Schliengen Neue Kita auf der Kippe

Claudia Bötsch
Im Mannhardt-Anwesen an der Eisenbahnstraße sollten zwei Krippengruppen und eine Kindergartengruppe für insgesamt 45 Kinder entstehen. Die Planung wurde bereits vorgestellt, der Bauantrag einstimmig beschlossen. Aktuell sieht es aber nicht danach aus, dass das Projekt tatsächlich realisiert wird. Foto:  

Der Bauantrag ist längst durch. Inzwischen ist jedoch mehr als fraglich, ob aus dem Mannhardt-Anwesen an der Eisenbahnstraße tatsächlich eine Kita wird. Die Verwaltung denkt bereits über andere Nutzungen nach.

Die Gemeinde hatte das Anwesen Eisenbahnstraße 49 im Jahr 2023 erworben, um das Haus als Kinderbetreuungseinrichtung auszubauen. Nun die plötzliche Kehrtwende: Es bestehen laut Verwaltung Zweifel, ob der aktuelle Bedarf die zusätzliche Einrichtung, die zuletzt mit 2,6 Millionen Euro veranschlagt wurde, überhaupt noch rechtfertigt. Das Thema stand bereits auf der Agenda des Gemeinderats. Laut Beschlussvorlage sollte der Umbau zunächst auf Eis gelegt und die Verwaltung beauftragt werden, Zwischenvermietungs- oder andere Verwertungsmöglichkeiten für das Anwesen zu entwickeln. Der Tagesordnungspunkt wurde jedoch kurzfristig von der Agenda genommen, nachdem verschiedene Räte interveniert hatten. Der Wunsch war, das Thema noch einmal zu beraten.

Erst einmal Ausschuss

Jetzt soll das weitere Vorgehen erst einmal im Ausschuss für Kinder, Jugend und Soziales thematisiert werden. Der Termin steht indes noch nicht fest. „Wir hoffen, dass die Sitzung noch im Dezember stattfinden kann“, so Bürgermeister Christian Renkert im Gespräch mit unserer Zeitung. Dem Ausschuss gehören neben Verwaltung und Bürgermeister Kita-Leitung, Elternbeirat und die entsprechenden Mandatsträger aus dem Gemeinderat an. Der Ausschuss ist nur beratend, eine Entscheidung fällt der Gemeinderat unabhängig davon.

„Wir haben das Anwesen gekauft, um die Betreuungssituation zu optimieren“, sagt Renkert. Die Zahlen hätten sich dann aber anders entwickelt als angenommen, der Bedarf sei zwischenzeitlich zurückgegangen. Nun wolle man Zahlen und Bedarf noch einmal genau eruieren.

Mehr Kinder zuhause

Dass die neue Kita jetzt auf der Kippe steht, begründet Renkert vor allem auch mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage. „Wenn es konjunkturell besser läuft, wird auch mehr Betreuung in Anspruch genommen. Bricht die Wirtschaft ein, wird mehr privat betreut, beispielsweise über Oma und Opa.“ Inflation und konjunkturelle Einbrüche hinterließen damit auch im Betreuungssektor ihre Spuren. „Es gibt bereits Familien, die sich nur noch die Grundbetreuung leisten können und die Stunden schon reduziert haben“, weiß Renkert zu berichten. Bereits die Gebührenerhöhung zum Januar 2024 habe dafür gesorgt, dass im Krippenbereich einige Eltern ihre Anmeldung wieder zurückgezogen haben.

Darüber hinaus verweist er auf freie Plätze im Waldkindergarten Liel. Als Alternative wird auch die Kindertagespflege genannt. Zudem will die Gemeinde in bestehenden Einrichtungen nach Erweiterungsmöglichkeiten für Kleingruppen suchen.

Kinder würden zunehmend wieder zuhause betreut, „da die Betreuungskosten stetig steigen“, hält der Bürgermeister fest. Angesichts dessen über eine Senkung der Gebühren nachzudenken, steht laut Renkert aber nicht zur Debatte. „Wir sind voll im Korridor. Wir müssen eine gewisse Refinanzierung haben.“

Nicht nachvollziehbar

Unverständnis über die erneute Kehrtwende in Sachen Mannhardt-Haus herrscht beim Elternbeirat. „Uns fehlen vor allem Infos und Zahlen, wie es zu der Entscheidung gekommen ist, nun doch keine neue Kita einrichten zu wollen“, macht Martin Rohleder deutlich. Der stellvertretende Gesamtelternbeirat fordert vor allem auch mehr Transparenz. „Seit mehreren Jahren ist die Gemeinde dran, eine neue Betreuungseinrichtung zu planen. Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum auf einmal der Bedarf nicht mehr da sein soll und das Projekt auf kurzem Wege einfach über Bord geworfen werden soll.“ Es handele sich um eine weitreichende Entscheidung, die man nicht leichtfertig treffen dürfe. Vielmehr sei es wichtig, in die Zukunft zu planen. „Ich sehe den Bedarf nach wie vor“, verweist Rohleder auf das Baugebiet „Wasengärtle“, mit dem viele neue Familien in die Winzergemeinde kamen. Inzwischen ist das größte Baugebiet in der Geschichte Schliengens, das Platz für rund 400 Menschen bietet, vollständig bewohnt.

Die jetzige Überbelegung der Kindergartengruppen sieht er sehr kritisch, das gehe auf Kosten der Erzieher und Kinder und sei keine Dauerlösung. „So kann man nicht plansicher in die Zukunft gehen.“ Der Waldkindergarten sei schön und gut. Die Praxis habe aber gezeigt, dass kaum jemand dort sein Kind betreuen lassen wolle. Für ihn stelle sich daher eher die Frage: Macht dieses Angebot weiter Sinn?

Lange Geschichte

Sollten Verwaltung und Gemeinderat die neue Kita im Mannhardt-Haus tatsächlich ad acta legen, wäre es nicht das erste Kita-Projekt, das in der Planungsphase auf der Strecke bleibt. Denn Schliengen ist schon seit mehreren Jahren mit dem Betreuungsausbau beschäftigt. Geplant war bereits der Neubau einer Kindertagesstätte für sechs Gruppen auf dem Gelände der ehemaligen Tennisplätze. Der Gemeinderat hatte dem Projekt Anfang 2022 zugestimmt. Angesichts der Kosten von rund 4,5 Millionen Euro hatte sich die Verwaltung dann aber nach Alternativen umgeschaut und war schließlich beim Umbau des Mannhardt-Hauses gelandet. Die Gemeinde hatte das Anwesen des verstorbenen Architekten und Ehrenbürgers 2023 gekauft, zu einer Hochpreisphase.

In die Architektenleistungen für den Kita-Neubau Sportplatz und das Mannhardt-Haus als Variantenplanung sind insgesamt 124 000 Euro geflossen, teilt Renkert auf Nachfrage mit. Im April hatte der Bauausschuss des Schliengener Gemeinderats dem Bauantrag der Gemeinde für die Sanierung und den Umbau des Mannhardt-Anwesens an der Eisenbahnstraße einstimmig zugestimmt. Die Eröffnung war für das neue Kindergartenjahr 2025/26 geplant. Seitdem war es ruhig um das Projekt geworden. „Für uns als Gemeinde gibt es auch viele Unsicherheiten“, wirbt Renkert um Verständnis. Damit könne auch kein Planer richtig umgehen.

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