Müllheim Bücher zur „Vanlife-Szene“ gefragt

Alexander Anlicker

Corona: Mediatheksleiterin Petra Liebrecht zum Ausleih- und Leseverhalten in der Pandemie

Müllheim - Wenn das Treffen mit Freunden während der Pandemie nur eingeschränkt möglich ist, bleibt vielen nur die Möglichkeit, es sich mit einem Buch auf dem Sofa gemütlich zu machen. Haben die Leute mehr gelesen, und falls ja was? Wurde verstärkt auf die E-Books des Onleihe-Angebots zugegriffen? Dies wollte unsere Zeitung von Petra Liebrecht, Leiterin der Mediathek Müllheim wissen.

Frage: Haben sich die Schließungen im Frühjahr und ab Herbst 2020 auf die Nutzerzahlen der Mediathek ausgewirkt?

Nun, 2020 hatten wir insgesamt 16 Prozent weniger Jahresöffnungsstunden. Als wir ab dem 5. Mai wieder öffnen konnten, ging das natürlich nur mit einem Hygienekonzept, das unter anderem nur maximal 15 Besucher auf einmal vorsieht.

Dass die Nutzerzahlen im Vergleich zum Vorjahr gesunken sind, wundert unter diesen Umständen nicht. 391 Menschen haben sich neu angemeldet, Im Jahr 2019 waren es 714. Dieser Rückgang hängt sicherlich auch mit der Schließung der Schulen zusammen, da nur ganz wenige Klassenführungen stattfanden, bei denen normalerweise viele erstmals eine Mediathekskarte erhalten. Hierzu passt auch, dass die Anzahl der aktiven Nutzer bei den Kindern bis zwölf Jahre um 34 Prozent gesunken ist, da natürlich keine regelmäßigen Klassenbesuche mit Buchausleihe stattfanden, andererseits aber die Anzahl der aktiven Leser ab 60 Jahre um 18 Prozent gestiegen ist.

Dieser Personenkreis hatte 2020 aus bekannten Gründen häufig viel Zeit zur Verfügung, aber wenig Gesellschaft. Da ist Lesen und die – gedankliche – Reise in andere Sphären wichtig. 93 Erwachsene aus Müllheim und 108 aus Müllheims Umland bis nach Frankreich haben sich 2020 neu angemeldet.

Frage: Wie wurde und werden während des Lockdowns die gefüllten Büchertaschen angenommen?

Die Mediathek war vom 17. März bis 4. Mai geschlossen. Ab dem 7. April haben wir einen Abholservice angeboten, der rege genutzt wurde. Allerdings kein Vergleich zu jetzt, im zweiten Lockdown, wo wir innerhalb eines Monats 260 Taschen mit zusammen mehr 2200 Medien gepackt haben. Die Leute wussten jetzt beim zweiten Lockdown, was auf sie zukommt und haben das Heft schneller wieder in die Hand genommen, sprich sich mit Medien versorgt. Wir erhalten sehr viel positives Feedback, die Leute sind uns sehr dankbar, dass wir sie in dieser schwierigen Zeit mit den unterschiedlichen Medien versorgen.

Frage: Haben die Leute während des Lockdowns mehr gelesen?

Bei uns ging die Ausleihe der Printmedien um zehn Prozent zurück, die der Onleihe allerdings um 15 Prozent nach oben. Gerade anfangs haben sich viele Leser aus Risikogruppen zurückgezogen und nichts mehr vor Ort ausgeliehen, aber trotzdem gelesen – die eigenen Bücher, die schon lange ungelesen im Schrank standen oder wiedergelesen werden wollten. Andere wiederum haben die Onleihe als kontaktlose Form des Ausleihens neu für sich entdeckt.

Frage: Die Onleihe hat bestimmt während des Lockdowns geboomt? Oder steigen unabhängig von Corona immer mehr Leute auf E-Book-Reader um?

Viele, die zu uns kommen, bevorzugen das physische Buch in der Hand, die Haptik, das Umblättern, dass man jederzeit sieht, was man liest – im E-Reader sieht man ja nur die einzelne Seite –, dass man sieht, wie viel man schon gelesen hat und wie viel noch kommt bis zum Ende. Nehmen allerdings die Zipperlein zu – Schlaflosigkeit oder eine schmerzende Schulter – ist so ein leichter E-Reader in der Hand, gerade auch im Bett, wieder sehr willkommen. Ebenso natürlich auch im Urlaub bei Viellesern, die dann keine schwere Büchertasche mitschleppen müssen.

Frage: Wurde im Sommer – ohne Urlaubsreise – mehr gelesen?

Vereinzelt sicherlich. Aber in unserem schönen Ländle kann man ja viele Tagesausflüge in herrliche Gegenden machen, sodass auch ohne Urlaubsreise nicht mehr Zeit zum Lesen da ist. Viele Tipps dazu in den Zeitungen hat es ja gegeben.

Frage: Welche Bücher waren im vergangenen Jahr besonders gefragt?

Bei den Romanen waren es Matthias Brandts „Blackbird“ und von Lilli Marbach „Das beste wartet noch auf dich.“, Lucinnda Rileys „Die sieben Schwestern“, Jostein Gaarders „Genau richtig : die kurze Geschichte einer langen Nacht“, sowie das Klimawandel-Trio von Maja Lunde mit 19 bis 23 Ausleihen in 2020. Das war nur möglich, weil wir von den Titeln zwei Exemplare haben. Das zweite wurde uns jeweils geschenkt und weil so brandneu natürlich von uns auch eingearbeitet. Mit 18 Ausleihen bei nur einem Exemplar lag Ute Wehrles Regio-Krimi „Bächle, Gässle, Todesstoß“ eigentlich ganz vorne.

Bei den Sachbüchern führt „111 Orte im Schwarzwald, die man gesehen haben muss“ vor einem Rezeptbuch zu „Hummus“ und einem über Kurkuma. Unter den 20 besten waren auch: „Das Zero Waste Nähbuch“, „Zuckerfrei für Berufstätige“, „Der Brotbackkurs“, „Nachhaltig Gärtnern“, Stephen Hawkings „Kurze Antworten auf große Fragen“, Frank Sierens „Zukunft? China! „“ie die neue Supermacht unser Leben, unsere Politik, unsere Wirtschaft verändert“.

Frage: Waren auch Wanderführer gefragt, gerade das Wandern hat ja im vergangenen Jahr enormen Zuspruch erfahren?

Ja auch, aber auch die „Vanlife diaries: von Glück und Freiheit auf vier Rädern“ mit persönlichen Erfahrungsberichten und Erzählungen aus der Vanlife-Szene war sehr gefragt.

Zusammenfassend könnte man sagen, dass es vor allem Themen zur Gesundheit, zur Umwelt, Politik und kleine Fluchten – draußen sein, im Wohnwagen Weite erleben – waren, die besonders gut gingen.

ist im Schwarzwald aufgewachsen und in Donaueschingen zur Schule gegangen. Sie studierte an der Fachhochschule für Bibliothekswesen (FHB) in Stuttgart. Liebrecht ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Ihre Hobbys sind – außer lesen: walken, wandern, e-biken und gärtnern.

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