Müllheim Das Markgräflerland als identitätsstiftender Begriff

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Jan Merk hat sich intensiv mit dem Begriff und der Region „Markgräflerland“ auseinandergesetzt. Foto: Silke Hartenstein

Heimatkunde: 200 Besucher folgen Vortrag von Jan Merk im Markgräfler Museum in Müllheim

Müllheim (sih). Das Markgräflerland: Dieser Begriff ist zwar in aller Munde, doch was genau ist darunter zu verstehen? Darüber wissen die knapp 200 Zuhörer des Vortrags „Was ist das Markgräflerland?“ von Kulturdezernent Jan Merk jetzt mehr. Die Antwort darauf ist vielschichtig und hat auch etwas mit Wein zu tun.

Zu Merks kompaktem Vortrag, einer Veranstaltung in Kooperation mit dem Alemannischen Institut Freiburg, war der große Ballsaal im Blankenhorn-Palais voll besetzt, dazu kamen über 80 Zuhörer via Zoom-Übertragung. Damit noch mehr Menschen erfahren, wie die Region zu ihrem Namen kam, erscheint dazu im laufenden Jahr eine Broschüre des Geschichtsvereins Markgräflerland. Ab dem Frühjahr soll zudem ein bronzenes Landschaftsrelief vor der Müllheimer Martinskirche die geografische Lage des Markgräflerlands veranschaulichen.

Als langjähriger Leiter des Markgräfler Museums befasste sich Jan Merk über 20 Jahre hinweg immer wieder mit dem Thema. Immer wieder sei er gefragt worden, was der Begriff Markgräflerland bedeute, erzählte er. Dies sei der Anstoß seiner Recherchen in Archiven und Bibliotheken gewesen.

Manche Historiker beziffern die Gründung des Markgräflerlands auf das ausgehende Mittelalter. Am 8. September 1444 vereinigten sich die Herrschaften Rötteln, Sausenberg und Badenweiler zur „oberen Markgrafschaft“. Durch ihre Union wollten sie sich besser behaupten gegen die Expansionsbestrebungen der österreichischen Habsburger. Jahrhunderte lang war sodann nur die Rede von der „Markgrafschaft“. Diese war kein Staat, sondern umfasste die drei Bezirke Müllheim, Lörrach und Schopfheim und bestand aus, so Merk, „unzusammenhängenden Gebietsfetzen rechts des Oberrheins“. 1711 dann ging aus der Vereinigung der evangelischen Linie Baden-Durlach und der katholischen Linie Baden-Baden der Begriff „Obere Markgrafschaft Baden“ hervor.

Wie jung der Begriff „Markgräflerland“ ist, beweist Johann Peter Hebels gegen 1800 geschriebenes Gedicht „Der Schwarzwälder im Breisgau“. Hier bezeichnet sich der, teils in Hausen im Wiesental aufgewachsene Dichter als Schwarzwälder, der im Breisgau auf Schloss Bürgeln die schöne Aussicht und an der Müllheimer Post den guten Wein genießt. Auch die Lesegesellschaft Müllheim nannte sich in ihrem Gründungsjahr 1789 „Lesegesellschaft Breisgau“. Erst später bildete sich das Markgräflerland als Landschaftbegriff heraus und drängte im Zuge dieser Ausweitung den Begriff „Breisgau“ zurück auf die Freiburger Bucht und somit auf ein Gebiet von den Vorbergen bei Lahr und Emmendingen bis zu den Vorbergen des Markgräfler Hügellands und vom Grundgebirge des Schwarzwalds bis zu Tuniberg und Kaiserstuhl.

Gutedel als wichtiges Element

Ein wichtiger Schritt zum Begriff „Markgräflerland“ war das Jahr 1780, als Markgraf Karl Friedrich von Baden die Gutedel-Traube aus der Schweiz in der hiesigen Region einführte. Der Wein aus der Markgrafschaft wurde unter dem neuen Markennamen „Markgräfler Wein“ bekannt. Im Markgräfler Museum gibt es eine unentkorkte Flasche mit dem Etikett „1865er Markgräfler“. Dazu Merk: „Ein veritabler historischer Beweis, aber wohl ungenießbar“. Karl Josef Bader (1796 bis 1874) wiederum schrieb in seinem Buch über Volkssitten und -bräuche über die „Markgräfler, welche eine Gegend bewohnen, die alles hervorbringen kann“.

Gegen 1900 dann wurde der bis dahin positiv mit Heimatidylle und humanistischem Menschenbild besetzte Begriff Markgräflerland langsam vereinnahmt von der Blut-und-Boden-Ideologie des aufkommenden Nationalsozialismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt er als verstaubt und rechtslastig. Heute steht das Markgräflerland für eine sonnige Wohlfühlregion, Genuss, Gelassenheit und Lebenskunst. Der identitätsstiftende Begriff dehnte sich aus bis zur Oberrheinebene, selbst die bis 1806 vorderösterreichische freie Reichsstadt Neuenburg wird heute von Vielen im Markgräflerland verortet. Wie sich der Begriff weiter entwickeln wird - das wird die Zeit zeigen.

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