Prozess vor Landgericht Waldshut-Tiengen Leiche zerstückelt: „Das ging schnell“

Werner Müller
Erschütternde Details kamen am zweiten Verhandlungstag ans Licht. Foto: Werner Müller

Der zweite Verhandlungstag am Landgericht Waldshut-Tiengen fördert weitere verstörende Details zu Tage.

Schockierend und verstörend: Der zweite Verhandlungstag im Fall der zerstückelten Leiche vom Hotzenwald ging vielen Prozessbeteiligten tief unter die Haut. Förderten die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen doch Details des Verbrechens ans Licht, die schier nicht zu ertragen waren.

Im Garten zerstückelt

Seit Montag dieser Woche muss sich ein 58-jähriger Mann aus einer Wiesentalgemeinde vor der Schwurgerichtskammer verantworten, weil er an Weihnachten des vergangenen Jahres einen 38-jährigen Bewohner einer Unterkunft in Rickenbach mit seiner Pistole erschoss und die Leiche anschließend im heimischen Schrebergarten zerstückelte, in Maschendrahtzaun wickelte und in vier Paketen anschließend an mehreren Stellen in den Oberrhein warf. Während der Angeklagte für sich selber Notwehr reklamiert und die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Totschlags fordert, zieht das fünfköpfige Richtergremium unter Vorsitz von Martin Hauser auch einen Schuldspruch wegen Mordes in Betracht.

60-köpfige „Soko Rhenus“

Im Mittelpunkt des zweiten Sitzungstages stand die Zeugenaussage des Hauptermittlers der 60-köpfigen „Soko Rhenus“, die sich gebildet hatte, als am 6. April am Rhein bei Breisach menschliche Überreste gefunden wurden, die laut Gerichtsmediziner schon mindestens vier Monate im Wasser lagen – ein Schädel mit Schusslöchern und zwei Arme in einem Maschendrahtzaun. „Da war klar, dass ein Tötungsdelikt dahintersteckt“, so der Ermittler. Die Soko erfuhren nur wenige Tage später, dass in Rickenbach ein Mann seit Weihnachten vermisst wird. Ein DNA-Vergleich erbrachte Gewissheit, dass die sterblichen Überreste aus dem Rhein dieser Person zuzuordnen waren.

Wie sich herausstellte, stammte der Mann aus Tunesien, gab sich allerdings nach seiner Flucht als Algerier aus. 2013 kam er nach Deutschland. Zwischen 2014 und 2023 liefen gegen ihn 38 polizeiliche Ermittlungsverfahren, außerdem hatte er zwei Haftstrafen wegen Gewaltdelikten und Handels mit Betäubungsmitteln zu verbüßen.

Im Zuge von Befragungen erfuhren die Fahnder alsbald, dass zu der Zeit seines Verschwindens im Naturfreundehaus, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Unterkunft des Mannes, wo Blutspuren auf ein Verbrechen hindeuteten, ein großes Familienfest mit 21 Personen stattgefunden hatte.

Die Soko bat Mitte April alle Festteilnehmer zur Zeugenvernehmung und nahm von allen – auf freiwilliger Basis – zudem eine DNA-Probe. Wenige Tage später, am 25. April, habe sich der jetzt angeklagte Familienvater bei der Polizei gemeldet und das Tötungsdelikt zugegeben, berichtete der Ermittler im Zeugenstand. „Ich habe den Mann erschossen“, habe der Beschuldigte erklärt. „Das war absolutes Täterwissen und somit glaubhaft“, so der Soko-Ermittler. Entgegen seiner ursprünglichen Aussage habe der Tatverdächtige bei den weiteren Vernehmungen aber keine Angaben zum tödlichen Treffen in jener Nacht gemacht.

Bei der Hausdurchsuchung an seinem Wohnort im Wiesental fanden die Beamten 38 Waffen (alle im Waffenschein eingetragen) sowie eine „Unmenge“ an Munition und anderes Material wie Schwarzpulver, nicht aber die Tatwaffe, eine nicht registrierte Pistole vom Typ Walther PK. „Die liegt im Rhein“, habe der 58-Jährige erklärt.

Literatur mit „Schlagseite“

Die Fahnder stießen außerdem auf viele Bücher über den Ersten und Zweiten Weltkrieg und entdeckten an der Hündehütte im Garten ein Schild mit der Aufschrift „Wolfschanze“ (Name des so genannten Führerhauptquartiers von Adolf Hitler in Polen). Damit nicht genug. Die Ermittler stellten fest, das der Angeklagte von seinem Arbeitgeber Abmahnungen kassiert hatte, unter anderem, weil er bei einer internen Schulung gesagt habe: „Ein richtiger Deutscher kauft nicht bei Juden“. Das sei bloß „Slapstick und Satire gewesen“, wiegelte der Angeklagte postwendend ab. Er sei kein Antisemit, an seinem Haus hänge sogar eine Israel-Flagge.

Das wiederum brachte den Vorsitzenden Richter – nicht zum ersten Mal in diesem Prozess – regelrecht in Harnisch. „Sie haben eine spezielle Art von Humor“, warf er dem 58-Jährigen vor. Der Name „Wolfsschanze“ sei „historisch verseucht“. Im Übrigen könne man auch auf die Bücherliste des Angeklagten verweisen, die unter anderem einen „Erlebnisbericht“ der für ihre Gräueltaten berüchtigten „SS-Division Dirlewanger“ enthalte sowie Darstellungen zur so genannten deutschen Schutztruppe. „Sie hat Schlagseite, Ihre Bücherliste“, hielt Richter Martin Hauser dem 58-Jährigen vor und fügte hinzu: „Sie haben einen unbewaffnetem Menschen in den Kopf geschossen. Das hat nichts mit Notwehr zu tun!“

Bei der Auswertung von Datenträgern und Handys des Tatverdächtigen stießen die Fahnder nach Angaben des Soko-Ermittlers zudem auf satirische Hitler-Reden sowie ein Konto beim AfD-Shop. Und nicht zuletzt auf Filme mit „extremen Gewaltszenen“, die zum Teil aus Kriegsgebieten stammten. „Da waren brutale Tötungen zu sehen, mit Schwertern und Hinrichtungen mit Köpfen“, so der Kriminalbeamte. Abschließend flimmerte im Gerichtssaal ein Polizeivideo über die Monitore, in dem der Angeklagte den Ermittlern zeigt, wo er die Pistole, in eine Sturmhaube eingepackt, in den Rhein warf. Auf dem Film ist auch zu hören, wie er bei der Gelegenheit im scherzhaftem Tonfall zu den Beamten sagt: „Vielleicht finden Sie bei der Suche ja auch noch eine zweite Leiche – die ist aber nicht von mir.“

Weiter erläutert der Angeklagte in dem knapp einstündigen Film, wo und wie er die Leiche des getöteten Mannes in Rickenbach erst im Wald versteckte und wie er sie nach den Weihnachtstagen zuerst in seinen Schrebergarten transportierte und dort neben dem Gewächshaus mit einer Machete zerteilte. „Das ging relativ schnell, zehn oder fünfzehn Minuten vielleicht, für einen Jäger ist das Routine.“ Die Arme, die Beine, den Kopf und den Torso habe er an jenem 27. Dezember, dem „Tag der Entsorgung“, in Maschendraht gepackt und die vier Rolle im Rhein versenkt. Die Idee dazu stamme vermutlich aus einem norwegischen Mafia-Krimi, den er einmal gesehen habe.

Erschütterung greifbar

Die Erschütterung im Gerichtssaal war bei diesen Szenen mit Händen zu greifen. Als besonders „verstörend“ empfand es der Vorsitzende Richter, dass der Angeklagte erst schildert, wie er sein Opfer zerteilt, und im gleichen Atemzug auf die Kirschblüte in seinem Garten zu sprechen kommt.

Der Kripobeamte von der Soko ließ das Gericht am Schluss seiner Aussage wissen, dass aus seiner Sicht einige Ermittlungsergebnisse zum Tathergang in der Unterkunft des Opfer „in Widerspruch“ zu den Einlassungen des Angeklagten stünden. So sei beispielsweise nicht nachvollziehbar, wie ein seitlicher Kopfschuss zu der Schilderung passe, der Mann sei frontal auf den Angeklagten losgestürmt. Seltsam sei ebenfalls, dass eine Pistolenkugel direkt in der Blutlache lag. Fraglich sei auch, wieso der Angeklagte einen zweiten Schuss abfeuerte, wo sein Gegenüber doch sofort tot war. „Wir können uns keinen Reim drauf machen, wie das vonstatten gegangen sein soll“, so der Zeuge.

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