Neuenburg Franz Müntefering zieht Zuhörer in Bann

Weiler Zeitung
„Erzählen Sie, Herr Müntefering“ – Louisa von der Mark (l.) und Lea Ehrensperger in der jüngsten Talkshow „Nachgefragt“ des Kreisgymnasiums Neuenburg Foto: Dorothee Philipp

„Nachgefragt“: Talkshow mit prominentem Gast im Kreisgymnasium Neuenburg.

Neuenburg - Zum dritten Mal präsentierte die „Nachgefragt AG“ des Kreisgymnasiums Neuenburg einen prominenten Gast in der von Schulleiter Rainer Kügele initiierten Veranstaltungsreihe „Nachgefragt“. Nach Armin Schuster und Ottmar Hitzfeld war nun Franz Müntefering eingeladen.

Die Aula hatte die Projektgruppe in eine Talkshow-Lounge mit aufwendiger Licht- und Tontechnik verwandelt. Gespannt wartete das Publikum im vollbesetzten Saal, wie der 79-jährige Gast, der einmal gesagt hatte, das Amt des SPD-Vorsitzenden sei das schönste neben dem Papst, wohl auftreten würde. Als er mit einem roten Quad hereinchauffiert wurde, waren alle hellauf begeistert. Die Talkshow-Macher hatten herausgefunden, dass „Münte“ mit einem solchen Gefährt im Urlaub auf Naxos herumgefahren war. Die beiden Moderatorinnen Lea Ehrensperger und Louisa von der Mark konnten ihm entlocken, dass Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Schumann, mit der Müntefering seit 2009 verheiratet ist, gerne zügig Motorrad fährt.

Der eröffnende Smalltalk drehte sich um den Weltfrauentag. Das Fragespiel, was er sich heimlich dazu denke, zeigte einen aufgeräumten, launigen Senior, der mit trockenem Humor und Schlagfertigkeit das Publikum sofort für sich einnahm. Substanzreich setzte er auseinander, warum die Forderung nach einer Frauenquote in der Politik ein berechtigtes Anliegen sei. Auch der nächste Exkurs zur Dieselaffäre brachte bedenkenswerte und klare Positionen. Dabei konnte man auch die Flexibilität der Moderatorinnen bewundern, die immer wieder direkt nachhakten.

Mit einem Getränk nach Wahl wurde auf den Abend angestoßen, wobei Müntefering statt des eigens herbeigeschafften Biers aus seiner Heimat lieber den Wein aus dem Markgräflerland nahm. „Ich dachte, das geht jetzt alles im Stehen“, meinte er trocken, als man ihn dann auf einen der drei Sessel bat.

Gewichtiger Zeitzeuge

Die Vita des „Popstars der SPD“, der in seiner Partei immer überragende Wahlergebnisse eingefahren hat, wurde vorgelesen. Und auf einmal wandelte sich der abgeklärte Senior in einen gewichtigen Zeitzeugen, der von Dingen berichtete, die man sich heute in Europa nicht mehr vorstellen kann. Wie die Flieger kamen und man sich verstecken musste, später wie die Menschen Hunger litten und die Mutter auf den Vater wartete, der im Krieg war. Und wie man auch nach dem Krieg darbte und sich vor der scharfen Munition in Acht nehmen musste, die überall herumlag.

Und jetzt 74 Jahre Frieden in Europa: Das sei seit Jahrhunderten nicht der Fall gewesen: „Wir dürfen uns diesen Frieden von niemand kaputt machen lassen.“ Dann erlebte man einen Mann der die deutsche Nachkriegsgeschichte nicht nur brillant analysieren konnte, sondern diese entscheidend mitgeprägt hatte.

„Münte“ war auch nicht aus der Ruhe zu bringen, als ihm seine Gastgeberinnen als Knabbersnack Heuschrecken anboten, die er mit großem Interesse und stoischer Miene probierte.

Große Momente der jüngeren Geschichte wurden lebendig, als es um den Mauerfall ging. „Das war eine Revolution, und es wurde dabei nicht geschossen“, stellte Müntefering klar. Für ihn sei das der bewegendste Augenblick in seiner politischen Laufbahn gewesen.

GroKo und Brexit

GroKo und Brexit, Weltklima und die aktuelle Situation der SPD, Agenda 2010 und die AfD – durch die gründliche Vorbereitung des Talks blieb keine thematische Ecke unbeleuchtet, die Souveränität mit der der Gast in druckreifen, klaren Sätzen Position bezog, tat ein Übriges, um die Spannung zwei Stunden lang hochzuhalten.

Der dritte Akt des Abends, wieder im Stehen, jetzt an der Bar, betraf das neue Buch Münteferings „Unterwegs – Älter werden in dieser Zeit“, das demnächst erscheint. Darin gehe es um Mobilität, Bildung, Pflege und den Unterschied von Stadt zu Land, verriet er seinen Gastgeberinnen, die aus ihm herauslockten, dass er es auf einer alten Schreibmaschine selbst getippt hat. Vor allem gehe es darum, wie man aus Lebensgeschichten lernen kann. Dazu hat Müntefering als Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) eine Menge zu sagen.

Am Schluss wurde er beschenkt mit Spezialitäten aus der Region. „Sie haben mir gut getan“, lobte Müntefering die Moderatorinnen, die sich ihrerseits bei Teamkollegen und Sponsoren bedankten.

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