Neuenburg Doppelte Arbeit und kein Lohn

Weiler Zeitung
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Coronavirus: Antje Landwehr über die schwierige Situation der Reisebüros

Mit einem Brief an die Bundesregierung fordern 20 Spitzenvertreter aus Franchise und Kooperationen ein Rettungsmodell für Reisebüros. Darunter sind unter anderem bekannte Namen wie Derpart Reisevertrieb, Lufthansa City Center, TUI-Reisecenter, First-Reisebüros und Best-Reisen.

Neuenburg am Rhein. Zu den Verfassern zählt auch Antje Landwehr aus Neuenburg. Sie betreibt seit 25 Jahren das IT-Reisebüro in der Zähringerstadt und ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzende der Best Reisen Management AG, einem Verbund von mehr als 600 unabhängigen Reisebüros. Unsere Zeitung hat mit ihr über die schwierige Situation der Reisebüros in Corona-Zeiten gesprochen.

Statt das 25-jährige Bestehen Ihres Reisebüros zu feiern, sind Sie inmitten der Corona-Krise mit der Rückabwicklung und Stornierung von gebuchten Reisen beschäftigt. Das macht viel Arbeit, die wer bezahlt?

Leider keiner. Die Reiseveranstalter, in deren Auftrag wir die Reisen an unsere Kunden vermitteln, erwarten von uns Reisebüros, dass wir die Rückabwicklung vornehmen. Dafür werden wir nicht bezahlt. Im Gegenteil. Für die von uns vermittelten Reisen steht uns Reisebüros eine Provision zu – doch diese mussten wir nach Stornierung der Reise an den Reiseveranstalter zurückzahlen. Wir haben also für die Beratung und Buchung kein Geld bekommen, und für die Stornierung von hunderten von Reisen bekommen wir auch kein Geld.

Wieviel Aufwand macht so eine Rückabwicklung und Stornierung einer Reise und was macht das in der Summe für ein Reisebüro wie Ihres aus?

Es ist völlig unmöglich, das in Zahlen zu beziffern – wir haben hier als Reiseberater ja noch ganz andere Aufgaben. Durch die Corona-Krise sind die Kunden in allerhöchstem Maße verunsichert, und das natürlich in allen Lebensbereichen. Hier gibt’s plötzlich ganz viele Veränderungen, da ist die ausgefallene Reise ja ein Luxusproblem.

Hier gibt es Ängste, Erkrankungen, Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit – und dies trägt dazu bei, dass nicht nur die finanzielle Situation der Kunden angespannt ist, sondern sich allgemein eine sehr große Verunsicherung breitgemacht hat und ein hohes Stresspotenzial vorhanden ist. Wir telefonieren mit den Kunden, wir beruhigen, wir trösten, wir hören zu. Und das beileibe nicht nur zum Thema Reise.

Die Reisebürobranche beklagt in ihrem Schreiben an die Bundesregierung unter anderem die Reisewarnungen des Außenministeriums und die Aussage von Außenminister Heiko Maas, dass in diesem Jahr an Reisen nicht zu denken sei. Würde eine entgegengesetzte Aussage nicht falsche Hoffnungen wecken?

Da stimme ich Ihnen zu. In diesen Briefen versucht man immer, einen möglichst großen Konsens zu finden.

Können Sie sich wirklich vorstellen, in diesem Jahr nochmals eine Reise außerhalb von Deutschland anzutreten? Falls ja, ab wann und wohin?

Das sind natürlich Fragen, die wir uns alle stellen. Ein Fernziel sehe ich überhaupt nicht im Rahmen der Möglichkeiten. Und meiner Ansicht nach wird Deutschland in den nächsten Monaten die Urlaubsdestination Nummer Eins werden – vielleicht sind noch Reisen in die Anrainerstaaten möglich.

Kunden, die eine Reise, einen Flug oder ein Hotel online gebucht haben, müssen Stornierung und Rückabwicklung jetzt selbst organisieren und verlieren möglicherweise ihr Geld. Eine Dienstleistung, die stationäre Reisebüros erbringen. Langfristig spricht das doch eher für die Qualität der stationären Reisebüros?

Es spricht schon immer sehr viel für die Qualität stationärer Reisebüros. Reisebüros sind auch nicht teurer als Online-Angebote, bieten jedoch umfassende Beratung und Betreuung.

Könnten die stationären Reisebüros – wenn sie die Krise überstehen – nicht sogar gestärkt daraus hervorgehen?

Meine persönliche Überzeugung ist, dass in jeder Krise eine Chance steckt. Trägheit und Bequemlichkeit hindern einen oft daran, seine Komfortzone zu verlassen und neue Wege zu gehen. Nun sind wir alle mit Gewalt geradezu aus unserer Komfortzone herausgeschleudert worden. Wir nutzen auf jeden Fall das Geschenk dieser Chance!

Welche Hilfen haben Sie bisher bekommen?

Wir haben die Corona-Soforthilfe bekommen. Dafür sind wir sehr dankbar! Ich weiß, dass wir Reisebüros ein Soforthilfepaket der Politik gefordert haben. Ich persönlich bevorzuge es, in die Eigenverantwortung zu gehen.

Was erwarten Sie noch von der Politik?

Für unsere Kunden wünschen wir uns, dass die Rückzahlung vereinfacht wird. Und kein Kunde gezwungen wird, einen Gutschein statt der Rückzahlung zu akzeptieren. Es ist jetzt entscheidend, gerade auch im Hinblick auf die Zukunft, dass wir Reisebüros in der politischen Öffentlichkeit endlich wahrgenommen werden. Denn die Reisebüros mit rund 100 000 unmittelbar betroffenen Arbeitsplätzen in Deutschland haben – anders als die großen Reisekonzerne – keinerlei Lobby.

ist seit 25 Jahren Geschäftsführerin des IT-Reisebüros in Neuenburg. Mit ihrem Reisebüro ist sie in der Best-Reisen AG organisiert – wo sie seit sechs Jahren im Aufsichtsrat tätig ist. Vor einem Jahr wurde sie in diesem Gremium zur Vorsitzenden gewählt,

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