Sein Telefonat mit dem LKA-Ermittler wenig später lässt auch einen anderen Schluss zu: Kilinc kommt, um sich zu stellen. Das würde erklären, warum er eine Höchststrafe vereinbaren und vor allem seine Abschiebung in die Türkei verhindern will. Kilincs Vorteil bei dieser Variante: Ihm stünde als Beschuldigter das Recht zu, die Aussage in dem Verfahren zu verweigern. Er würde in Untersuchungshaft genommen, in der er das Ende des laufenden Osmanen-Verfahrens abwarten könnte, bis er selbst angeklagt würde. So könnten Kilinc und sein Ulmer Anwalt in Ruhe an der Strategie tüfteln, mit der der 30-Jährige verteidigt würde.
Wolfsgruß auf Facebook
Denn: Eine Aussage als Zeuge mit Wahrheitspflicht würde immer dann über Kilinc schweben, wenn er wieder nach Deutschland einreisen wollte – beispielsweise um seine Familie zu sehen. Und: Sein Zeugnis in Stammheim könnte bei einem Verfahren in der Türkei gegen ihn verwendet werden.
In dem würde Kilinc auch nicht schützen, dass er seit Jahren munter auf seiner Facebookseite Bilder hochlud, auf denen er den Wolfsgruß zeigt, die Begrüßungsgeste der türkisch-faschistischen Bewegung „Graue Wölfe“. Deren Ziel ist es, ein türkisches Reich vom Balkan über Zentralasien bis an den Rand Chinas zu bilden. Staatspräsident Recep Tayyib Erdogan begrüßt seine Anhänger immer wieder mit dem Wolfsgruß, bei dem der kleine und der Zeigefinger abgespreizt, Mittel- und Ringfinger auf den rechten Daumen gelegt werden. Erst im September begrüßte das Staatsoberhaupt bei seinem Besuch in Deutschland seine Fans mit dieser Geste. In allen Bundesländern werden die „Grauen Wölfe“ vom Verfassungsschutz beobachtet.