Lörrach Zwischen Kant und Disney

Die Oberbadische
Hut ab! Erwin Pelzig überzeugte im Burghof. Foto: Dorothea Gebauer Foto: Die Oberbadische

Kabarett: Pelzig inspiriert mit „Weg hier“ im Burghof

Von Dorothea Gebauer

Lörrach. Geist fällt vom Himmel und leuchtet hell. Am dunklen Gestirn bedrohlich anmutender Zukunftsszenarien flammen in rasanter Abfolge helle Blitze, prasseln Ideen und schießen Gedanken auf 600 Zuhörer, die beinahe atemlos, aber immer in hellwacher Gespanntheit dem Gedankenstrom zu folgen versuchen: Pelzig gibt alles und fordert alles. Die ganze Aufmerksamkeit. Sie zu geben, lohnt.

Es gibt ja das Kabarett, das einen vor lauter Weltuntergangsstimmung resigniert, leer und zynisch zurücklässt. Das, wo Phrasen langweilen und Alltagsplätze müde grinsen lassen. Nicht so bei Erwin Pelzig. Seine Gesellschaftsanalyse geht tief. Wenn er sticht, blutet es heftig. Was er angeht, ist nicht nur ein kolossal pointiertes Verdichten, mit viel Wortwitz, „hindurchsödern,“ „brunzdumm,“ sein Kabarett ist intelligente, sehr unterhaltsam geführte Moralphilosophie mit einer randgefüllten Agenda.

Der Satz etwa: „Ohne gemeinsame Tatsachen geht es nicht!“, der sich leitmotivisch zwischen der Verballhornung von Verschwörungstheorien, Fakenews und Postfaxen durchzieht und die Verdienste der Aufklärung plötzlich wie einen hellen Stern aufscheinen lässt. Was passiert denn, wenn alles Glaubens- und Ansichtssache ist? Das denkt Pelzig konsequent zu Ende und stellt choreografisch geschickt immer wieder skurrile Fragen dazu ins Publikum und lässt Hände heben: „Wer glaubt, dass …?“ Symbolisch, dass dann natürlich alle Lichter hell ins Publikum strahlen. „Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben,“ zitiert er André Gide.

„Ich fordere eine neue Aufklärung!“ Der in bayrischem Dress biertrinkende, aufgeregte Zwerg mit extra fränkischem Dialekt hat bei Immanuel Kant Zuflucht gefunden. Oder bei Walt Disney, nach dessen Vorbild er seine Protagonisten wechselweise auf drei Stühle setzen lässt. Des Träumers, des Kritikers und des Realisten.

Dort sitzt auch mal sein „Lieblingsdespot Erdogan“ und deliriert sich in die Weltherrschaft hinein. Das Urteil mit Europas Nationalisten fällt hart aus. Europa sei „ohne Architekten,“ habe nur Plünderer, zu denen er Teresa May zählt. Ist die Digitalisierung an allem schuld? Nun, das dritte Reich sei auch ohne WhatsApp entstanden. Und wer mit Facebook, einem Stinktier schlafe, solle sich nicht beklagen, wenn das Bett hinterher müffele.

Wir haben in kürzester Zeit sehr viele Menschen und Systeme kennengelernt und sie auf ihre Glaubwürdigkeit hin abgeklopft. Wir waren in Berlin, Japan und in Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben unzählige Trends durchleuchtet und wurden angesichts merkwürdiger Entwicklungen zu einer Haltung eingeladen. Ja, es steht schlimm um uns. Und doch: Mögen wir den Mut haben, uns unseres Verstandes zu bedienen. Oder etwas anständig zu sein. Dann, so der Hofnarr kühn, könnte es sein, dass wir nicht mit unserer Zeit fremdeln, sondern sie mit uns.

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