Rheinfelden Mit Gags und Hupen

Jürgen Scharf
 Foto: Jürgen Scharf

Comedy: Abdelkarim interagierte beim Auto-Comedyfestival mit den Zuschauern durch die Autoscheiben

Rheinfelden -  Wenn nichts mehr geht, geht Autokino. In Rheinfelden live im Tutti Kiesi-Areal geht beim 20-Tage-Sommerfestival noch mehr: Autocomedy und Autokonzert. Eine typische Veranstaltungsreihe in Corona-Zeiten.

Es sind Größen der Kabarett- und Comedy-Szene, die sich auf dieses Spiel vor einer Blechkarawane einlassen. Den Anfang machte „Frauenpower“ mit Patrizia Moresco und Nessi Tausendschön, die fragte: „Wie geht’s euch in den Autos? Fühlt es sich seltsam an?“ Die meisten Fans auf vier Rädern mobilisierte Hazel Brugger, amerikanisch-schweizerische „Comedienne“ mit Wohnsitz in Köln, bei der 150 Fahrzeuge den Platz füllten – das absolute Maximum.

Von der Live-Bühne auf auf die LED-Kinoleinwand

Ein gutes Drittel davon fuhren bei Abdelkarim vor, dem Marokkaner aus Bielefeld, der sein zweites Soloprogramm „Staatsfreund Nr.1“ auf die Live-Bühne brachte und per Kamera auf die große LED-Kinoleinwand projiziert wurde. Der Ton kommt wie beim Autokino aus dem Autoradio, aber auch aus den offenen Fenstern und Wagentüren bei einem so warmen Sommerabend. Etwas Luft und Durchzug tut auch gut beim fast zweistündigen pausenlosen Sitzen in der aufgeheizten Blechkarosse.

Bemerkenswert war bei Abdelkarim, dass er es ziemlich bald schaffte, auch über die Distanz mit den Leuten auf den Fahrer-, Beifahrer- und Rücksitzen zu interagieren. Er nutzte für seine Kommunikation einige lokale Spitzen über Rheinfelden, Warmbach, Schwörstadt und Grenzach, fragte, ob man Rheinfelder Döner empfehlen könne und ob es hier eine Moschee gebe. Und prompt reagieren die Zuschauer statt mit Applaus mit kurzem zustimmenden Hupen und Lichthupe. Vor allem, wenn Abdelkarim über seine Erlebnisse als Migrantenkind erzählt, das mit der Frage „Woher kommst du?“ aufgewachsen ist.

Marokkaner aus der Bielefelder Bronx

Der „Marokkaner aus der Bielefelder Bronx“, legere Jogginghose, bedrucktes T-Shirt, ist es gewohnt, ständig kontrolliert zu werden. Und so baut er sein gesellschaftspolitisches Programm auf das Thema „Rassismus“ auf. Er erzählt vom alltäglichen Rassismus, der ihm begegnet, von einem Erlebnis auf dem Flughafen, wo er, „der dunkelhäutige Marokkaner, der aussieht wie ein Russe“, mit seinem Freund, einem gut aussehenden Schwarzen im Anzug, von der Polizei angehalten und nach dem Pass gefragt werden: Polizeikontrolle als „eine Art Begrüßungskomitee“.

Apropos Russe: Warum macht kein Comedian Witze über Russen? Weil es in der Comedyszene Angst vor Russen gibt: „Leben geht vor.“ Der Polit-Comedian fällt auch auf, weil er keinen Alkohol trinkt. „Keinen Alkohol zu trinken, ist in Deutschland verboten“, witzelt er. Das käme noch hinter den Veganern. Oder den Leuten, die im Supermarkt den Fahrradhelm aufbehalten.

Der „Deutsche mit Einwanderungsoptik“ redet auch kritisch über das Thema Flüchtlinge, Reichsbürger, AfD-Politiker auf Rassistenlevel und Angela Merkel, die eine Art „Mafiaboss in der Politik“ sei, deren Feinde plötzlich verschwinden. „Merkel verschlingt Männer“, raunt Abdelkarim und fragt sich, ob es an ihrer Raute liegt.

Natürlich schaut auch mal Kumpel Ali bei der Autocomedy vorbei, wo Mittelklassewagen neben Cabrio-Sportwagen und offenen Jeeps im vorgeschriebenen Stoßstangen-Abstand stehen. Ali ist arbeitslos, macht gern auf Macho, hängt immer am Handy. Abdelkarim lästert über Hipster-Männer mit Vollbart und Röhrenjeans, macht sich über Comedians lustig, die nie um 6 Uhr morgens aufstehen, weil sie dann noch im Zombiemodus sind.

Am authentischsten ist Abdelkarim, wenn er in seinen Geschichten über die Probleme von Menschen mit Migrationshintergrund, über Ressentiments und die kulturellen Unterschiede redet, Vorurteile und Klischees satirisch und ironisch aufs Korn nimmt. Das ist schon gutes politisches Kabarett über Alltagsrealitäten.

Egal, ob er über „Nafris“ (diese Abkürzung für Nordafrikaner dürfe man so sagen) und Muslime redet, über den Imam in der Moschee, seinen Vater und ein toleranteres Miteinander: Abdelkarim kommt in seiner sympathisch lockeren Art gut an – auch durch die Autoscheiben.

Nächste  Autocomedy Rheinfelden: „Best of“ Heinrich del Core So, 5. Juli, 20.30 Uhr

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