Lörrach „Wir entwickeln Zukunft“

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Ronny Müller am „Salatturm“ Foto: zVg Foto: mek

Interview: Ronny Müller erzählt von Prinzipien und Anwendung der Permakultur / Workshop am Samstag im Nellie Nashorn

Ein Schnupperkurs zum Thema Permakultur findet am Samstag im Nellie Nashorn statt. Susann Jekle hat sich im Vorfeld mit Kursleiter Ronny Müller unterhalten. Er ist Dozent an der Permakulturakademie und Mitbegründer des Permakulturzentrums Dreisamtal (siehe Kurzinfo am Ende).

Was ist Permakultur?
Im Wesentlichen ist Permakultur ein Gestaltungskonzept für zukunftsfähige lebendige Systeme, das auf Gestaltungsprinzipien beruht. Die Ausrichtung ist dabei stets Fürsorge für die Erde, Fürsorge für die Menschen und gerechtes Teilen – das sind die Grundmaximen. Was in diesem Gestaltungsansatz an Prinzipien und Werkzeugen steckt, ist auch Teil des Kurses. Der Begriff Permakultur kommt von „permanent agriculture“, das bedeutet dauerhafte Landwirtschaft. Mittlerweile benennen wir es allgemeiner als „permanent culture“, weil erkannt worden ist, dass das Ganze deutlich weiter zu fassen ist, als nur auf Landwirtschaft beschränkt. Das heißt, wir reden nun von dauerhaften Kulturen und einer umfassenden Kulturgestaltung.

Was umfasst diese Art der Gestaltung?
Tatsächlich kann Permakultur alle Lebensbereiche umfassen. Die klassische Herkunft des Konzepts kommt aus der Landwirtschaft und wurde später in kleinerem Maßstab auf den Gartenbau übertragen. Die Prinzipien lassen sich aber im Grunde auf alles anwenden, wo es lebendige Systeme gibt. Das kann in sämtlichen sozialen oder ökonomischen Aufgabenstellungen der Fall sein, und wird auch in der Architektur oder im Organisationsmanagement angewendet. Das sind Bereiche, die erst einmal erschlossen werden müssen, weil sie teils nicht ganz so einfach greifbar sind. Am greifbarsten ist es natürlich im Garten, wo man direkt auf lebendige Systeme stößt.

Was sind die wichtigsten Grundpfeiler der Permakultur?
Sorge für die Erde, sorge für die Menschen und teile gerecht. Auf Englisch klingt das noch etwas griffiger: „Earth care, people care, fair share.“ Das ist die Ausrichtung, um die es geht. Was nicht diesen drei Ausrichtungen entspricht, ist im Grunde keine Permakultur.

Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig? Wie kamen Sie dazu?
Ich selbst fand den Bezug zur Permakultur über das Thema Selbstversorgung, das ist mittlerweile schon 20 Jahre her. Früher war ich bei Greenpeace aktiv und merkte, dass ich im Grunde mitbeteiligt bin an den Übeln, gegen die ich mich einsetze. Ich merkte, dass ich eine sehr viel konsequentere Lebensweise entwickeln müsste, bei der ich mich selbst darum kümmere, in ethisch ordnungsgemäßer Weise mein Leben zu bestreiten. Über diesen Gedankengang entwickelte ich einige Ideen und stieß 1999 auf Permakultur, die all diese Ideen verbindet. Mit Permakultur setzt man sich auf sehr interessante und kreative Weise mit brisanten Themen auseinander.

Seit 2014 gibt es das Permakultur-Zentrum Dreisamtal – was sind die Ziele des Zentrums?
Die Ziele haben sich seit der Gründung geändert. Ursprünglich war es so, dass wir aus einem Permakultur-Designkurs auf dem Häuslemeierhof heraus entstanden sind. Bei dem Kurs wurde als Übung ein Gestaltungskonzept für ein Permakultur-Regionalzentrum für den Hof erstellt – dabei kamen so tolle Ideen zustande, dass viele der Teilnehmer und das Bauernpaar selbst diese Ideen umsetzen wollten. Das war der Startschuss für die Gründung. Es waren vier Hektar Land verfügbar, auf denen eine Erlebnislandschaft für Permakultur entstehen sollte. Das sollte mit der Anlage eines Waldgartens beginnen, wo wir Bäume pflanzten. In den ersten beiden Jahren gab es so viel Interesse und Veranstaltungen, dass es die sozialen Kapazitäten des Hofs sprengte. Nun haben wir uns in Anpassung an die sozialen Gegebenheiten auf den bereits angepflanzten Waldgarten und wenige Veranstaltungen im Jahr beschränkt und wollen damit im kleineren Stil Permakultur auf dem Bauernhof weiterentwickeln. Damit hat es sich von der grundsätzlichen Ausrichtung her zwar nicht verändert, aber in der Größenordnung und Öffentlichkeitswirksamkeit.

Was lernen die Teilnehmer beim Schnupperkurs am 20. Januar in Lörrach?
Das Spektrum dessen, was die Teilnehmer lernen können, ist sehr groß. Allerdings wird es fürs Erste aufgrund der begrenzten Zeit eher an der Oberfläche bleiben. Ich hoffe, dass es viele Inspirationen gibt, dass die Teilnehmer selbst das vertiefen, was sie interessiert und herausfinden, in welche Richtung sie weitergehen könnten. Außerdem stehen die Chancen gut, dass es zu einer Vernetzung untereinander kommt, denn beim Kurs treffen sich Leute, die an ähnlichen Fragen interessiert sind. Da finden sich sicherlich Austauschmöglichkeiten – das hat sich schon vielfach als sehr wertvoll herausgestellt: Oft haben Teilnehmer der Kurse sich für Projekte zusammengeschlossen und sich entschlossen, weitere vertiefende Kurse zu belegen, um Fachwissen zu entwickeln. Sehr viel Fachwissen passt an einem Tag gar nicht rein. Dafür gibt es weiterführende Kurse. Beim Schnupperkurs geht es tatsächlich erst einmal um das Reinschnuppern, um Prinzipien und Praxisbeispiele, und um einige Ideen, wie Permakultur im eigenen Leben Anwendung finden könnte.

Für wen ist die Teilnahme interessant?
Vor allem für alle, die – egal welchen Alters –  ihr Leben in die eigene Hand nehmen wollen und die selber aktiv mit den Problemen auf der Welt umgehen wollen – die auf der Suche nach etwas Lösungsorientiertem sind, das auch Freude macht und auf Kreativität statt Verzweiflung basiert. Besonders wertvoll ist es, wenn die Teilnehmer Interesse daran haben, das Gelernte auch auf ihr eigenes Leben anzuwenden.

Was ist der erste Schritt, wie man Permakultur im eigenen Leben einbinden kann?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Bei Permakultur wird immer auf die individuellen Gegebenheiten geachtet. Die Grundlage einer jeden permakulturellen Gestaltung ist die Beobachtung – wie ist es denn wirklich in meinem Umfeld und mit mir? Im Kurs zeige ich Prinzipien, wie man damit umgehen kann. Allerdings gibt es keine Pauschalantwort oder Grundrezept zum ersten Schritt. Bei der Permakultur geht es um die Herangehensweise. Aus dieser finden sich die ersten Schritte, die je nach Situation sehr unterschiedlich sein können.

Was ist der Anreiz für Neulinge, Permakultur zu betreiben?
Es gibt verschiedene Gründe, aus denen Leute zu den Kursen kommen. Bei mir persönlich war es so, dass es mir um eine Lebensführung ging, die mit meinen Idealen übereinstimmt und die Diskrepanz aufzuheben zwischen dem, wie man leben möchte und dem, was einem entgegenkommt. Für viele ist es einfach der Wunsch, Ideen fürs Gärtnern zu bekommen und in der eigenen Gartengestaltung voranzukommen. Auch geht es um gemeinschaftliche Aspekte – oft ist gemeinschaftliches Gärtnern ein Anreiz, sich mit Permakultur zu beschäftigen. Es ist durchaus auch für Landwirte interessant, die große Flächen zur Verfügung haben, aber auch für Leute ohne eigenen Garten. Es geht um Wirtschaften in Harmonie mit der Natur und darum, in Verbindung zu kommen mit der Mitwelt – also kann auch der Wunsch nach mehr Verbindung Anreiz sein, Permakultur zu betreiben.

Wird Permakultur auch landwirtschaftlich im großen Stil betrieben?
Ja, allerdings gibt es dafür noch kaum gute Beispiele in Deutschland. Global gesehen gibt es einige überzeugende Beispiele, die zeigen, dass es geht. Das Konzept selbst kommt aus Australien, wo es größere landwirtschaftliche Flächen gibt als bei uns und ist auf landwirtschaftliche Anwendung ausgelegt. In Deutschland braucht es für Anwendung im größeren Stil wohl noch Entwicklungszeit. Aktuell entstehen jedoch einige Projekte, und viele Landwirte sind auf der Suche nach alternativen Bewirtschaftungsformen – es könnte also in einigen Jahren wesentlich mehr Beispiele dafür auch in Deutschland geben.

Sie leisten mit Ihrer Arbeit gewissermaßen Pionierarbeit.
Ein Stück weit schon. Obwohl sich Permakultur auch viel auf Erkenntnisse von früher beruft, ist es per se Pionierarbeit, weil Permakultur zukunftsgerichtet ist. Der Begriff „permanent“ zielt nicht nur auf einige Jahre, sondern auf Jahrhunderte und damit auf viele Generationen ab. Mit Permakultur entwickeln wir Zukunft. Viele der Methoden, die wir vorschlagen und anwenden, sind noch recht neu, beziehungsweise müssen erst erprobt werden, wie sie langfristig und im großen Maßstab funktionieren. Insofern gibt es noch etliche Pionier-Aspekte für Permakultur.

Permakultur und Kurs im Nellie Nashorn
Bill Mollison und David Holmgren entwickelten das ursprüngliche Konzept der Permakultur in den 70er Jahren in Australien. Sie  entwarfen positive, ethisch begründete landwirtschaftliche Alternativen. Sie ließen sich inspirieren von Naturvölkern, alten Kulturtechniken und fortschrittlichen Praktikern wie Masanobu Fukuoka. Der japanische Bauer entwickelte seit den 50er Jahren eine ortsangepasste Anbauweise ohne Bodenbearbeitung, ohne synthetische Dünger, ohne Unkrautbekämpfung und ohne Abhängigkeit von Chemikalien. Diese von ihm „natürliche Landwirtschaft“ genannte Methode war ein starke Inspiration zu Beginn der Permakultur und ist es bis heute.
Der Kurs ist bereits ausgebucht, bei Interesse trotzdem eine E-Mail an permakultur @fairnetzt-loerrach.de schicken. Es gibt eine Nachrückliste und es  ist ein weiterer Schnupperkurs im Laufe des Jahres geplant. Außerdem besteht die Möglichkeit, direkt bei Permakultur Dreisamtal   vorbeizuschauen. Mehr Infos unter: www.permakultur-dreisamtal.de

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