Schliengen Die Bevölkerung war stolz auf ihr Bürgeln

Weiler Zeitung
Die Westfassade nach der Restaurierung im Jahr 1926. Foto: zVg

Serie 100 Jahre Bürgeln-Bund: Teil 4: Bürgeln in der Vorkriegszeit / Auf dem Schloss war „Museumsbetrieb“

Schliengen-Obereggenen. „Z’Bürglen uf der Höh, nai, was cha me seh! Oh, wie wechsle Berg un Tal, Land un Wasser überal, z’Bürglen uf der Höh!“, heißt es in Johann Peter Hebels Gedicht „Der Schwarzwälder im Breisgau“. Vor 100 Jahren gründete sich der Bürgeln-Bund und kümmert sich seither um die „gute Stube“ des Markgräflerlands. Die Planungen für die Jubiläumsfeierlichkeiten liegen derzeit coronabedingt auf Eis. Bürgeln-Kenner Anton-Josef Martin blickt in einer sechsteiligen Serie für unsere Zeitung auf die Geschichte des Vereins von der Gründung bis zur Gegenwart zurück. Im vierten Teil der Serie geht es um Bürgeln in der Vorkriegszeit.

Ein letztes Mal, bei der Einweihungsfeier 1926, standen die drei entscheidenen Personen, denen das Markgräflerland Bürgeln verdankt, in Eintracht beisammen: Bürgeln–Bund-Vorstand Erwin Gugelmeier, sein Vertreter Ernst Kammüller-Grether und Pächter Richard Sichler. Der Bürgeln–Bund war am Ziel: er hat jetzt ein erstklassig renoviertes Gebäude, das der Bevölkerung wieder offenstand – und die Bevölkerung war stolz auf ihr Bürgeln. Aus allen Richtungen pilgerten die Schulklassen aus Baden und der Schweiz den Bürgelnberg hoch, um diesen Ort Markgräfler Geschichte zu erleben.

Mondän und extravagant

Sichler selbst lebte weiterhin in Dresden, später, nach seinem Ausscheiden bei den Lingner-Werken, in Berlin. Ab und an kam er vorbei, meist mit Gästen, die er aber vor den neugierigen Augen der Markgräfler verbarg. Doch manchmal gelang es, durch die Büsche etwas zu erspähen: wunderliche, leicht bekleidete Frauen, in neueste Mode gekleidet, mondän und extravagant; dies führte naturgemäß in der ländlichen Umgebung des Markgräflerlandes zu einer gewissen Aufmerksamkeit.

Auf Bürgeln war jetzt Museumsbetrieb. Ernst Kammüller-Grether aus Kandern löste den nach Berlin zum Präsidenten des Giroverbandes berufenen Erwin Gugelmeier ab. Die nächsten Jahre herrschte Ruhe im Verein, es fanden keine Zusammenkünfte statt.

Im November 1932 kam Reichswehrminister Kurt von Schleicher, ein alter Bekannter Sichlers aus dem Ersten Weltkrieg, nach Bürgeln. Die „Markgräfler Nachrichten“ spekulierten, was die beiden wohl besprechen könnten. Sichlers Einfluss als Wirtschaftsführer war groß, doch die Anfeindungen von NS-Seite wuchsen. Kurze Zeit später war Schleicher Reichskanzler – der letzte vor Adolf Hitler. Im Zuge des „Röhm-Putsches“, der Säuberungswelle der NSDAP, wurde er ermordet und gegen Sichler eine Untersuchung eingeleitet.

Im Exil in Basel

Dieser hatte sich schon Mitte 1933 nach Basel ins Hotel Euler begeben. Ein gemeinsamer Freund, der französische Botschafter André François-Poncet, hatte beide vorher gewarnt. Doch Schleicher blieb („ein deutscher General flüchtet nicht“). Sichler aber ging. Von Basel aus verfolgte er seinen Prozess in Freiburg: Er hatte seinem Büropartner, dem Bankier Ludolf Rosenheim, der als Jude gleichzeitig Berlin in Richtung Paris verließ, noch 15 000 Reichsmark zukommen lassen, was ihm später (zusammen mit weiteren 400 Reichsmark, mit denen seine Angestellte an der Grenze in Lörrach-Stetten aufgegriffen wurde) als Devisenvergehen ausgelegt wurde.

Kammüller war allein für Bürgeln verantwortlich, doch Sichler hatte genügend Geld hinterlassen, um Bürgeln weiterhin zu betreiben. Erst nach mehr als vier Jahren betrat er wieder deutschen Boden, nachdem er von Shanghai aus im Reichsjustizministerium in Berlin eine Amnestie ausgehandelt hatte. Dort war er mit dem Einrichten einer der größten Bierbrauereien Chinas beschäftigt gewesen, der „Union Brewery“; auch vermittelte er der Reichswehr Stoffe für deren Uniformen und Ausrüstung – einen Weltkrieg sah er nicht voraus.

Nach seiner Rückkehr bemerkte er schnell, dass der Vorsitzende des Bürgeln–Bundes, Ernst Kammüller, ohne großen Rückhalt war. Die Führungsriege des Vereins um ihn herum war jetzt unter nationalsozialistischem Einfluss. Noch konnte dieser die langsam entstehenden Begehrlichkeiten der NSDAP abwenden. Aber einige Mitglieder überlegten bereits, wie man die grundbuchmäßigen Rechte Sichlers beschneiden und das Schloss unter Partieregie bringen könnte.

Bisher sind erschienen:

Teil 1 – Die Gründung des „Bürgeln-Bundes“ (Donnerstag, 18. Juni)

Teil 2 – Die Rettung Bürgelns (25. Juni)

Teil 3 – Die Restaurierung Bürgelns (29. Juni)

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