert: „Am schmutzige Dunnschtig 1998 hän sich de Andi un de Nico troffe, um sich uff z’Obe vor z’bereite. De Nico het sieni alti, dreckigi und verdällti Posune mit gno. Dann sin de Nico un de Andi de ganze Mittag dämit bschäftigt gsi, e Trummle für de Andi z’baue. Us de Not sin e Putzkessl und zwei Joghurtbächer z’sämmebunde worde. Sie überlege sich e Name. Plötzlich seit de Andi: Ohreputzer!“ Aus den zwei Ohrenputzern ist inzwischen eine veritable Guggemusik entstanden. Mitmachen kann jeder zwischen elf und 17 Jahren – egal ob Junge oder Mädchen.

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