Soltau hat vor einigen Jahren die "Gärten des Grauens" ins Leben gerufen. Auf mehreren Social-Media-Plattformen sammelt er Bilder von Schottergärten und plädiert für den Naturgarten. "Unsere Artenvielfalt außerhalb der Städte ist inzwischen so drastisch zurückgegangen, dass unsere Städte und Kommunen als Biodiversitäts-Hotspot gelten", sagt er. Doch: "Wo keine Pflanzen wachsen, wird sich auch kein Tier wohlfühlen." Allgemeiner Artenverlust sei die Folge.
Bezug zur Natur geht verloren
Hinter Schottergärten sieht Soltau einen "übertriebenen Ordnungssinn". Der macht der Artenvielfalt auch an anderer Stelle zu schaffen: Kurz, saftig grün und unkrautfrei – englischer Rasen ist ein Albtraum für die Artenvielfalt, aber noch immer der Traum vieler Gartenbesitzer. Doch selbst im Mutterland des gepflegten Rasens gibt es inzwischen Gegenbewegungen: Im Zuge der jährlichen Aktion "No Mow May" (etwa: Mai ohne Mähen) der britischen Naturschutzorganisation Plantlife sind Rasenbesitzer aufgefordert, zumindest im Mai ihre Wiese mal wachsen zu lassen. Dass Wildwuchs und wuchernde Gärten für Insekten wichtig sind, nimmt auch die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 (DGG) zum Anlass, zum "mähfreien Mai" aufzurufen.
Nicht nur die Artenvielfalt leidet unter wenig grünem Lebensraum. Es gebe auch psychosoziale Folgen, die man bei Schottergärten nicht unterschätzen sollte, meint Soltau. "Wer in so einem Umfeld aufwächst, der wird auch keinen Bezug zur natürlichen Umgebung aufbauen und der wird später die Natur nicht kennenlernen. Und was man nicht kennt, das schützt man nicht."
Die Natur sei für den Menschen enorm wichtig, findet auch der Psychotherapeut Karl-Heinz Menzen. Der Bezug zur Natur sei vielen Menschen schon verlorengegangen - und falle als Anregung von außen weg. "Schotter, Zement und Beton sind nicht gerade das anregendste", sagt er. "Und was ist eine bessere Anregung, als von der Natur angesprochen zu werden?"
Ist der Trend schon wieder vorbei?
Schottergärten können zudem eine direkte Gefahr für Menschen bedeuten. Sie sind oft auf einer Folie oder einem Vlies angelegt, die kein oder kaum Wasser durchlässt. Natürlicher Boden funktioniere wie ein Schwamm, erklärt Petzold: Das Wasser versickert und steht Pflanzen später zur Verfügung. Bei wasserdicht grundierten Schottergärten hingegen fließe der Niederschlag oberirdisch über den Gehweg in die Kanalisation ab. "Das ist natürlich auch bei möglichen Starkregen-Ereignissen, die wegen der Klimakrise zunehmen, eine deutlich höhere Belastung der Kanalisation", sagt Petzold.
So sehr viele Menschen offenbar an ihrem grau gekieselten Vorgarten hängen: Der Trend zum Schottergarten sei - nicht zuletzt wegen der Verbote - vorbei, meint Bettina de la Chevallerie von der Gartenbau-Gesellschaft DGG. Das Interesse am Naturgarten wachse. In ihrer Schrebergartenkolonie etwa gebe es Überlegungen zur Gestaltung der allgemein zugänglichen Flächen mit Insektenhotels, Fledermausunterkünften und Blühstreifen.
Insgesamt ist der Weg zu mehr wildem Grün aber wohl noch weit. Das zeige sich auch in ihrer Schrebergartenkolonie, sagt de la Chevallerie. "90 Prozent der eigentlichen Gärten sind dann eher ohne Wildpflanzen, sondern eher geordnet mit Rasen und nur bei 10 Prozent probieren die Gärtner etwas aus. So ähnlich sieht es, denke ich, bundesweit aus."