Schönau Modellregion mit Leben erfüllen

Markgräfler Tagblatt
Walter Kemkes leitet die Geschäftsstelle des Biosphärengebiets in Schönau. Foto: zVg Foto: Markgräfler Tagblatt

Interview: Das Biosphärengebiet Schwarzwald erhielt vor einem Jahr die internationale Unesco-Anerkennung

Vor genau einem Jahr, am 14. Juni 2017, hat die Unesco das Biosphärengebiet Schwarzwald als Biosphärenreservat international anerkannt. Anlässlich des Jahrestags hat sich unser Redakteur Peter Schwendele mit Walter Kemkes, dem Leiter der Geschäftsstelle des Biosphärengebiets in Schönau, unterhalten.

Frage: Ein Jahr ist die Unesco-Anerkennung des Biosphärengebiets Schwarzwald als Biosphärenreservat jetzt her. Sicher haben Sie und Ihre Mitarbeiter sich in der Zwischenzeit nicht auf der Auszeichnung ausgeruht, sondern weiter an der Ausgestaltung des etwas sperrigen Begriffs gearbeitet. Was waren die Schwerpunkte im vergangenen Jahr?

Ausgeruht haben wir uns sicherlich nicht, im Gegenteil, wir hatten jede Menge Arbeit. Es geht darum, den Auftrag der Unesco zur Gestaltung des Südschwarzwalds als Modellregion für nachhaltige Entwicklung mit Leben zu erfüllen. Gemeinsam mit Akteuren vor Ort haben wir im Rahmen unseres Förderprogramms bereits zahlreiche Projekte gestartet, die Landwirtschaft, Naturschutz, Regionalentwicklung, Tourismus, Bildung und Kultur im Biosphärengebiet stärken. Insgesamt sind bisher schon rund 750 000 Euro an Fördermitteln in die Region geflossen. Weitere Schwerpunkte waren die Gründung einer Junior Ranger-Gruppe und der Auftakt zur Erstellung eines Vermarktungskonzepts für das vom Aussterben bedrohte Hinterwälderrind. Um das Biosphärengebiet innerhalb und außerhalb der Gebietskulisse bekannt zu machen, haben wir die Wanderausstellung „Zukunft mit Tradition“ auf den Weg gebracht, eine Broschüre und Flyer aufgelegt und unsere Homepage gestartet. Zur Bürgerbeteiligung im Biosphärengebiet haben wir fünf Beteiligungssäulen ins Leben gerufen. Bei diesen Veranstaltungen können die Menschen vor Ort ihre Ideen einbringen.

Frage: Spätestens drei Jahre nach der Anerkennung als Biosphärenreservat muss ein Rahmenkonzept stehen. Wie weit sind Sie mit dessen Erstellung?

Mit dem Rahmenkonzept werden wir gemeinsam mit den Akteuren der Region eine Strategie zur Entwicklung des Biosphärengebiets aufstellen. Dazu wird aktuell eine Steuerungsgruppe eingerichtet, in der neben dem Umweltministerium Landkreise, Gemeinden und Verbände vertreten sind. Im Herbst soll dann ein Workshop zum Start des Rahmenkonzepts stattfinden, der Schwerpunkte und Visionen entwickeln soll. Parallel dazu erfolgt in diesem Jahr die Analyse der Ausgangssituation im Biosphärengebiet.

Frage: Derzeit läuft eine Umfrage unter 3000 zufällig ausgewählten Haushalten im Südschwarzwald zum Biosphärengebiet. Was erwarten Sie sich von dieser Aktion?

Die Befragung ist Teil einer internationalen Studie zur Akzeptanz von Biosphärengebieten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die von der ETH Zürich durchgeführt wird. Wir sind das jüngste Biosphärengebiet, das daran teilnimmt. Ziel ist es, herauszufinden, inwieweit das Biosphärengebiet bereits in der Bevölkerung bekannt ist, was die Menschen davon halten, welche Erwartungen sie damit verbinden und ob sie bereit sind, sich einzubringen. Beteiligung wird bei uns groß geschrieben, denn das Biosphärengebiet kann nur zum Erfolg werden, wenn es von den Menschen vor Ort getragen wird. Die Ergebnisse sollen auch in das Rahmenkonzept einfließen. Wir haben bereits rund 400 Teilnehmer und freuen uns über weitere Rückmeldungen bis zum 20. Juni.

Frage: Schilder, die auf das Biosphärengebiet Schwarzwald hinweisen, gibt es bisher noch nicht. Wie ist hier der Stand der Dinge?

An allen wichtigen Straßen, die ins Biosphärengebiet führen, sollen Begrüßungsschilder aufgestellt werden, damit Besucher, aber auch Einheimische auf das Schutzgebiet hingewiesen werden und erfahren, wo es genau beginnt. Grundlage für dieses Vorhaben ist das Bundesnaturschutzgesetz, nach dem Außengrenzen von Großschutzgebieten gekennzeichnet werden müssen. Derzeit läuft die Vorbereitung zur Aufstellung der Schilder. Dieser Prozess ist ziemlich aufwändig, da bei der Auswahl und Genehmigung der Standorte verschiedene Landkreise und Behörden beteiligt sind.

Frage: Stichwort Bauprojekte: Die Geschäftsstelle des Biosphärengebiets in Schönau ist nur übergangsweise im Ortsteil Brand eingerichtet und soll mittelfristig in die Innenstadt umziehen. In Todtnau ist ein Besucherzentrum geplant. Was können sie zum aktuellen Stand und zu den Aussichten der beiden Projekte sagen?

Unsere Geschäftsstelle soll in einem Neubau im Zentrum der Stadt Schönau unterkommen, wo zukünftig auch die Tourist-Information angesiedelt wird. Die Planung dieses Gebäudes ist angelaufen. Für das Besucherzentrum in Todtnau hat das Land bereits das Grundstück erworben. Mit dem Amt für Vermögen und Bau haben Vorgespräche stattgefunden. Bevor die bauliche Planung in Angriff genommen wird, soll ein inhaltliches Konzept erarbeitet werden.

Frage: Sehr kontrovers diskutiert wird derzeit in der Region das Thema Windenergie. Während Befürworter meinen, auch die hiesige Gegend müsse ihren Beitrag zur Energiewende leisten, sagen Kritiker, dass den Schwarzwaldhöhen mit ihrem unverwechselbaren und wertvollen Landschaftsbild keine weiteren Windräder mehr zuzumuten sind. Besonders heftig wird um das Windenergieprojekt auf dem Zeller Blauen gerungen. Passen Windräder in ein Biosphärengebiet? Welchen Standpunkt vertreten Sie in dieser Debatte?

Ich möchte vorausschicken, dass die Geschäftsstelle des Biosphärengebiets Schwarzwald weder Träger öffentlicher Belange noch hoheitlich tätig ist. Deshalb sind wir in das laufende Verfahren am Zeller Blauen nicht unmittelbar eingebunden.

Grundsätzlich kann man sagen, dass Windkraftanlagen in Biosphärengebieten unter bestimmten Bedingungen durchaus möglich sind. Die Unesco hat Biosphärenreservate weltweit dazu aufgefordert, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Das deutsche MAB-Nationalkomitee hat im Jahr 2012 ein Positionspapier zur Nutzung von Windkraft und Biomasse in Biosphärenreservaten herausgegeben. Demnach sind Kern- und Pflegezonen der Biosphärenreservate vollständig von der Windenergienutzung freizuhalten. In Entwicklungszonen sind Windkraftanlagen bei der Einhaltung hoher Standards möglich.

Die Fläche am Zeller Blauen liegt in der Entwicklungszone des Biosphärengebiets Schwarzwald. Bei der Ausweisung der Zonen wurde berücksichtigt, welche Flächen möglicherweise windhöffig sein könnten. Diese wurden, wenn keine anderen Gründe dagegen sprachen, der Entwicklungszone zugeordnet. In diesem Sinne wird die Geschäftsstelle den weiteren Verlauf des Verfahrens aufmerksam verfolgen.

Frage: Wenn Sie vorausblicken: Wie sieht das Biosphärengebiet in zehn Jahren aus? Was wird es bis dahin für Einheimische wie für Touristen geleistet haben?

In zehn Jahren soll der Südschwarzwald über die Landesgrenzen hinweg bekannt und attraktiv sein als Region mit einer einzigartigen Kulturlandschaft und Menschen, die umweltfreundlich und nachhaltig wirtschaften. Das Biosphärengebiet Schwarzwald soll sich zu einer lebendigen Region entwickeln, in der das Zusammenspiel von Mensch und Natur vorbildlich funktioniert.

Die Menschen vor Ort sollen sich mit ihrem Biosphärengebiet identifizieren und ihre Ideen in von uns geförderten Projekten umsetzen können. Landwirte sollen als Landschaftspfleger wertgeschätzt werden und ein entsprechendes Auskommen haben.

Touristen mit Sinn für Natur und regionale Produkte sollen spannende Angebote vorfinden. Junge Menschen sollen in den nachhaltig produzierenden Betrieben vor Ort Arbeitsplätze finden. Tradition und Innovation sollen Hand in Hand gehen.

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