Was die 41-Jährige in den zurückliegenden Monaten erlebt hat, schildert sie im Gespräch mit unserer Zeitung.
Interview:
Vor anderthalb Jahren ist Natascha Pfau mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit gegangen. Sie will erreichen, dass die Polizei die Mordermittlung wieder aufrollt. Trotz des großen Medieninteresses ist der Fall nach wie vor ungeklärt.
Was die 41-Jährige in den zurückliegenden Monaten erlebt hat, schildert sie im Gespräch mit unserer Zeitung.
Was haben Sie bislang erreichen können?
Ich habe es geschafft, den Fall wieder präsent zu machen, damit er nicht in Vergessenheit gerät. Und ich habe erreicht, dass das International Cold Case Analysis Projekt (ICCAP) in Niedersachen sich dem Fall annehmen möchte. Hierzu benötigt es jedoch die Freigabe der Akte. Zuständig dafür ist die Staatsanwaltschaft in Freiburg, die zur Entscheidung den Landesdatenschutzbeauftragten hinzugezogen hat. Laut Datenschützer gebe es rechtliche Bedenken, daher entschied der Staatsanwalt, die Akte nicht nach Niedersachsen zu geben. An diesem Punkt arbeiten meine Anwältin und ich dagegen an, da die Bedenken nicht nachvollziehbar sind. Wir fragen uns, wer hier geschützt werden soll. Dazu gab es einen Beitrag in der Fernsehsendung ARD Brisant, und im Podcast in der ARD-Mediathek wurde darüber gesprochen.
Ein Anliegen war ja, dass die Polizei den Fall wieder aufrollt. Ermittelt die Polizei wieder?
Laut der Polizei fehlt es an Personal und Zeit. Ich habe durch meine eigene Aktenrecherche und einigen Informationen von außen neue Hinweise an die Kripo weitergetragen. Die Polizei hat mir nach über einem halben Jahr dann mitgeteilt, dass sie nun Schritt für Schritt den Hinweisen nachgehen kann.
Gibt es neue Spuren?
Bisher ging über meine E-Mail-Adresse oder über meine öffentlichen Plattformen kein heißer Tipp ein. Trotz alledem gab es auch Hinweise, bei denen man nicht von vorneherein sagen konnte, ob dies eine heiße Spur ist. Die Polizei ermittelt nicht aktiv, daher werde ich nur unregelmäßig auf dem Laufenden gehalten, was viel Geduld abverlangt. Noch unverständlicher ist es, dass man dann nicht die Hilfe von außen annimmt. Das ICCAP könnte diese Arbeit übernehmen.
Es war ein großer Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, bereuen Sie das?
Auf keinen Fall. Es ist in den anderthalb Jahren immer mehr deutlich geworden, wie schwer es als Angehörige ist, den Fall aufrecht zu halten. Das Opferrecht geht hier völlig unter, und ich bin froh, dass man darüber spricht und dass die Menschen informiert werden, wie umständlich der Rechtsstaat hier arbeitet. Jeder Angehörige hat das Recht, dass weiter an dem Fall ermittelt wird. Es heißt ja auch: Mord verjährt nicht.
Wie nehmen die Menschen Ihr Anliegen war? Bekommen Sie Unterstützung oder erfahren Sie auch Anfeindungen?
Wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist man natürlich auch angreifbar und nicht jeder findet gut, was man tut. Es gibt immer Kritiker, die nicht so schöne Sätze von sich geben, aber das Positive überwiegt. Auf meiner Facebook-Seite folgen mir mittlerweile mehr als 2000 Menschen, die mir immer wieder Mut machen und mich in meiner Sache unterstützen, indem sie meine Beiträge teilen oder sogar Geldspenden schicken. Ich habe auch eine Petition eröffnet, in der ich fordere, dass die Akte nach Niedersachen freigegeben wird – auch da sind es mittlerweile mehr als 2500 Unterschriften.
Im vergangenen Jahr haben zahlreiche Fernsehsender und Podcasts über den Fall berichtet. Sind Sie mittlerweile Medienprofi geworden?
Ich weiß nicht mal, wann man von einem Medienprofi spricht (lacht). Ich bekomme zwar immer wieder gesagt, wie gut ich das mache, aber mich kostet es immer noch Überwindung und ich stehe eher nicht gerne im Mittelpunkt. Aber in der Sache muss ich sehr oft über meinen Schatten springen und ich hoffe, es zahlt sich doch noch eines Tages für mich aus.
Die Neuenburgerin
war sechs Jahre alt, als ihre Mutter getötet wurde. Die heute 41-Jährige
sucht per Facebook und Youtube nach Antworten.
Pfau ist gelernte Automobilkauffrau und arbeitet als Sachbearbeiterin Einkauf in einem Unternehmen. Sie ist verheiratet
und lebt mit ihrer Frau in Neuenburg.
Das International Cold Case Analysis Project
(ICCAP) an der Polizeiakademie Niedersachsen beschäftigt sich mit ungeklärten Fällen. Dessen Leiter, Kriminaldirektor Karsten Bettels,
würde sich mit seinen Studenten des Falles annehmen.
Im Rahmen eines interdisziplinären Projekts
setzen sich Studenten der Kriminologie, Forensik und Rechtswissenschaft jeweils mit einem Cold Case auseinander.