Ja, die Digitalisierung spielt in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Zum einen gibt es andere Taktiken als früher, die den Betroffenen erlauben, ihre Lese- und Schreibschwierigkeiten vor anderen zu verbergen. Zum anderen kriegen diese Menschen aber durch die Digitalisierung Schwierigkeiten, denn um etwa am Computer eine Fahrkarte zu kaufen, muss man flüssig lesen können. Insgesamt lässt sich sagen, dass durch die Digitalisierung der Zugang zum Lesen lernen erschwert wird.
Frage: Was ist vor diesem Hintergrund die Intention des Fachtags zur Alphabetisierung?
Wir wollen das Thema Lese- und Schreibschwierigkeiten breiter in der Öffentlichkeit bekannt machen. Familienmitglieder oder Arbeitskollegen, die wissen, dass jemand nicht richtig lesen kann, wissen oft nicht, an wen sie sich wenden können. Bei den Betroffenen selbst kommt oftmals das Schamgefühl hinzu, das dazu führt, dass sie sich in der Regel nicht von sich aus bei uns melden. Hier wollen wir die Öffentlichkeit sensibilisieren, denn beim Thema Drogensucht etwa wissen die meisten, wohin sie sich wenden können. Bei der mangelnden Alphabetisierung ist dieses Bewusstsein hingegen noch nicht so da.
Frage: Ab wann ist denn von einer Lese- und Schreibschwäche zu sprechen?
Es ist wichtig, dass es sich bei den Betroffenen nicht um Menschen handelt, die gar nicht Lesen oder Schreiben könnten. Sie schreiben oftmals kurze Sätze, sind aber nicht in der Lage, zusammenhängende Texte flüssig und schnell zu lesen. Das sorgt dafür, dass ihnen viele Lebensbereiche verschlossen bleiben, denn sogenannte ernste Themen, wie etwa in der Tageszeitung oder auch auf einem Beipackzettel von Medikamenten, sind für sie nicht verständlich.
Frage: Welche Angebote und Initiativen werden beim heutigen Fachtag vorgestellt?
Es gibt Referate unter anderem von Peter Hubertus vom Bundesverband für Alphabetisierung und Grundbildung oder Barbara Gadient von der Volkshochschule beider Basel. Eröffnet wird der Fachtag von Roland Peter, Referent im Kultusministerium. Zudem gibt es Workshops zur arbeitsplatzorientierten Grundbildung und der Quartiersarbeit. Die Veranstaltung wird durch das Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg im Rahmen der nationalen Dekade für Alphabetisierung gefördert.
Frage: Wie setzt sich das Publikum beim Fachtag zusammen?
Es nehmen Verantwortliche aus Institutionen und Verbänden der Bereiche Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Bildung und der freien Wohlfahrtspflege teil.
Weitere Informationen: Der Fachtag Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener findet heute von 14 bis 19 Uhr im Bürgerhaus Müllheim, Hauptstraße 122, für geladene Gäste statt. Wer selbst an einer Lese- und Schreibschwäche leidet oder einen Angehörigen hat, der betroffen ist, kann sich an folgende Anlaufstellen wenden: das Grundbildungszentrum des IB Lörrach, Tel. 07621 / 167 0 325, die VHS Freiburg unter Tel. 0761 / 368 95 19 oder das anonyme bundesweite Alfa-Telefon, Tel. 0800 53 33 44 55 (kostenlos).
hat in seinem Berufsleben als Ausbilder und Pädagoge gearbeitet und viel mit jungen Leuten zu tun gehabt. Als „Teilzeit-Rentner“ widmet er sich der Projektleitung beim Grundbildungszentrum des IB Lörrach.