Was der English Theatre Club des Markgräfler Gymnasiums an zwei Abenden auf die Bühne brachte, ging weit über die Erwartungen, die man an ein Schultheater stellen kann, hinaus, heißt es in einem Nachbericht.
Unter der Leitung von Katharina Coussot präsentierten die acht jungen Akteure das Drama „The Women of Lockerbie“ (2003) von Deborah Brevoort, das sieben Jahre nach der dortigen Flugzeugkatastrophe spielt.
Was der English Theatre Club des Markgräfler Gymnasiums an zwei Abenden auf die Bühne brachte, ging weit über die Erwartungen, die man an ein Schultheater stellen kann, hinaus, heißt es in einem Nachbericht.
Selbst die Autorin hätte die absolut stimmige Umsetzung ihres 2003 uraufgeführten Theaterstücks überzeugt und beeindruckt, zumal sich die Regisseurin für die Original- und nicht für die gekürzte Version, die Brevoort für Schultheatergruppen erstellte, entschieden hat. So gab es viel Text zu lernen, was die Schüler so bravourös und in solch perfektem Englisch darboten, dass man als Zuschauer sogar vergaß, dass auf der Bühne auswendig Gelerntes präsentiert wurde, so authentisch wirkten die Dialoge.
Und es sind keine einfachen Dialoge, die sich mit den unterschiedlichen Arten und Phasen von Trauerarbeit auseinandersetzen. Entsetzen, Verzweiflung, Verdrängung, Aggression, Rachegelüste, Selbstgeißelung, Verweigerung bis hin zur Abstumpfung – all diese übermächtigen Gefühle meisterten die jungen Akteure bewundernswert facettenreich und absolut überzeugend, was angesichts ihres jungen Alters erst recht verblüfft.
Unterstützt wurde die ergreifende Vorstellung durch eine stimmige Choreographie, im Gesamtbild ebenso wie im Detail. Die verzweifelte Mutter (Ida Ettner), die die sterblichen Überreste ihres Kindes auf den Hügeln rund um Lockerbie sucht, ist ständig in Bewegung und verleiht ihrer wilden Verzweiflung gestenreich und stimmgewaltig Ausdruck. Zur Ruhe kommt sie erst, als man den Koffer ihres Sohnes findet und sie endlich etwas Konkretes in der Hand hält, an dem sie ihre Trauer festmachen kann.
Die Verzweiflung des Vaters (Henry Whitehead) offenbart sich dagegen im Gesichtsausdruck und in der Stimme; die Körperhaltung spiegelt seine Hilflosigkeit. Er ist übermannt und kann sich nur schwerfällig bewegen, weil ihn die ruhe- und ziellosen Gefühlsstürme seiner Frau, die vernünftigen Argumenten nicht mehr zugänglich sind, überfordern und in der eigenen Trauerarbeit einengen.
Erst die Gespräche mit den Frauen von Lockerbie vermögen diese Ketten zu lösen und führen am Ende zu gemeinschaftlicher aktiver Trauerarbeit. Das ist der Zeitpunkt, zu dem die Sonne aufgeht (programmiert von Anton Schirg), das Ende der Nacht, die Wintersonnenwende ist vollbracht, das Leid kann verarbeitet werden, das Leben für alle wieder beginnen, denn auch die Erfahrungen der Frauen von Lockerbie (Lina Hug, Lisa Bürgelin, Aleah Fischer) mit den Folgen der Flugzeugkatastrophe sind schrecklich und verstörend. Ähnlich wie der Chor in der griechischen Tragödie stehen sie, unbeweglich und leicht erhöht, auf der Bühne und kommentieren die leidvollen Erfahrungen mit der Katastrophe.
Zwei weitere Frauen von Lockerbie (Janina Armbruster, Valerie Schirmer) bringen die Handlung aktiv voran und sorgen dafür, dass sie ihr Ziel erreichen: Sie wollen die Kleidung der Opfer waschen und den Familien zurückgeben, was ein Beamter des amerikanischen Außenministeriums (Samuel Rübsamen) verhindern soll. Diese konkrete Trauerarbeit dient einem größeren Ziel, das über allem steht: Das Böse darf nicht siegen: „Wenn das Böse in die Welt tritt, ist es die Aufgabe der Zeugen, es in Liebe zu verwandeln“, denn „Hass ist Liebe, die verletzt wurde. Wenn du Hass im Herzen hegst, bedeutet das, dass du auch Liebe in dir trägst.“