Ringen Ein falscher Pfiff kann alles entscheiden

Mirko Bähr
Als Referee auch international gefragt: Torsten Baumgartner bei der U20-Europameisterschaft in Novi Sad. Foto:  

Torsten Baumgartner vom TuS Adelhausen gehört zu den besten Kampfrichtern Deutschlands. Vor wenigen Monaten stand er zum 800. Mal auf der Matte. Sein großer Traum sind die Olympischen Spiele.

Seine Urlaube verbringt Torsten Baumgartner gerne auf Kreuzfahrtschiffen, mit denen er dann die ganze Welt bereist. Aber auch in der Ringer-Welt ist er zuhause. Der Adelhausener gehört zu den besten Referees Deutschlands und zeigt mit seiner unaufgeregten Art, Griffkünstlern aus aller Welt wohin die Reise geht. Zudem ist er quasi der Kapitän der südbadischen Kampfrichter.

Mehr als 20 Jahre steht der 41-Jährige, der die internationale Lizenz besitzt, nun schon auf der Matte. 20 Jahre voller Emotionen und Erinnerungen. In der vergangenen Mannschaftsmeisterschaftssaison feierte er ein besonderes Jubiläum. Er bestritt seinen 800. Kampf, der allerdings zu keinem unbeschwerten, freudigen Anlass wurde.

Alles andere als schön war auch der Umstand, wie „Fuxx“, unter diesem Namen kennt ihn wohl halb Ringer-Deutschland, überhaupt zur Pfeife kam. Bei einem Auswärtskampf im Elsass riss sich Baumgartner Kreuz- und Innenband sowie den Meniskus. Noch im Krankenhaus erhielt der damals 17-Jährige Post. Inhalt: Eine Einladung zur Kampfrichter-Regelabend des Bezirks.

„Ich wusste gar nicht, wie ich zu dieser Ehre kam“, schmunzelt der Complaint Manager bei Endress & Hauser. Heute weiß er es: Der damalige TuS-Vorsitzende Thomas Brugger war es. „Er hat mein ringerisches Potenzial wohl erkannt“, lacht Baumgartner. Statt im Ringerdress also lieber im Kampfrichteroutfit. „Es war im Nachhinein genau die richtige Entscheidung.“ Die Einladung musste er indes absagen, doch aufgeschoben war nicht aufgehoben.

Als die Krücken dann ausgedient hatten und Baumgartner wieder Laufen konnte, probierte er es dann tatsächlich aus. Erst pfiff er unter Anleitung einige Trainingskämpfe, dann wurde es ernster. Beim Walter-Gerbel-Gedächtnisturnier der RG Hausen-Zell, dem Vorläufer des heutigen Hohe Möhr-Cups, pfiff er erstmals offiziell ein Mattenduell.

Auch die erste Rote Karte, die er gleich noch im ersten Jahr aufgrund einer Beleidigung zücken musste, hielt ihn nicht davon ab, weiterzumachen. Und so richtig angefixt war Baumgartner, als er beim Lehrgang der südbadischen Referees auf dem Herzogenhorn den Trainingsanzug seines Kollegen Claudio Bibbo erspähte. „Der hatte den Bundesadler drauf. Und ich habe mir gesagt, den will ich auch haben.“

Über 800 Einsätze stehen zu Buche

Ende der Saison 2002 pfiff Baumgartner in der Kreisliga in Gersbach seinen ersten Aktiv-Kampf. Gut 22 Jahre später schlug der 800. Einsatz zu Buche. Im November in Ketsch, wo der Regionalliga-Spitzenreiter auf seinen ärgsten Verfolger Weilimdorf traf. „Es war der Top-Kampf, es ging um den Titel, um den Aufstieg“, erinnert sich Baumgartner. Im Rückblick kein Höhepunkt, sondern eher ein Tiefpunkt.

Das lag indes nicht an der Leistung des Kampfrichters, sondern vielmehr am Verhalten der Heimfans. „Es ging eng zu und Teile des Ketscher Publikums waren einfach nur grob unsportlich“, blickt der 41-Jährige zurück. „Das war oft unter der Gürtellinie“, so Baumgartner, der immer wieder eingreifen und beschwichtigen musste.

Als bei einer Verletzungszeit einige Heimfans über die Matte stürmten, um in die Gästeecke zu gelangen, war das Fass voll. Es gab Tumulte und der Kampfrichter machte über Mikrofon deutlich, dass er den Kampf abbrechen, wenn in zwei Minuten nicht Ordnung in der Halle herrsche. Die Worte saßen, ehe sich aber zu allem Überfluss auch noch ein Gästeringer eine schwere Beinfraktur im allerletzten Kampf zuzog.

Viel positiver sind dagegen die Erinnerungen an die Endrunde der Mannschaftssaison 2024. Direkt von der AIDA und aus der Karibik ging es im kalten Deutschland für Baumgartner beim Halbfinal-Rückkampf zwischen dem späteren Meister Schorndorf und dem Vorjahresmeister Burghausen zur Sache. „Der Druck war groß und auf der Matte stand es quasi bis zur letzten Sekunde Spitz auf Knopf. Du weißt genau, ein falscher Pfiff kann alles entscheiden“, sagt der Kampfrichterreferent des Südbadischen Ringerverbandes.

Zusammen mit seinen Kollegen im Drei-Mann-Kampfgericht brachte er das Duell zweier Ringer-Schwergewichte aber reibungslos über die Bühne. „Man ist voller Adrenalin, es geht um viel, auch um viel Geld. Da ist der Puls oben, man ist unter Strom, tief im Tunnel drin. Und zwar so sehr, dass ich nach einem solchen Abend nie sagen kann, was so alles ringsherum und neben der Matte passiert ist“, erklärt er.

Die Kritiken waren jedenfalls gut. „Das ist natürlich schon ein Ritterschlag, wenn es von vielen Ringsportbegeisterten Lob gibt. Das ist ja sehr, sehr selten der Fall, um so mehr freut mich das natürlich.“ Und so war Baumgartner dann auch im Finale mit von der Partie. Diesmal als Punktrichter. „Auch wenn der am wenigstens Einfluss auf das Duell auf der Matte hat, war die Nominierung natürlich eine gigantische Ehre für mich vor 4000 Fans einen Finalkampf mitzuleiten.“

So einige Höhepunkte kommen in mehr als 20 Jahren Kampfrichter-Karriere zusammen. „Immer dann, wenn es ein Schritt weiterging, war es echt Besonders. Der erste Oberliga-, der erste Regionalliga-, der erste Bundesligakampf“, sagt Baumgartner. Sehr speziell war das erste Kräftemessen der ersten Mannschaften der RG Hausen-Zell und der WKG Weitenau-Wieslet überhaupt und das in Liga zwei. Mehr als 1000 Zuschauer kamen in die Zeller Stadthalle und mittendrin Torsten Baumgartner. „Eine mords Kulisse, ich habe alle Ringer gekannt und mehr als die Hälfte der Zuschauer kannten mich.“

Und welches war das Duell der Duelle? „Frank Chamizo gegen Jordan Burrough im Jahr 2019“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Ein echter Hingucker, ein internationales Kräftemessen par excellence. „10:10 ging es aus, alle Welt hat es gesehen.“ Es war das Finale des Yasar Dogu-Turniers in Ankara. „Ich habe danach Nachrichten ohne Ende bekommen.“

Kurioses war natürlich auch dabei. Baumgartner erinnert sich an einen Kampf im bayrischen Anger, nicht weit weg von Salzburg. Eine halbe Weltreise. Mit dem Flieger ging es von Basel über Frankfurt nach Salzburg. Während er wohlbehalten in Österreich ankam, blieb sein Koffer in Hessen.

Was also tun ohne die komplette Kampfrichtermontur und den entsprechenden Utensilien? „Ich habe mir das alles vom Kollegen ausgeliehen, der den Vorkampf gepfiffen hat. Und die Verantwortlichen aus Anger gingen einkaufen und besorgten mir eine Zahnbürste für den nächsten Morgen.“ Der Koffer übrigens war auf dem Weg nach Edinburgh und wurde per Taxi Tage später in Adelhausen abgegeben. „Seither habe ich immer einen kompletten Satz des Kampfrichter-Outfits im Handgepäck.“

Einsatz bei der U17-Weltmeisterschaft in Athen

Zweimal pfiff Baumgartner bereits bei der Veteranen-WM, als Inhaber der zweithöchsten Lizenz, Kategorie I, war er 2023 zudem bei der U17-EM und 2024 bei der U20-EM im Einsatz. 2025 geht es nach Athen zur U17-WM. „Da habe ich mich sehr gefreut, als die Einteilung raus kam“, so Baumgartner, der natürlich gerne einmal bei einer EM oder WM der Aktiven mit von der Partie wäre.

Dazu braucht es aber die höchste Lizenz, die Olympializenz. Diese indes erhalten nur maximal vier Referees aus einem Land. „Das ist nicht einfach, um von der UWW so eingestuft beziehungsweise so bewertet zu werden. Zudem kann die Frauenquote da auch eine Rolle spielen“, erklärt Baumgartner. „Ich traue mir das zu, aber es gehört einfach mehr dazu, da geht es auch um Politik und Glück.“ Einmal bei Olympia dabei zu sein, das sei ein Traum von ihm. „Ich kann das Licht am Ende des Tunnels sehen, aber ob ich es bis dahin schaffe?“

Das Wichtigste, so findet er, sei, dass er mit viel Spaß bei er Sache sei und er viele tolle Kämpfe pfeifen dürfe „Ich habe schon viel erreicht, wenn es noch ein Schritt nach oben geht, dann ist gut, wenn nicht, dann eben nicht. Ich bin auf alle Fälle stolz, auf das, was ich erreicht habe. Wenn ich auf diesem Niveau noch einige Jahre weitermachen kann, dann passt das auch für mich.“

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