Rheinfelden Magie der Macht – Schmerz des Verlusts

Die Oberbadische
Die zwei Engel (Till Lang und Elias Füchsle) drehen ein großes Schicksals- oder Glücksrad.Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Schauspiel: Das Jugendtheater Rheinfelden von Tempus Fugit brilliert im Kulturpark

Von Jürgen Scharf

Rheinfelden. Geld regiert die Welt. War Peter Munk am Ende reich? Oder war der junge Köhler am Ende der Geschichte oder seines Lebens reich an Erfahrung, aber nicht an Geld?

Mit solchen Fragen wird der Besucher des Freilufttheaters im Tutti-Kiesi-Park unvermutet konfrontiert. Es liegt an den Spielern, ob sie überhaupt Fragen stellen und zulassen in dieser offenen Inszenierung unter dem Titel „Das kalte Herz des Jedermann – das kalte Herz der Jederfrau“.

Das Jugendtheater Rheinfelden von Tempus Fugit unter Regie von Karin Maßen führte diese eigene Produktion im Rahmen des vom Land Baden-Württemberg geförderten „Kultursommers“ drei Mal auf der abgemähten Wiese des Rheinfelder Kulturparks auf und konnte damit seinen coronabedingt ausgebremsten Spielbetrieb wieder aufnehmen.

Der Titel sagt es ja schon, dass hier zwei bekannte Stücke zusammengenommen werden: Zum einen das Märchen von Wilhelm Hauff, das von der Sagengestalt des Kohlenmunk-Peter handelt, der in Not gerät und sein Herz an den dämonischen Holländer-Michel verkauft. Bei diesem unheimlichen Angebot, Herz gegen Vermögen einzutauschen, wird fast schon ein faustisch-mephistophelischer Pakt geschlossen.

Dies scheint auch in der Inszenierung auf, die von der Macht des Geldes und dem Verlust des Gefühls handelt. Zum anderen kommt noch der berühmte Salzburger „Jedermann“, das Spiel vom Sterben des reichen Mannes, hinzu. Das Märchen wie das Welttheater werden geschickt verquickt mit eigenen Anschauungen der jugendlichen Darsteller sowie neuen, in die Gegenwart umgemünzten Texten und wirken so zeitlos aktuell.

Da hört man viel über den Mammon bei diesem über zweistündigen Stationentheater, das an ein gutes Dutzend Spielorte führt und von Station zu Station in jedem Augenblick fesselnde Gegenwart erzeugt. Die zehn jungen Akteure, in grauen T-Shirts mit aufgedruckten Gesichtern und Baseballcaps, fragen nach dem Sinn des Lebens oder geben eigene Statements über Geld („Ganz ohne Geld geht es auch nicht“). Von Ferne untermalen die Saxophonklänge des Theatermusikers Johan Olsson das Geschehen.

In frischer, unkonventioneller Art und heutiger Alltagssprache wird bei dieser Jedermann/Kaltes Herz-Collage die alte Geschichte in witzigen, nachdenklichen bis surreal-absurden Szenen mit eigens hergestellten Requisiten aus Holzlatten und Draht neu erzählt. Das Gelände wird zum Spielort des Stücks, das unter dem Kuppeldach des Vacono-Domes startet und dort sehr bemerkenswert endet.

Mit dabei zwei männliche Engel mit nacktem Oberkörper, Hut, Hosenträgern, bunten Krawatten und weißen Flügeln – zwei echte Beckett-Figuren. Die beiden Profischauspieler Till Lang und Elias Füchsle, letzterer Theaterpädagoge bei Tempus Fugit, bewegen sich ständig über die Wiese, beobachten die Szenen, drehen ein großes Rad, vielleicht ein Glücks- oder Schicksalsrad, oder legen einen roten Teppich aus, auf dem sie wie auf einem Catwalk posieren.

Es sind acht Gruppen von Jugendlichen, die die Handlung an den Stationen erzählen, gelegentlich nonverbal mit mimisch-pantomimischem Theaterspiel. Manchmal wird sogar gesungen, etwa das Lied beim Pseudo-Happy End zwischen Peter und seiner Frau Lisbeth, die sich zuvor beim Kräftemessen „duellieren“.

Zwischendurch erfährt man, was das eigentlich bedeutet, das kalte Herz, man hört von den vielen Glasmachern, die es im Schwarzwald gab, und von dem freundlichen Glasmännlein, dem Schatzhauser im grünen Tann, das dem Köhler-Peter drei Wünsche erfüllt.

Zwei Spieler fragen die Zuschauer: „Wer von uns ist glücklicher?“ Schwer zu entscheiden. Man wird als Besucher immer wieder hineingezogen in das Spiel, in die Sinnfragen, und das passiert bei ständigem Orts- und Spielerwechsel, bei dem man seinen weißen Plastikstuhl mit sich trägt und die Maske aufsetzen muss – was auch ins Spiel integriert ist.

Ein großes Holzgerüst mutet wie ein dunkler Wald an, in dem sich zwei Spielerinnen verirren. Eine ruft immer nach „Peter!“. Es ist der zentrale „Spielplatz“ des Stückes. Bisweilen muss man auch einen Moment warten, bis die nächste Station frei ist. So vor dem Kletter-Kubus, wo ein Baum zu den Zuschauern spricht, oder an dem Platz, wo ein Straßenhund von seinem gequälten Leben erzählt.

Der nächste Spieler kommt schon bald, und es gehört zu dieser Choreografie, dass man Stimmen von anderen Stationen hört, vom Wind her getragene Klänge, die sich wie die Spielebenen überlagern: ein richtiges Gesamtkunstwerk.

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