Lörrach Zeitgesichter – Gesichter der Zeit

Jürgen Scharf
Die neue Ausstellung mit Porträts von Zeitgenossen (hier: Franz Xaver Kroetz und Ernst Jünger) haben Stiftungsvorsitzender Andreas Obrecht (links) und Kurator Martin Leccese gestaltet. Foto: Jürgen Scharf

Bildende Kunst: Ibenthalerhaus zeigt die Porträtausstellung „Zeitgesichter. Worte, Wissen, Macht, Musik“

Die Ibenthaler-Stiftung wird dieses Jahr 30 Jahre alt. Doch bevor es einen Überblick nach den Sommerferien geben soll, startet das Jubiläumsjahr im Ibenthalerhaus mit der Porträtausstellung „Zeitgesichter. Worte, Wissen, Macht, Musik“.

Von Jürgen Scharf

Lörrach. Das große Kunstthema „Porträt“ zieht sich bei Paul Ibenthaler wie ein roter Faden durch das gesamte Werk. Dass es ein größerer Komplex sein muss, zeigt die Schau mit rund 50 Gemälden und Zeichnungen, die alle in den 1980er und 90er Jahren entstanden sind. Die persönlichen Bildnisse von Personen der Zeitgeschichte ermöglichen einen Blick auf die Figur, auf die Person, auf das Gesicht im privaten, familiären, historischen oder politischen Umfeld. Der Maler hat bekannte Persönlichkeiten aus Literatur, Kunst, Musik, Philosophie, Politik, und Wissenschaft nach fotografischen Vorlagen gemalt und gezeichnet, andere nach Modell.

Ibenthaler lenkt Blick auf den Kern des Menschen

Es sind Menschenbildnisse, die Ibenthaler als einen Meister der Porträtmalerei zeigen, der Gesichter mit Geschichte festhält. Da es ihm nie um das reine Abbild ging, kann man durch die psychologische Komponente immer einen Blick hinter die Leinwand werfen.

Es ist nicht die erste Schau mit Porträts im Ibenthalerhaus; eine Vorgängerschau versammelte Porträts berühmter Künstler wie Beuys und Warhol, aber die jetzt zu sehenden Bilder sind noch nie gezeigt worden. Die Auswahl hat Andreas Obrecht, der Stiftungsvorsitzende, getroffen, Kurator Martin Leccese die Hängung räumlich und thematisch gegliedert.

Ibenthaler lenkt in diesen Zeitbildern den Blick auf den Kern des Menschen, bringt das Wesen der porträtierten Person zum Ausdruck. Ihm ging es wohl darum, wie die Person wahrgenommen wird oder selber wahrgenommen werden möchte, was sie ausstrahlt oder wie sie wirklich ist. Stilistisch sind die meisten Arbeiten expressiv, der Hintergrund oft verändert, übermalt und frei gestaltet.

Schriftsteller von Franz Werfel, Ernst Jünger über Golo Mann bis zu Franz Xaver Kroetz (mit Pfeife) überwiegen. Den Altphilologen Walter Jens erkennt man sofort. Der Schriftsteller Rudolf Hagelstange scheint in dieser Reihe eine Ausnahme. Er ist in einem Triptychon aus verschiedenen Perspektiven gezeichnet, es könnte sich um eine Modellsitzung handeln.

Der skandalumwitterte Regisseur Frank Castorf sieht auf dem Porträt etwas wild aus; Erich Kästner dagegen ist für Ibenthaler-Verhältnisse eher konventionell dargestellt. Faszinierend ist das Porträt der Feministin Alice Schwarzer, die Ibenthaler mit einem weiblichen Akt im Hintergrund in Verbindung bringt.

Justus Frantz und „Die Fantastischen Vier“

Unter den Porträtierten sind viele Charakterköpfe zu entdecken. Auch Namen, die man heute nicht mehr so kennt, Politiker, die nicht mehr tagesaktuell im Gespräch sind, sowie Porträts, bei denen es um Typen geht, so Figurenbilder mit Diktatoren und Funktionären.

Zwei Ausreißer sind darunter, die Bildnisse des französischen Malers Eugene Delacroix und des Zeichners Henri Daumier, der für seine politischen und sozialkritischen Karikaturen bekannt war. Interessant ist, dass Ibenthaler, der kein Ankläger wie Daumier gewesen ist, diesen scharfen Satiriker in seine Sammlung Porträtierter aufgenommen hat.

Im Musikerraum finden sich zwei naheliegende Bildnisse des Musikerduos Irmtraud und Edward H. Tarr (in jüngeren Jahren), ein sehr exakt treffendes Bildnis des Komponisten John Cage und ein originelles Doppelbildnis des Pianisten und Dirigenten Justus Frantz, wie er sich selber ins Auge fasst.

In diesem Umfeld auf die Hip-Hop-Band „Die Fantastischen Vier“ zu stoßen, mag für Ibenthaler-Kenner überraschend sein. Manche Porträtierten, etwa der Philosoph Theodor W. Adorno, kommen nicht so positiv rüber, andere, wie der Provokateur Tomi Ungerer, sehen vergleichsweise freundlich aus. Auch ein bekanntes Gesicht aus Lörrach, der Historiker und Museumsleiter Markus Moehring (in jüngeren Jahren im Profil), ist in der illustren Bildergalerie zu sehen.  Bis 18. Juni, sonntags 15 – 17 Uhr.

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