Orts-Check Die Gesundheitsversorgung krankt im Kreis Lörrach

Maja Tolsdorf
Auf dem im Bau befindlichen Zentralklinikum ruht die Hoffnung der Verantwortlichen auf eine bessere Gesundheitsversorgung im Landkreis Lörrach. Foto: Maja Tolsdorf

Angesichts geschlossener Notfallpraxen, Ärztemangels und einer überlaufenen Notaufnahme im Kreiskrankenhaus Lörrach kommt die Gesundheitsversorgung im Landkreis Lörrach beim Orts-Check nicht gut weg.

Die Gesundheitsversorgung zählt zu den Schwachpunkten im Landkreis Lörrach. Im Orts-Check findet sich diese Kategorie im Ranking mit 4,7 Punkten auf dem letzten Platz. Die am besten bewertete Kategorie ist die Sauberkeit mit 7,92 Punkten. „Die Wertung des Ortschecks im Bereich Gesundheitsversorgung zeigt die Defizite im ambulanten und stationären Bereich auf“, teilt Landrätin Marion Dammann auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Dammann: Ambulante Versorgung nicht weiter schwächen

Schon mehrfach habe sie sich an den Minister für Soziales, Gesundheit und Integration gewandt, um das Handeln der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) kritisch zu hinterfragen und zu prüfen. „Insbesondere im ländlichen Raum gilt es, die medizinische ambulante Versorgung der Bevölkerung nicht weiter mit Schließungen zu schwächen.“

Aus Patientensicht krankt es bei der Gesundheitsversorgung an verschiedenen Stellen. So gibt es im Landkreis Lörrach zu wenig Hausärzte und Hautärzte, die Facharztsuche gestaltet sich schwierig, und die Notaufnahme des Kreiskrankenhauses Lörrach ist überlaufen. Zudem hat erst kürzlich die Notfallpraxis in Müllheim geschlossen, nachdem im Oktober 2023 die Schopfheimer Notfallpraxis sowie die in Bad Säckingen schließen mussten. Dies wiederum führt dazu, dass immer mehr Patienten die Notaufnahme des Lörracher Kreiskrankenhauses aufsuchen, die ohnehin überlastet ist.

Ein weiterer Grund dafür ist laut der KVBW der Ärztemangel, der den Landkreis Lörrach seit Jahren beschäftigt. So müssten viele Praxen schließen, weil Hausärzte, die in Rente gehen, keine Nachfolger finden. Allein im Landkreis Lörrach sind 27 Hausarztsitze nicht besetzt, und der Trend wird sich wohl fortsetzen. Denn 44 Prozent der Hausärzte im Landkreis sind älter als 60 Jahre. Kommt es zu Schließungen von Praxen, verteilen sich die Patienten auf die weiter bestehenden, was dort zu Überlastungen führt.

Hausärzte als wichtiger Teil des Gesundheitssystems

Die Hausärzte wiederum sind ein wichtiger Teil des Gesundheitssystems, denn sie fungieren auch als Lotse, indem sie Patienten an die richtige Stelle verweisen. Womit sich aus Patientensicht so manches Mal ein weiteres Problem auftut. Denn mit der Überweisung , zum Beispiel zum Kardiologen, beginnt die beschwerliche Suche und das lange Warten auf einen Termin. Ein oft gehörtes Szenario: Wer bei Anruf in der Facharztpraxis die ersten Fragen nicht passend beantworten kann, hat es schwer aufgenommen zu werden: „Sind Sie Kassenpatient?“ und „Waren Sie schon mal bei uns?“ Wer Kassenpatient ist und neu in der Praxis wäre, hört so manches Mal die Worte: „Tut mir leid, wir können keine neuen Patienten mehr aufnehmen.“ Nachdem man direkt bei Arztpraxen abgeblitzt ist, geht die Suche über die KVBW weiter.

Landkreis kann die Situation nicht lösen

Doch bis man nach einem Freitagvormittag voller Anrufversuche und Warteschleifenmusik bei der Hotline durchgestellt wird, ist kurz vor 12 Uhr. Dann teilt die Frau am Telefon mit, dass sie nun keine Fachärzte mehr vermitteln könne, weil die meisten Praxen am Freitagnachmittag geschlossen hätten.

„Eine Lösung der Situation liegt außerhalb dessen, was seitens eines Landkreises erreichbar ist“, teilt Alexander Mion, Leiter der Gesundheitskonferenz im Landratsamt Lörrach auf Anfrage unserer Zeitung mit. Der Landkreis ist für die stationäre medizinische Versorgung zuständig, die KVBW muss die ambulante Versorgung mit Haus- und Fachärzten sicherstellen. Deshalb setzt der Landkreis im Bereich der medizinischen Versorgung seit Jahren auf Vernetzung und unterstützende Angebote.

Gesundheitskompetenz fördern

Auch digitale Konzepte gehören laut Mion dazu, um die knappen Ressourcen bestmöglich zu nutzen und zugänglich zu machen. Dabei nehme die Förderung der Gesundheitskompetenz eine zunehmend größere Rolle ein. Gesundheitskompetenz meint das Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen im Alltag in den Bereichen Krankheitsprävention, Gesundheitssystem, Gesundheitsförderung oder Krankheitsbewältigung- und -versorgung. Es gilt, diese Dinge beurteilen und Entscheidungen treffen zu können.

Fakt ist laut Mion auch, dass die Gesundheitskompetenz in Deutschland bei mehr als der Hälfte der Bevölkerung lediglich gering ausgeprägt ist. Mehrere Studien belegten, dass eine gering ausgeprägte Gesundheitskompetenz im Zusammenhang mit mehr Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und einer häufigeren Nutzung von Notfalldiensten in Zusammenhang stehe.

Ziel: Patienten unterstützen

Ziel des Landkreises sei es deshalb, die Patienten zu unterstützen, „indem wir ein möglicherweise unzureichendes Wissen über den richtigen Weg zu den adäquaten Anlaufstellen adressieren“, erklärt Mion. Genau an diesem Punkt setzt das Konzept des „Digitalen Gesundheits- und Sozialkompass“ an.

Damit soll eine digitale Bündelung von Gesundheits- und Sozialinformationen sowie von medizinischen und sozialen Angeboten und Dienstleistungen im Sinne eines digitalen Lotsen geschaffen werden. Dieser soll auch bezüglich des monatelangen Wartens auch einen Facharzttermin Hilfe leisten können, indem er Verbindungen zu Angeboten im Bereich der Telemedizin schafft. Auch Carlo Wolf, stellvertretender Geschäftsführer der AOK Hochrhein-Bodensee, sieht in der Telemedizin eine Hilfe der Zukunft. Im Interview mit unserer Zeitung betonte Wolf: „Per Telemedizin können Daten und Befunde sogar in Echtzeit übermittelt werden wie ein laufendes Pilotprojekt zeigt. Zugegeben, noch ist die Telemedizin nicht ausdifferenziert, aber es gibt viele gute Ansätze.“ Am Ende bleibt nach Einschätzung von Wolf nichts anderes übrig, als bestehende Angebote auszubauen und neue Ideen zur sektorenübergreifenden Versorgung zu fördern.

Hoffnungsträger Zentralklinikum

Eine Verbesserung der medizinischen Versorgung im Landkreis versprechen sich die Verantwortlichen vom neuen Zentralklinikum im Entenbad in Lörrach-Hauingen, das 2026 in Betrieb gehen soll. „Durch die Neuorganisation und Zusammenlegung der Abteilungen wird Fachkompetenz gebündelt. Die Wege verkürzen sich und die räumliche Nähe der Fachabteilungen schafft ein qualitativ verbessertes medizinisches Angebot“, ließ sich Tilman Humpl, Ärztlicher Direktor der Kliniken des Landkreises Lörrach, im April in einer Mitteilung der Kliniken GmbH zitieren. Landrätin Marion Dammann beschreibt die mit dem Zentralklinikum verbundenen Ziele der Kreisverwaltung so: „Insbesondere mit dem Bau des Zentralklinikums verfolgen wir das Ziel, eine bedarfsgerechte und leistungsfähige stationäre medizinische Infrastruktur und eine Basis für ein sektorenübergreifendes Arbeiten zu schaffen.“

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