Lörracher Erinnerungskultur Mit Zivilcourage in die Zukunft – Bürger sollen gegen Antisemitismus agieren

Regine Ounas-Kräusel
Bei der OB-Ansprache am Synagogengäßchen am Marktplatz, wo bis zur Pogromnacht am 9. November 1938 Lörrachs erste Synagoge stand. Mit dabei: (von rechts) Hanna Scheinker (Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde Lörrach), Moshe Flomenmann (Rabbiner der israelitischen Kultusgemeinde Lörrach), OB Jörg Lutz und Pfarrer Michael Hoffmann (Gruppe Abraham). Foto: Regine Ounas-Kräusel

Die Gedenkveranstaltung an die Zerstörung der Lörracher Synagoge am 9. November 1938 war auch ein Zeichen gegen den Antisemitismus heute.

Unter der Nazidiktatur wurden am 9. November 1938 in ganz Deutschland die Synagogen in Brand gesteckt. Auch die Synagoge in Lörrach, die seit 1808 am heutigen Marktplatz stand, wurde zerstört. 80 Jahre nach der Pogromnacht, am 9. November 2008 hat die israelitische Kultusgemeinde Lörrach ihre neue Synagoge eröffnet. Zur Gedenkfeier versammelten sich rund 150 Menschen am Synagogengäßchen auf dem Marktplatz, unter ihnen auch Gemeinderäte und Vertreterinnen der Kirchen.

Mit Zivilcourage

Oberbürgermeister Jörg Lutz rief dazu auf, mit Zivilcourage und Beharrlichkeit gegen den Antisemitismus der Gegenwart vorzugehen. Als Vorbild nannte er Irmela Mengah Schramm, die vor wenigen Tagen Lörrach besuchte. Die 78-jährige Berlinerin entfernt seit 1986 Aufkleber mit Nazi- und Hassparolen in der U-Bahn oder wo auch immer sie diese entdeckt. „Wenn solche Aufkleber banal werden, wird der Nationalsozialismus wieder real“, sei ihre Devise, so Lutz. Berührend sei gewesen, wie sie in der Realschule Lörrach mit den Schülern Hass- in Liebesbotschaften umgewandelt habe.

Lutz nahm Bezug auf die Gewalttaten von offensichtlich propalästinensischen Rowdys gegen jüdische Fußballfans in Amsterdam in der Nacht auf den 8. November. Wer Antisemitismus mit Worten oder sogar mit körperlicher Gewalt praktiziere, sei in Deutschland und in Lörrach nicht willkommen, betonte Lutz unter Applaus. Antisemitismus gebe es allerdings auch unter Einheimischen, und Menschen auf der Flucht seien selbstverständlich willkommen, stellte er klar. Er warb für Lörrach als offene Stadt, in der Menschen jeder Herkunft und Religion friedlich zusammen leben.

Frieden und Toleranz

Pfarrer Michael Hoffmann von der Gruppe Abraham, in der sich Juden, Christen und Muslime für Frieden und Toleranz einsetzen, erinnerte an die Terrorangriffe der Hamas gegen Israelis am 7. Oktober 2023. Nach dem Holocaust seien Juden wieder Opfer von unmenschlicher Gewalt geworden, sagte er. Er sprach auch vom „unbeschreiblichen Leid“, das die Menschen im Gazastreifen und im Libanon im Krieg seit dem 7. Oktober erführen. Dennoch fragte er, ob es bei den pro-palästinensischen Demonstrationen in Deutschland wirklich um das Leid dieser Menschen gehe oder doch wieder um Hass gegen Juden? Er forderte im Kampf gegen Antisemitismus eine harte Bestrafung der Täter. Hoffmann schloss mit einem Gebet zu „unserem Gott, der uns mit Israel und den Juden verbindet“.

Moshe Flomenmann, Rabbiner der jüdischen Gemeinde Lörrach und Landesrabbiner in Baden, lenkte den Blick auf die Gegenwart.

Rabbiner ordnet ein

Dass Juden ihre Kippa und andere Zeichen, die sie als Juden erkennbar machen, verstecken sollen, sei unmöglich. Die Gewalttaten in Amsterdam nannte er unfassbar. Mit Blick in Geschichte und Zukunft sagte er: Alle, die die Juden vernichten wollten, wie die ägyptischen Pharaonen oder Hitler, gebe es nicht mehr: „Aber das Judentum gibt es noch.“ Er ermutigte die Zuhörer zur Zivilcourage. Er wünsche sich, dass die jüdische Gemeinde Lörrach „mit Ihrer und mit Gottes Hilfe“ eine bessere Zukunft erlebe – ohne schusssichere Fenster in der Synagoge und ohne Sicherheitszaun. Flomenmann sprach ein hebräisches Gebet, in dem er der Ermordeten in den Vernichtungslagern Auschwitz, Treblinka und Majdanek gedachte.

Nach den Ansprachen und Gebeten legten die Menschen Kerzen an der Gedenkstele in der Teichstraße ab.

Zwei Musiker des Akkordeonensembles „Collage“ begleiteten die Gedenkfeier. Anschließend gab das jiddische Trio „Meydelech“ ein Konzert im Davidsaal der jüdischen Gemeinde.

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