Rheinfelden Das schnellste Jahr ihres Lebens

Die Oberbadische

Interview: Sabine Hartmann-Müller schaut auf 365 Tage im baden-württembergischen Landtag zurück.

Rheinfelden - Sabine Hartmann-Müller rückte vor einem Jahr für Felix Schreiner, der jetzt im Bundestag sitzt, in die CDU-Landtagsfraktion nach. Unser Redakteur Ulf Körbs stellte ihr dazu Fragen.

Die Abgeordnete ist aber nicht nur Landtagsmitglied, sondern auch Ortsvorsteherin in Herten und Stadträtin in Rheinfelden.

Frage: Frau Hartmann-Müller, Sie sind jetzt seit einem Jahr Landtagsabgeordnete. Wie lief es bislang? 

Das letzte Jahr war wahrscheinlich das spannendste und gefühlt schnellste Jahr meines Lebens (lacht). Als Ortsvorsteherin von Herten und Stadträtin von Rheinfelden war für mich die Parlamentsarbeit nicht unbekannt. Aber die ungeheure Informationsdichte war zu Beginn eine Herausforderung. So sind die Themen und Gespräche an manchen Tagen sehr vielfältig. Da spreche ich morgens in Stuttgart mit meinen CDU-Kollegen über die Vermeidung von Fahrverboten, mittags unterhalte ich mich mit dem Sozialminister über den Bau des Gesundheitscampus in Bad Säckingen und abends zurück in Rheinfelden folgt die zweite Sitzung zur Rathausplatzgestaltung in Herten. Mittlerweile habe ich mich an diesen Rhythmus gewöhnt.

Frage: Und wie wurden Sie in der Fraktion aufgenommen?

Die Legislaturperiode war damals schon über ein Jahr alt. Dementsprechend lernte ich als Neuling einen unter Volldampf laufenden Landtag kennen. Die CDU-Fraktion hatte mich aber sehr freundlich aufgenommen, was meinen Einstieg erleichterte. Worüber ich sehr glücklich bin ist, dass ich die CDU im Verkehrsausschuss und Sozialausschuss vertrete. So konnte ich beispielsweise die Fraktion überzeugen, die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke voranzutreiben. Mit dieser Unterstützung konnte der Verkehrsausschuss überzeugt werden, die Elektrifizierung bis 2025 umzusetzen. Das gleiche gilt im Pflegebereich. Hier nahm die Fraktion das von mir entworfene Positionspapier als Impulsgeber, die Pflegepolitik zu einem Schwerpunktthema der restlichen Legislaturperiode zu machen.

Frage: Welche Themenbereiche bearbeiten Sie in der CDU-Fraktion?

Als Mitglied im Verkehrsausschuss bin ich vor allem zuständig für die Themen Straßenbau und Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Zudem bin ich pflegepolitische Sprecherin der Fraktion. Gerade für unsere Region sind diese beiden Bereiche von besonderer Bedeutung, bei denen es gilt, als Ländlicher Raum nicht abgehängt zu werden. Deshalb setze ich mich in der Fraktion im Verkehrsbereich für eine möglichst schnelle Entlastung für Schwörstadt ein. Im Sozialbereich zählen sicherlich die Folgen des demographischen Wandels zu den größten Herausforderungen. Diese betreffen vor allem die Ländlichen Räume wie den Hochrhein. Ich denke, dass unsere Region mit dem Zentralkrankenhaus in Lörrach und dem Campus in Bad Säckingen diesen Wandel frühzeitig erkannt hat. Hierfür brauchen wir aber auch die finanzielle Unterstützung durch das Land. Als Mitglied im Sozialausschuss habe ich die Möglichkeit, mich regelmäßig mit Sozialminister Manfred Lucha austauschen zu können.

Frage: Kommen wir kurz nach Rheinfelden zurück: Sie sind in Herten Ortsvorsteherin, in der Löwenstadt Gemeinderätin und dazu auch noch Landtagsabgeordnete. Wie werden Sie mit dieser Mehrfachbelastung fertig? 

Die entscheidende Frage ist für mich nicht die der Arbeitsintensität, sondern wie man darauf reagiert. Dabei kommt es auf eine gute Organisation, Koordination, Kommunikation und ein gutes Team an. Dennoch liegt nicht immer alles in den eigenen Händen. Wenn ich zwischen Rheinfelden und Stuttgart mit dem Zug pendle, dann werfen Bahnverspätungen nicht selten meinen Terminplan durcheinander. Eher muss ich mich noch in die öffentliche Rolle als Landtagsabgeordnete einfinden. Wenn ich heute aus der Haustüre rausgehe, dann erkennen mich mehr Personen als früher.

Meine Arbeit in der Kommunalpolitik sehe ich eher als Vorteil. Seit fast 20 Jahren bin ich Stadträtin von Rheinfelden, seit 2012 Ortsvorsteherin von Herten. So würde ich behaupten, dass ich die Folgen mancher Gesetzvorhaben auf Landesebene besser nachvollziehen kann als Nicht-Kommunalpolitiker. Oder nehmen wir die gerade abgeschlossenen Verhandlungen zwischen Land und Kommunen über den Nachtragshaushalt. Unsere Städte und Gemeinden erhalten zusätzlich 1,6 Milliarden Euro vom Land. Für diese zusätzlichen Gelder wie etwa für Kitas, Schulen, ÖPNV hatten sich nicht zuletzt die Kommunalpolitiker in der Fraktion eingesetzt.

Frage: Bis zur nächsten Landtagswahl in Baden-Württemberg ist zwar noch einige Zeit hin, aber vor kurzem haben Bayern und Hessen gewählt. Die Unionsparteien, aber auch die SPD mussten heftige Verluste hinnehmen. Es scheint, als hätten die „Volksparteien das Volk verloren“. Im kommenden Jahr sind Kommunalwahlen. Wie soll die CDU vor Ort mit dieser Tendenz umgehen?

Die Verluste der CDU und SPD sehe ich sehr kritisch. Aus meiner Sicht brauchen wir in Deutschland zwei große Volksparteien, welche die breite Mitte der Gesellschaft abbilden. Dieser Trend reiht sich für mich in eine andere Beobachtung. Die Menschen sind immer weniger bereit, Verantwortung in ihrer Gemeinde zu übernehmen. Das beginnt bei den Vereinen und zieht sich durch die gesamte Gesellschaftsstruktur. Diese Entwicklung macht mir große Sorgen. Gerade bei uns im ländlichen Raum war das Ehrenamt immer ein wesentlicher Pfeiler. Dieser darf nicht umfallen, vor allem mit Blick auf den sozialen und demographischen Wandel.

Die Bundesregierung konnte in den wenigen Monaten ihrer Amtszeit bereits viele wichtige Entscheidungen treffen. Leider werden diese von der Personalpolitik innerhalb der Großen Koalition überlagert. Nehmen wir nur den Pflegebereich. Hier konnte die Bundesregierung bereits wichtige Entscheidungen zur Verbesserung der Pflegesituation sowohl für die Bedürftigen als auch für die Pflegekräfte auf den Weg bringen. Dass sich die Streitereien der letzten Monate so stark negativ auf die sehr gute Arbeit der lokalen CDU Orts- und Kreisverbände abfärben ist deshalb umso bedauerlicher. Denn so wird vergessen, dass nur unsere Gemeinden und Landkreise in Baden-Württemberg im Bundesvergleich sehr gut aufgestellt sind. Das ist nicht zuletzt das Verdienst der CDU. Das gilt insbesondere für die ländlich geprägten Regionen.

Dennoch dürfen wir die Veränderungen in unserer Gesellschaft und die damit verbundenen wandelnden Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger nicht ignorieren. Die CDU muss wieder viel stärker das Ohr dort haben, wo die Menschen leben. Das Hauptthema bei den Leuten ist die Infrastruktur: Von Kita-Plätzen über die Ärzteversorgung und schnelles Internet, bis zu Straßenanbindungen und Schaffung von Wohnraum. Wir, die CDU vor Ort, müssen bei den Kommunalwahlen deutlich machen: „Es geht um die Politik vor Ort, nicht um Berlin“. Ich möchte deshalb einen offenen Dialog führen über die regionalen, um die lokalen Themen. Die Frage nach der gleichwertigen Infrastruktur gegenüber den Städten ist hier ganz zentral.

Frage: Ach, noch etwas: Welches Thema hatte eigentlich Ihre Antrittsrede im Landtag, und wie wurde sie aufgenommen, von der eigenen Fraktion und den anderen?

Die erste Landtagsrede ist natürlich immer etwas Besonderes. Allerdings haben die meisten eine Woche oder mehr als Vorbereitung. In meinem Fall hatte ich drei Tage (lacht). Es war an einem Montag im März, als mein Telefon klingelte. Meine Fraktion bat mich am folgenden Donnerstag für die CDU im Landtag zu sprechen.

Meine erste Plenarrede im Landtag war zum Thema Straßenbau. Kurz gesprochen ging es darum, dass der Bund künftig die bisher durch die Bundesländer im Auftrag des Bundes durchgeführten Aufgaben zum Planen, Bauen und Betreiben der Autobahnen übernimmt. Wie üblich gab es Zwischenrufe der Opposition. Aber daran war ich bereits gewöhnt. Was sehr schön war: Gleich nach meiner Rede erhielt ich zahlreiche Glückwunsch-SMS und Whatsapp-Nachrichten von Parteikollegen und Freunden.

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