Bundeskanzler Olaf Scholz versicherte, dass die Ukraine gelieferte deutsche Waffen nicht auf russischem Boden einsetze. "Russland hat die Ukraine angegriffen, und deshalb kann die Ukraine sich auch verteidigen", sagte der SPD-Politiker am Freitag bei einem Besuch in der estnischen Hauptstadt Tallinn. "Und gleichzeitig ist klar, dass die Waffen, die wir geliefert haben, nur auf ukrainischem Territorium eingesetzt werden."
Scholz sichert weitere Unterstützung zu
Der Kanzler sicherte bei einem Besuch in Estland der Ukraine in den baltischen Ländern weitere Hilfe zu - so lange wie nötig. "Um es hier nochmal klar zu sagen: Wir sind bereit, jeden Quadratzentimeter Nato-Territoriums gegen Angriffe zu verteidigen", sagte Scholz am Freitag nach einem Treffen mit seinen Kollegen Kaja Kallas (Estland), Krisjanis Karins (Lettland) und Ingrida Simonyte (Litauen) in Tallinn. "Und das meine ich genau so, wie ich es sage."
Litauen richtet den anstehenden Nato-Gipfel im Juli aus. "Für Frieden in Europa brauchen wir die Ukraine in der EU und in der Nato", sagte Gastgeberin Kallas. Der ukrainische Präsident kündigte in seiner Videobotschaft an, sein Land werde jede Gelegenheit nutzen, um die Beziehungen zu dem westlichen Militärbündnis "mit echten politischen Inhalten zu füllen". Die Ukraine dringt auf eine Aufnahme in die Nato. Scholz dämpfte aber mit Blick auf das Treffen die Erwartung: Bei dem Gipfel werde es "vor allem darum gehen, die konkrete Unterstützung für die Ukraine in dieser Situation zu organisieren".
Russlands Vize-Außenminister Michail Galusin sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Tass in der Nacht zum Samstag, eine der Bedingungen für einen Frieden sei, dass das Nachbarland nicht Mitglied der Nato und der EU werde.
Kiew: Russland feuert wieder Raketen aufs Nachbarland ab
Russland setzte auch am Freitag seine Angriffe unvermindert fort. Der ukrainische Generalstab zählte bis zum Abend mindestens 18 Raketenangriffe auf bewohnte Gebiete rund um die Region Kiew und Dnipropetrowsk im Südosten des Landes. Außerdem habe Russland Raketen der eigentlich zur Luftabwehr bestimmten Systeme S-300 und S-400 eingesetzt, hieß es im Abendbericht der Armee. Das Militär registrierte zudem 60 Luftangriffe - dabei seien auch sogenannte Kamikaze-Drohnen vom iranischen Typ Shahed-136/131 verwendet worden.
Bemühungen um Friedensgespräche
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bekräftigte nach eigenen Angaben bei einem Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin, dass sein Land ebenso wie Indien, Indonesien und China bereit zu einem Dialog mit beiden Konfliktparteien sei. Am Freitag hielt sich Chinas Sondergesandter Li Hui zu Gesprächen in Moskau auf. Parallel berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf einen nicht näher genannten Diplomaten, Li Hui solle Europa aufgefordert haben, Russland die im Osten der Ukraine besetzten Gebiete zu "überlassen".
Die Ukraine hat immer wieder klargemacht, das nicht zu akzeptieren. Selenskyjs Berater Mychajlo Podoljak warnte bei Twitter, ein solches Szenario käme einem Sieg Russlands gleich und wäre zugleich eine Niederlage der Demokratie. Moskau besteht vor möglichen Verhandlungen etwa darauf, dass die Ukraine auf die besetzten Gebiete verzichtet.
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte dazu dem "Tagesspiegel": "Es wird ein schmerzhafter Waffenstillstand werden, der beide Seiten nicht zufriedenstellt." Und ergänzte: "Wenn am Ende für Putin eine Bestätigung in Richtung Krim und einige Korrekturen im Osten herauskämen und er das zu Hause als Erfolg präsentieren muss, wird das sicher nicht leicht. Umgekehrt werden die Ukrainer sich sehr schwertun, territoriale Kompromisse einzugehen."
Das wird am Samstag wichtig
Mit Spannung wird erwartet, ob es neue Informationen zur Lage in der umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut gibt. Russland hatte am vergangenen Wochenende die Eroberung der völlig zerstörten Stadt verkündet. Die Ukraine hat das bislang nicht bestätigt. In der Nacht zum Samstag berichtete die ukrainischen Agentur Unian unter Berufung auf das Militär in Kiew, es füge dort den russischen Truppen "weiterhin schwere Verluste" zu. Die Angaben aus dem Kriegsgebiet lassen sich nicht unabhängig überprüfen.