Lörracher Lokalpolitik Warum Ratssitzungen nicht im Internet veröffentlicht werden sollen

Marco Fraune
Die öffentlichen Gemeinderatssitzungen werden laut Empfehlung der Verwaltung nicht aufgezeichnet. Foto: Marco Fraune

Die Stadtverwaltung spricht sich gegen die Aufzeichnung von öffentlichen Gemeinderatssitzungen zur Veröffentlichung im Internet aus. Der Antrag verschiedener Stadträte und des Jugendrats soll abgelehnt werden.

Wer es zeitlich oder auch aufgrund anderer Einschränkungen nicht schafft, zu den Lörracher Ratssitzungen zu kommen, soll diese übers Internet mitverfolgen können. Dieser Wunsch wird aber voraussichtlich nicht Wirklichkeit, da die Verwaltung dem Gemeinderat verschiedene Gründe anführt, die eine Ablehnung nahelegen. Auch das Beispiel aus Konstanz zeige Probleme auf. Die Vorberatung erfolgte am Donnerstagabend im Hauptausschuss.

Vom Grundsatz her lässt die Kommunalverfassung Baden-Württemberg eine Live-Übertragung von Gemeinderatssitzungen im Fernsehen, Radio und Internet zu, da es hierzu keine ausschließende Bestimmung gibt. Es reicht aber aus, eine „Saalöffentlichkeit“ durch Sitzungen an einem zugänglichen Ort herzustellen. Ein Knackpunkt für Internet-Aufzeichnungen stellt jedoch der Datenschutz dar, wie Fachbereichsleiter Thomas Wache in der Beschlussvorlage ausführlich darlegt.

So müssen alle betroffenen Personen der Ratssitzung der Aufzeichnung auch zustimmen. Die schriftlich einzuholende Einwilligung könne aber auch jederzeit widerrufen werden. Wache: „Es könnte somit vorkommen, dass nicht alle Mitglieder des Gemeinderats in die Verarbeitung ihrer Daten einwilligen.“ Diese Einwilligung könnte laut dem Fachbereichsleiter für die gesamte Amtszeit oder für jede Sitzung, Tagesordnungspunkt oder Rede gelten. „In diesem Fall muss sichergestellt werden, dass nur von den betreffenden Ratsmitgliedern Ton- und gegebenenfalls Bildaufnahmen im Internet veröffentlicht werden, die wirksam eingewilligt haben.“ Es stelle sich jedoch die Frage, ob in diesem Fall der Verlauf der Beratung oder Diskussion über einen Tagesordnungspunkt sinnvoll dargestellt werden könne, hebt die Verwaltung heraus. Hinzu komme, dass auch die im Saal befindlichen leitenden und führenden Verwaltungsmitarbeiter einwilligen müssten. Die Daten der übrigen Mitarbeiter dürften außerdem noch nicht einmal Berücksichtigung finden.

Bürger vor der Kamera?

Bürger, die sich ebenfalls im Sitzungssaal befinden, müssten außerdem ebenso einwilligen. Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit empfiehlt grundsätzlich laut Wache, auf Aufnahmen von Zuhörern oder der Fragestunde zu verzichten, da dies aus Datenschutzgründen besonders problematisch ist. „Es könnte möglicherweise abschreckend auf Zuhörer wirken, die aufgrund von Videoaufnahmen nicht an der Sitzung teilnehmen möchten oder keine Fragen vor laufender Kamera stellen wollen.“

Ein Live-Stream ist laut Verwaltungsbewertung außerdem nicht möglich, sondern die Übertragung müsse zeitversetzt erfolgen, um den datenschutzrechtlichen Belangen Rechnung zu tragen und gegebenenfalls versehentliche Aufzeichnungen in Bild und Ton von nicht eingewilligten Personen beziehungsweise bei Widerrufen herausschneiden zu können, heißt es weiter.

Warum in Konstanz?

In Konstanz wird hingegen die Internetübertragung vorgenommen. Die Stadt nehme dies in enger Abstimmung mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI) vor. Mehrere manuell gesteuerte Kameras zeichnen umfassend in Wort und Bild auf. Die Räte und auch die Verwaltungsführungskräfte haben auf unbestimmte Zeit ihre Zustimmung zur Aufzeichnung gegeben, schildert Wache weiter. „Die Vorgabe des LfDI, dass nur Führungskräfte wirksam eine Einverständniserklärung abgeben dürfen, da Mitarbeiter sich unter Druck gesetzt fühlen könnten und so nicht frei in ihrer Entscheidung sind, führt in Konstanz zu einigen Verstimmungen.“ Mitarbeiter würden selbst gerne ihre Arbeit präsentieren und dürften dies nicht. Versage eine Führungskraft das Einverständnis, so übernehme die jeweilige Dezernatsleitung den Sachvortrag. Bürger werden von der Kamera nicht erfasst.

Die Stadt Konstanz stelle die Aufnahmen maximal für sechs Wochen ins Netz – aber nur von Ratssitzungen, da Ausschusssitzungen nicht aufgezeichnet werden. Pro Sitzungsaufzeichnung fallen Kosten für den externen Dienstleiter in Höhe von 1500 Euro an. Die Aufzeichnungen werden laut dem Lörracher Fachbereichsleiter ganz unterschiedlich angenommen. „Die durchschnittliche Klickrate liegt bei unter 100 Klicks.“

Die Bewertung für Lörrach

Unterm Strich sieht die Lörracher Verwaltung eine Aufzeichnung und Übertragung der Ratssitzung unter dem Aspekt der Transparenz positiv. Doch stehe der tatsächliche Nutzen „in keinem angemessenen Verhältnis“ zu den damit verbundenen Kosten für die Technik und die zu beauftragende Firma. Hinzu komme, dass eine grundlegende Umgestaltung der Sitzordnung sowie Umbauten unumgänglich seien. Auch die alte Mikrofonanlage stelle ein Problem dar, womit weitere Kosten anfallen könnten.

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