Vor fast 30 Jahren platzte der Gemeindesaal Vögisheim aus allen Nähten, als der aus Vögisheim stammende Regisseur und Schauspieler Michael Wolf den Film „Das Matriarchat des Bösen“ zeigte. Von Dorothee Philipp Müllheim-Vögisheim. 1000 Zuschauer wollten die opulent ausgeschmückte, actionreiche Piratengeschichte sehen, in der Laienschauspieler aus Müllheim und Umgebung an ungewöhnlichen Orten bis hin zu einem Dreh in der Karibik vor Wolfs Kamera ihr Talent unter Beweis stellten. Ein köstlicher Spaß, der bis heute in der Müllheimer Kultkneipe „Deutelmoser“ mit ihrer Piratenromantik weiterlebt, die Wolf damals mit dem heutigen Inhaber Thomas Ziegler ins Leben gerufen hat. 1000 Drehbücher für „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ geschrieben Wolf ging aus Müllheim weg, studierte Schauspiel und Regie, arbeitete an vielen Theatern und beim Fernsehen, schrieb Drehbücher für über 1000 Folgen von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, war langjähriger Assistent von Michael Pfleghaar, er war Mitbegründer des Berliner Improvisationstheaters „Die Gorillas“ und tausend andere Sachen mehr. Jetzt kommt Michael Wolf nach Müllheim zurück mit einem Film, der das spannende Feld des „collective storytelling“ mit Mitteln der Dokumentation und Improvisation auslotet. Der Film läuft am Samstag, 21. November, um 17 Uhr im Müllheimer Kino. Sein Thema: Soll ich bleiben oder soll ich gehen – „Should I stay or should I go“" Eine Frage, die sich jeder Mensch nicht nur einmal im Leben stellt, mal mit großen, mal mit kleinen Konsequenzen – eine Entscheidung, die von vielem abhängt und von der vieles abhängt. Einzigartig an diesem vom Berliner Gorilla-Theater initiierten Projekt ist die Zusammenarbeit von fünf befreundeten Theaterensembles aus Österreich, Deutschland, Schweden, Slowenien und Frankreich, die ihm letztlich auch die Förderung des European Commission Culture-Programms einbrachte. Fünf Theater aus fünf Ländern setzen sich mit Thematik auseinander Einer großen Liebe ins Ausland folgen" Dieser Facette des Themas geht der österreichische Beitrag nach, während der deutsche sich mit der Behaustheit im eigenen Körper und der Überschreitung der Geschlechtergrenzen befasst. In Slowenien geht es um die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, den so genannten „Brain Drain“ und in Frankreich um den Arbeitsplatz als Ort der Selbstverwirklichung oder auch Selbstaufgabe, wo Mobbing zum Alltag gehört. In Schweden schließlich geht es unter einem Himmel, der nie richtig hell wird, um den Zusammenhalt familiärer Strukturen in ländlichen Gegenden. Der Spielfilm in den jeweiligen Originalsprachen mit deutschen Untertiteln basiert auf ausführlichen Recherchen mit Interviews und Gruppengesprächen, die in einem parallel zu den Dreharbeiten entstandenen Dokumentarfilm verarbeitet sind. „Auf der Grundlage dieser Recherchen haben die Ensembles dann begonnen zu improvisieren und ihre Figuren zu entwickeln“, erklärt Wolf im Gespräch mit unserer Zeitung. Er selbst spielt im deutschen Beitrag die Hauptfigur, ist aber auch in den anderen Beiträgen in Nebenrollen zu sehen. Improvisationstheater statt festes Drehbuch machen Film besonders „Es gibt kein festes Drehbuch, alles ist improvisiert“, sagt er. Das muss gekonnt sein, aber wer am internationalen, anhaltenden Erfolg der „Gorillas“ beteiligt ist, weiß was er da sagt. Improvisationstheater sei ein Medium mit großen, unerforschten Potenzialen, die auch andere künstlerische Disziplinen wie Musik, Malerei oder Tanz nutzbar machen können. „Die Gorillas waren bei ihrer Gründung 1997 Pioniere auf diesem Feld“, sagt Wolf. Dass er jetzt an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater und an der Hochschule für Musik und Theater Rostock Lehraufträge für Improvisationstheater hat, ist für ihn ein Zeichen der Wertschätzung, die sich die „Gorillas“ in der Fachwelt erworben haben. Mit dem Markgräflerland ist Wolf, obwohl schon lange international unterwegs, immer noch über seine Familie verbunden. Dass er den Film, der bei seiner Berliner Premiere 500 Zuschauer hatte, nun im Müllheimer Kino zeigt, hat ganz persönliche Gründe: „Ich freue mich, dass ich jetzt einmal die Gelegenheit habe, meiner Mutter, die nicht mehr so gut laufen kann, direkt etwas von meiner Arbeit zu zeigen“, sagt Wolf. Müllheims Kinobetreiber Michael Karg war von der außerplanmäßigen Vorstellung sofort überzeugt: „Der Film mit seinem interkulturellen Ansatz ist ein spannendes Projekt. Solche Sachen sind sonst nur in größeren Städten zu sehen. Für das Markgräflerland ist das eine einzigartige Gelegenheit, zumal die Zuschauer am Ende die Möglichkeit haben, mit Michael Wolf persönlich zu diskutieren“, sagt Karg.