Osmanen-Verfahren Neue Anklage gegen Chef-Osmanen

Franz Feyder
Bekommen neue Arbeit: Selcuk Sahins Anwälte Klaus Rüther (re.) und Julian Heiss (2.v.r.) im Gespräch mit ihren Kollegen Fatih Kantekin (li) und Tobias Voggel (2.v.l.) Foto: Lichtgut

Darmstädter Staatsanwälte klagen die selbsternannten Weltpräsidenten Mehmet Bagci und Selcuk Sahin wegen bandenmäßigen Diebstahls an. Sie sollen Paletten im großen Stil gestohlen haben.

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat gegen die beiden früheren Anführer der rockerähnlichen Gruppe Osmania Germania Boxclub, Mehmet Bagci und Selcuk Sahin, Anklage wegen gewerbs- und bandenmäßigen Diebstahls und Hehlerei eingereicht. Das bestätigte ein Sprecher der hessischen Ankläger unserer Zeitung.

Die Staatsanwälte werfen insgesamt neun Osmanen im Alter von 28 bis 59 Jahren vor, in 67 Fällen von zwei Firmengeländen in Hessen Euro-Paletten und Gitterboxen gestohlen und dann weiterverkauft zu haben. Dabei soll ein Schaden in Höhe von etwa 80 000 Euro entstanden sein. Keine Rolle spielen in der jetzt von den Darmstädter Anklägern eingereichten Klage die intensiven Beziehungen des Osmanen Germania Boxclubs zu dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyib Erdogan, der türkischen Regierungspartei AKP und der auch in Deutschland agierenden AKP-Lobbyorganisation Union der Europäisch-Türkischen Demokraten (UETD).

Aus dem Lobbyverein UETD wird die UID

Im Mai hatte diese sich in Union der Internationalen Demokraten (UID) umbenannt. Abhörprotokolle, die unserer Zeitung und dem ZDF-Magazin „Frontal 21“ vorliegen, zeigen, dass Bagci Geld von einem Jugendfreund bekam, um die Osmanen zu bewaffnen. Gleichzeitig sollte die Gruppe in Deutschland lebende Erdogan-Kritiker wie den ZDF-Moderator Jan Böhmermann und Kurden einschüchtern.

Das Darmstädter Landgericht muss jetzt entscheiden, ob es die Klage gegen die insgesamt neun Osmanen zulässt. Zumal gegen Bagci und Sahin derzeit auch vor dem Stuttgarter Landgericht verhandelt wird. In diesem Verfahren befragten in dieser Woche vor allem die Verteidiger Sahins eine seiner früheren Lebengefährtinnen. „Geht es Ihnen gut dabei, dass Selcuk ‚Can‘ Sahin auch wegen Ihrer Aussage im Gefängnis sitzt?“, fragte Anwalt Julian Heiss zu Beginn seines Fragemarathons die junge Frau.

Sie hatte bereits in der vergangenen Woche geschildert, wie Sahin sie geschlagen, gedemütigt, belogen und betrogen hatte. Sie belastete den selbst ernannten Welt-Vizepräsidenten der Osmanen schwer. Auf die Frage des Frankfurter Advokaten antwortete sie: „Der Can muss selber verantworten, was er getan hat.“

Sahins Order: Wegflexen!

Sahin hatte der Frau erzählt, dass er „seinen Jungs“ den Auftrag gegeben habe, den Gießener Filialleiter der Osmanen, Celal Sakarya, „wegzuflexen“. Im Februar 2017 soll Sakarya nach Herrenberg gelockt und dort von einer Gruppe Osmanen mehrere Tage lang malträtiert worden sein. „Can sagte mir, seine Jungs wären so hart gewesen, dass sie dem Celal ins Bein geschossen haben.“ Im Gespräch habe ihr Sahin unter anderem ein Foto eines blutverschmierten Sofas gezeigt, das mutmaßlich in der Herrenberger Wohnung aufgenommen worden war.

Richter in diplomatischer Mission

Die Zeugin entlastete Sahin aber auch: Mit dem Begriff „wegflexen“ habe der nicht gemeint, den Gießener Osmanen zu töten, sondern ihm eine Abreibung zu verpassen. Der Staatsanwalt wirft Sahin und seinen Kumpanen vor, sie hätten versucht, Sakarya zu ermorden.

Die Zeugin blieb auch bei der Befragung durch die Verteidiger konsistent bei den Aussagen, die sie bei der Polizei und vor dem Stuttgarter Landgericht in der vergangenen Woche gemacht hatte. Sie verweigerte lediglich Antworten auf Fragen, mit denen sie sich selbst belastet hätte: Gegen die Frau wird wegen des Verdachts ermittelt, sie habe Sahin beleidigt und erpresst.

Der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen rügte diplomatisch Fragen des Advokaten Heiss: „Ich darf die Fragen der Verfahrensbeteiligten nicht nach ihrer Zweckmäßigkeit bewerten. Nach der Strafprozessordnung darf ich das nur nach ihrer Zulässigkeit“, erklärte er. Heiss hatte zuvor gefragt, ob die Zeugin auch an nicht sichtbaren Stellen ihres Körpers tätowiert sei.

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