Lörrach Wuchtiger Zynismus

Die Oberbadische
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Kabarett: Sigi Zimmerschied verwirrte, verstörte und begeisterte im Burghof

Von Veronika Zettler

Lörrach. Der Bayer Sigi Zimmerschied hat zum Publikum ein ähnlich gespaltenes Verhältnis wie der Österreicher Thomas Bernhard. „Ihr da, typisches Kabarettpublikum, mündige Claqueure“, so und ähnlich spricht er die Zuschauer an. Und vielleicht hat er ja recht. Warum sollte der Künstler vom Publikum weniger erwarten dürfen als umgekehrt? „Ich finde, Ihr solltet jetzt gehen“, sagt er einmal.

Ja, Zimmerschied macht es dem Publikum auch in seinem neuen Programm nicht leicht. Er hat sogar noch einen Zacken zugelegt seit seinem letzten Burghof-Besuch. Zumindest, was das theaterhaft-experimentelle Format angeht. Ein guter Teil der ersten Hälfte findet komplett im Dunkeln statt. Man fängt schon zu zweifeln an, ob es wirklich Zimmerschied ist, der da auf der Bühne mit niederbayerischem Dialekt monologisiert, als endlich das Licht angeht und den 63-jährigen, preisgekrönten Kabarettisten erkennen lässt.

Die Radikalität und Respektlosigkeit, vor allem gegenüber der Religion, ist dagegen längst ein Markenzeichen des studierten Religionspädagogen Zimmerschied. So hasst man halt nur, was man einmal geliebt hat. 1975 gründete er mit Bruno Jonas die Passauer Kabarettgruppe „Verhohnepeopler“. Ihr erstes Stück „Himmelskonferenz“ zog zwar keine Fatwa, aber immerhin ein Ermittlungsverfahren wegen Gotteslästerung nach sich.

Das neue Programm mit dem Namen „Der siebte Tag – Ein Erschöpfungsbericht“ erinnert erzählerisch durchaus an die frühen Tage. Nur gibt Zimmerschied, der auch in Filmen gerne den kauzigen Misanthropen spielt, diesmal keinen Erzengel, sondern Berti, den Assistenten eines zynischen Weltenschöpfers. Letzterer wiederum konkurriert mit anderen Schöpfern, die Douglas Adams’ Anhalter-Romanen entsprungen sein könnten: Atakrawumm und Hagömimagö, der bei der letzten „Galaxiade“ vor fünf Millionen Jahren den ersten Preis für die amüsanteste Schöpfung gewonnen hatte.

Bertis Chef dagegen ist ausgewiesener Sadist, der seinen „Hoppeln“ wo immer es geht Knüppel zwischen die Beine wirft und sein Werk sowieso schon lange zerstört hätte, hätte Berti nicht immer wieder erfolgreich interveniert. Freilich, der Frontalangriff auf die „Tabernakelwinsler“ (Zimmerschied) ist nicht jedermanns Sache. Das, aber auch ein paar dialektbedingte Verständnisprobleme sind wohl der Grund dafür, warum das Publikum im halb vollen Burghof nach der Pause weiter geschrumpft ist.

Dabei nimmt Zimmerschied erst im zweiten Teil so richtig Fahrt auf. Was ihn sonst noch auf die Palme bringt? Mainstream – und von dem hält er mit dem neuen Programm wirklich weitestmöglichen Abstand – außerdem Bigotterie, religiöse Eiferer, sämtliche „Würdenträger“ und Institutionen sowie das öffentlich-rechtliche Fernsehen: Sie alle überschüttet Zimmerschied mit einem Zorn, der in diesem Zusammenhang das Attribut alttestamentarisch verdient.

Die unbedingte Respektlosigkeit entwickelt stellenweise eine starke Wucht. Ob sie ins Schwarze oder leicht daneben trifft, gar über das Ziel hinaus schießt, darüber sind die Zuschauer geteilter Meinung. Vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, denn etwas ganz anderes macht Zimmerschied zum Unikum und Ereignis: Allem Gefälligen, Glatten und Eingängigen zeigt er die kalte Schulter. Schön, dass das geht.

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