Lörrach Zeitzeuge: „Heute schäme ich mich“

Die Oberbadische
Sie stellten die 22. Auflage der „Lörracher Hefte“ vor (v.l.): Stadtarchivar und Mitherausgeber Andreas Lauble, Autor Hansjörg Noe, Museumsleiter und Mitherausgeber Markus Moehring. Foto: Peter Ade Foto: Die Oberbadische

„Lörracher Hefte – Nr. 22“: Wie Einheimische den Nationalsozialismus erlebten / Werk von Hansjörg Noe

Von Peter Ade

Lörrach. Was der Historiker Hansjörg Noe am Freitag präsentierte, ist kein klassisches Buch über den Nationalsozialismus in Lörrach. Es kommen vielmehr Zeitzeugen zu Wort. Obendrein enthält das Werk Ausschnitte aus Tagebüchern und autobiografische Dokumente.

Was jetzt vorliegt, ist die 22. Auflage der „Lörracher Hefte“ – insgesamt 176 Seiten und damit eines der umfangreichsten Exemplare der populären Serie. „Nun kann ich darüber sprechen...“, lautet der Titel des Werkes, das am Mittwoch, 30. September, um 19 Uhr im Hebelsaal des Dreiländermuseum der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Autor Noe hat ein ganzes Jahr lang zahlreiche Zeitzeugen interviewt, die Aussagen zu Papier gebracht und autorisieren lassen. Das Projekt – herausgegeben von Stadtarchivar Andreas Lauble und Museumsleiter Markus Moehring – ist im Verlag Waldemar Lutz in einer Auflage von 2000 Exemplaren erschienen und wird zum Preis von 14,80 Euro angeboten.

Gerne bei Hitlerjugend und im Arbeitsdienst

„Ich war dabei, heute schäme ich mich“, bekennt ein Zeitzeuge (Jahrgang 1925), der namentlich nicht genannt werden will. Er sei gerne bei der Hitlerjugend sowie im Arbeitsdienst gewesen und habe sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet. „Dann, im Krieg, habe ich gemerkt, was mit uns gemacht worden ist.“

„An Nazi-Lieder und -Gedichte, die mir nicht aus dem Kopf gehen“, erinnert sich ein anderer Lörracher: „Dass ich das einmal gesungen habe, kann ich mir fast nicht verzeihen. Aber wir wussten es nicht besser.“

Dem früheren Lörracher Bundestagsabgeordneten Wilhelm Jung (Jahrgang 1928) bleibt der Morgen nach der Reichskristallnacht (10. November 1938) im Gedächtnis. Er habe an der elterlichen Bäckerei die Plakate gesehen: „In diesem Geschäft werden keine Juden bedient.“ Der Vater sei sofort empört gewesen und habe die Schriften mit dem Ausruf heruntergerissen: „Was für ein Arschloch hat mir das an die Türe gehängt?“

Über die spätere Deportation der Juden am 22. Oktober 1940 nach Gurs berichtet Micky Mischée (Jahrgang 1935). Als Kind erlebte sie, wie am Marktplatz – beim „Verladen“ der Opfer auf Lastwagen – einer Frau ein „Tritt in den Hintern“ gegeben wurde.

„Ich beschloss, den Hitlergruß nicht mitzumachen“

„Ich beschloss, den Hitlergruß nicht mitzumachen“, erzählt in ihren Lebenserinnerungen die mit den Eltern nach Amerika geflüchtete Anna Turpin-Denz, Mitglied der Glaubensgemeinschaft „Jehovas Zeugen“.

Das Buch ist illustriert mit zahlreichen Fotos und bislang unveröffentlichten Archivalien aus dem Stadtarchiv. Mit etlichen Zeitzeugen kam Noe im Jahr 2013 bei einer Führung durch die große Sonderausstellung „Lörrach und der Nationalsozialismus“ im Dreiländermuseum erstmals ins Gespräch.

Das neue Heft bildet eine wertvolle Ergänzung zur vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit des Freiburger Historikers Robert Neisen, der im Jahr 2013 im Auftrag des Gemeinderats eine umfangreiche Publikation erarbeitet hat – ausgehend von den Aktivitäten des einstigen Nazi-Bürgermeisters Reinhard Boos.

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