Rheinfelden Die Protestanten wandern zu

Die Oberbadische

Reformationsserie – Teil 4: Rheinfeldens Christuskirche ist der älteste evangelische Neubau Badens

Von Ulf Körbs

Der Thesenanschlag Martin Luthers im Jahr 1517 war der Auftakt zur Reformation, ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. 500 Jahre später wird in ganz Deutschland das Jubiläum gefeiert. Im Rahmen einer Serie blicken wir auf die Reformation im Dreiländereck und ihre Auswirkungen. Die Serie wandert bis Ende November durch den gesamten Lokal- und Regionalteil unserer Zeitung.

Rheinfelden. Die evangelische Gemeinde Rheinfeldens, wie die Kommune selbst, ist durch Zuzug – wohl auch durch den Kraftwerksbau – gewachsen, wie zwei Zahlen belegen: Im Jahre 1900 zählte man 673 Lutheraner. Zwei Jahrzehnte später waren es fast dreimal so viele, nämlich 1904. Mit diesem Zuwachs entstand aber auch ein Problem. Es musste ein Gotteshaus und ein Pfarrhaus her. Doch es gibt auch frühere Stationen des Gemeindelebens, denn die Quellen berichten von protestantischen Gottesdiensten 100 Jahre bevor Rheinfelden zur Stadt wurde.

Recherchiert man zum Thema findet sich der Hinweis: „1820 hielt die evangelische Bevölkerung erste Gottesdienste im Rittersaal des im Jahr 1268 fertiggestellten Schloss Beuggen.“ Das mag zunächst verwundern, denn Beuggen war schließlich ursprünglich eine Kommende (Niederlassung, auch Komturei genannt) des Deutschen Ordens, der bekanntlich katholisch war. War es also eine ökumenische Geste? Wohl weniger, denn im Jahr 1820 gründete der Pietist Christian Heinrich Zeller – der Pietismus entstand im 17. Jahrhundert als die nach der Reformation wichtigste Reformbewegung in der Evangelischen Kirche – im völlig maroden Schloss eine „Freiwillige Armenschullehrer- und Armenkinder-Anstalt“, die später zu einem „evangelischen Kinderheim“ wurde. Und dass ein Pietist einer evangelischen Diaspora-Gemeinde Raum für ihre Andacht zur Verfügung stellt, dürfte weniger irritieren. Insofern war Beuggen eine ökumenische Gemeinschaft, denn die Schlosskirche diente als katholische Gemeindekirche von Karsau.

Ein knappes Vierteljahrhundert – im Jahre 1894 – später geschieht auch für die Evangelischen ein wichtiges Ereignis: Die Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) werden gegründet und bauen ein Wasserkraftwerk, das als erstes am Hochrhein und als damals größtes Wasserkraftwerk in Europa anno 1898 seinen Betrieb aufnimmt. Eine Zuzugsbewegung – auch von Protestanten, wenngleich viele Bauarbeiter katholische Italiener waren – muss begonnen haben, die auch mit dem Anwachsen der lutherischen Gemeinschaft einherging. Es wurde eine Diasporagemeinde gegründet und am 11. September 1898 wurde von den KWR zum Preis von 40000 Goldmark ein Bauplatz für die Adelbergkirche an der Rheinbrückstraße erworben. Dort errichtete der Baumeister Gotthard Wilhelm Ehmig aus dem Abbruchmaterial einer vorher an dieser Stelle stehenden Scheune einen rechteckigen Kirchenbau. Die Weihe fand am 17. September 1899 statt. Doch trotz des Einbaus einer Empore in den Jahren 1902/03 wurde die Andachtsstätte schnell zu klein. Eine für das Jahr 1916 geplante Erweiterung kam wegen des Ersten Weltkriegs nicht zustande.

Aber es gab noch ein ganz anderes Problem: Der Rheinfelder Schullehrer wollte das Pfarrhaus einfach nicht räumen. Pfarrer Heinrich Eckhardt, er hatte das Amt anno 1922 übernommen, wohnte im Haus Salmegg. Dessen Besitzer, Josef Benzinger, hatte ihm bereits seit Jahren gekündigt. Am 2. September 1929 wurde mit dem Neubau eines Wohnsitzes an der Müßmattstraße für den Pfarrer, er war der erste evangelische Seelsorger in der Löwenstadt, begonnen. Zeitgleich wurde ein Architektenwettbewerb für die Kirche ausgelobt. Gewonnen hat ihn der Architekt Wilhelm Peschany.

Der Efringen-Kirchener Peschany hat auch das Mahnmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Eimeldingen entworfen, die Einweihung fand am 1. Juli 1928 statt, und in der zweiten Hälfte der 1950-er Jahre die Christuskirche in Wehr. Sein Sohn Günther führte in der Zeit von Oktober 1993 bis Juni 1994 die Renovierung des Wehrer Gotteshauses durch. Peschany sen. taucht aber in den Quellen noch anderweitig auf. Im Markgräfler Jahrbuch 1940/41 findet sich ein stark vom damaligen Sprachduktus – es ist die Zeit des Dritten Reiches – geprägter Aufsatz „Haltingen, das kommende Markgräfler Musterdorf“ aus seiner Feder. Hierin widmet sich der Architekt der Frage, wie denn der heutige Weiler Ortsteil nach dessen Zerstörung in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 1940 am bestens neu aufgebaut werden sollte.

Es gibt noch eine andere Quelle, die sich mit Peschany beschäftigt. Und diese führt wieder zurück nach Rheinfelden: Im Staatsarchiv Freiburg existiert aus dem Jahr 1938 eine Gerichtsakte einem Zivilverfahren am Landgericht Waldshut. Prozessgegner waren der Architekt und die evangelische Kirchengemeinde Rheinfelden. Es ging um „Forderungen aus dem Architektenvertrag“.

Als Peschany vor den Richter zog, lag die Grundsteinlegung für die Christuskirche gerade fünf Jahre zurück und die Einweihung sogar nur ein Jahr. Entstanden war ein schlichter Bau, der sich an den Stil einiger Gotteshäuser anlehnt. Der Architekt scheint diese Bauweise gern verwendet zu haben, denn sein Gebäude in Wehr erinnert ebenfalls daran. An der Rheinfelder Karl-Fürstenberg-Straße war ein rechteckiges Kirchenschiff entstanden, dessen Glockenturm separat steht und mit dem eigentlichen Gebäude durch die Sakristei verbunden ist. Das Licht in den rechteckigen Saalbau fällt im Westen und Osten durch je fünf rundbogige Fenster. Je drei davon sind mit buntem Glas geschaffen worden. Sie sind ebenso wie die Mosaiken an Kanzel und Altarwand ein Werk des Stuttgarter Künstlers Rudolf Yelin. Die Fenster wurden in diesem Jahr, anlässlich des 80-jährigen Bestehens der Gemeinde von ihrem Mitglied, dem Rheinfelder Glaskünstler Wilfried Markus, und einer Glasgestalterin vom Fach renoviert.

Nicht einfach war die Aufgabe, die der Karlsruher Künstler Otto Schneider übernommen hatte: Er schuf die Christusstatue, die links neben dem Hauptportal steht. Hierzu heißt es in den Überlieferungen: Er sollte einen „kämpferischen Christus, keinen zu milden“ darstellen. Trotzdem wollten einige 150-prozentige Nazis das Aufstellen verhindern. Daher musste die Figur zwei Monate auf einem Pritschenwagen versteckt werden. Aufgestellt werden konnte sie erst zwei Tage vor der Kircheneinweihung am 10. Oktober 1937.

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