An Bord der zweistrahligen Düsenmaschine ist an diesem Tag auch Alexander Gerst. Der 38-jährige Geophysiker aus Künzelsau wird als elfter Deutscher ins All fliegen. Hinter ihm liegen jahrelanges Training, Russisch-Kurse und penible Vorbereitung. Vor ihm liegen sechs Monate an Bord der internationalen Raumstation ISS – und viel Arbeit. 100 Experimente sind geplant. So wird Gerst etwa neue Metalllegierungen testen. Mit den Daten, die Gerst aus dem All liefert, sollen auf der Erde neue Materialen entwickelt werden, „beispielsweise für leichtere Flugzeugtriebwerke, die weniger Treibstoff verbrauchen“. Nicht umsonst hat die europäische Weltraumbehörde Esa Gersts Mission in Anlehnung an eine Aufnahme der Erde aus dem All „Blue Dot“ genannt, zu Deutsch: blauer Punkt. Zeigt das Logo zwei Hände, die sich schützend um den aus dem All so schutzbedürftig wirkenden Planeten wölben.
Zugleich soll Gerst den Einfluss der Erdanziehungskraft auf physikalische Phänomene untersuchen, der bei Schwerelosigkeit umso augenfälliger wird. „Eine Reise ins All hat das Potenzial, einen einfach umzuhausen“, sagt Gerst. Das gilt – im Kleinen – auch für einen Parabelflug, vor allem für diejenigen, die das All nie erreichen werden. Also alle außer Alexander Gerst. Dementsprechend ausgelassen ist die Stimmung nach jeder Runde, und das Gegacker der Eintagsastronauten verstummt erst, als der Pilot den Countdown zur nächsten Parabel einläutet.
Für Jubelrufe und misslungene Schnappschüsse, die meist nur einen Fuß oder den halben Kopf zeigen, haben die Wissenschaftler an Bord keine Zeit. In einem durch Fangnetze gesicherten Bereich haben sie ihre Labors, Rechner und Versuchsanordnungen aufgebaut, denn nur bei einem Parabelflug kann der Forscher sein Experiment begleiten und – falls nötig – eingreifen. Eine Möglichkeit, von der an diesem Tag die Deutsche Sporthochschule Köln und Biologen von der Universität Bayreuth Gebrauch machen. Während die Kölner eine Versuchsperson mit einer weißen Haube voller Elektroden ausstatten und ihr mathematische Aufgaben vorlegen, wird nebenan untersucht, wie Plankton-Organismen auf Schwerelosigkeit reagieren.
Waren Parabelflüge ursprünglich dazu gedacht, angehende Astronauten auf die Zeit im All vorzubereiten, dienen sie heute in erster Linie der Forschung. Ein Schwerpunkt ist neben physikalischen Phänomenen und Materialforschung die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden in der Medizin. So altern Astronauten in Schwerelosigkeit praktisch im Zeitraffer, was wertvolle Rückschlüsse auf den Alterungsprozess des Menschen liefern kann.
An irdische Mühen und Qualen verschwenden die Eintagsastronauten keinen Gedanken. Stattdessen warten sie schon wieder auf den nächsten Countdown und den Moment, in dem sich die Schuhsohlen wieder mit einem leichten „Plopp“ vom Boden lösen.
„Drei, zwei, eins und Zündung!“