Schopfheim „Aufstehen für unsere Demokratie“

Werner Müller

Corona: Mehr als 600 Teilnehmer bei der Kundgebung latz /Störversuche von „Spaziergängern“

Schopfheim  - Die (bislang stumme) Mehrheit bricht ihr Schweigen: Mehr als 600 Menschen legten bei der Corona-Kundgebung am Montagabend ein Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie ab, das nicht zu überhören – und auch von rund 200 so genannten „Spaziergängern“ aus der Querdenker-Szene nicht zu übertönen war.

Farbbänder sollen im Gedränge für Abstand sorgen

Binnen weniger Minuten vor dem offiziellen Beginn füllte sich der vom THW ausgeleuchtete Marktplatz mit Menschen aller Altersgruppen. Einige trugen selbstgemalte Plakate mit Aufschriften wie: „Mehr Demokratie statt Hetze“, „Querdenken nein danke“.

„Völlig überrascht“ vom Andrang zeigte sich denn auch der SPD-Landtagsabgeordnete Jonas Hoffmann, der die Aktion gemeinsam mit Grünen, Freien Wählern, CDU und SPD aus Schopfheim initiiert hatte. Er rief die Teilnehmer zur Einhaltung der Maskenpflicht auf und empfahl, die zum Abstandhalten ausgeteilten farbigen Gummibänder zu verwenden.

Hoffmann begrüßte unter den Gästen auch die Bundestagsabgeordneten Gerhard Zickenheiner (Grüne) und Diana Stöcker (CDU), den Grünen-Landtagsabgeordnete Josha Frey sowie Bürgermeister Dirk Harscher und etliche seiner Kollegen aus den Nachbargemeinden. Die Kundgebungsteilnehmer quittierten diese „große Geste“ (Hoffmann) mit Beifall.

Martina Hinrichs von der hiesigen SPD betonte, von dieser Kundgebung gehe die „klare Botschaft aus, dass wir in einer guten und funktionierenden Demokratie leben“. Sascha Schneider, Vorsitzender der CDU-Stadtverbands, begrüßte das „parteiübergreifende Zusammen-stehen“ und den „gemeinsamen demokratischen Grundkonsens“.

Ansprachen von Vertretern der Parteien

„Fakten zählen, nicht Fantasie“, betonte Michael Straub von den Grünen. Für Corona seien die Fakten „klar und wissenschaftlich“ nachgewiesen, unstrittig sei auch, dass Impfung den besten Schutz biete. In einer Demokratie seien mehrheitlich gefasste Beschlüsse zu akzeptieren. Wer dies nicht wolle, müsse schauen, „mit wem er spazieren geht“, so Straub.

Jonathan Flohr (Freie Wähler) rief dazu auf, die Möglichkeiten der politischen Teilhabe zu nutzen.

„Wenn diese Kundgebung kein Zeichen für eine lebendige Demokratie ist, dann weiß ich es auch nicht mehr“, beglückwünschte Josha Frey die Organisatoren der Kundgebung.

„Wir dürfen nicht schweigen, sondern müssen aufstehen für unsere Demokratie“, rief Diana Stöcker unter starkem Beifall. Übergeordnetes Ziel aller Corona-Maßnahmen sei, Leben zu retten. „Wie können manche Gruppen dieses Ziel in Frage stellen?“, kritisierte sie die Querdenker-Szene und drehte den Spieß um: „In diesem Zusammenhang von Corona-Diktatur zu sprechen, ist in Wahrheit ein Angriff auf unsere Demokratie“.

Doch nicht nur Politiker ergriffen in der Kundgebung das Wort. Heidrun McKenzie zum Beispiel trat ans Mikrofon und sagte, ihre Tante sei mit 13 Jahren an Kinderlähmung gestorben, weil es damals noch kein Mittel gegen die Krankheit gab. „Impfstoffe sind ein Segen für die Menschheit“, betonte sie. Sie habe keine Verständnis für Leute, die die Schutzmaßnahmen des Staates als Diktatur verteufeln, so Heidrun McKenzie.

Eine Lanze für die durchaus belastenden und tief greifenden Corona-Regelungen brach auch Sonja Steiger vom Diakonischen Werk. „Sie sollen unser Leben bewahren und uns vor Krankheit schützen“, erklärte sie und hatte keine Zweifel, dass dies im Rahmen einer „lebendige Demokratie und einem funktionierenden Rechtsstaat“ geschehe.

„Wir können uns glücklich schätzen, dass es Impfstoffe gibt“, meinte Sabine Schmelzer von „Schopfheim hilft“, ehe die Kundgebung mit einem „Lichtermeer“ und einer Schweigeminute ausklang.

Zaungäste der rund einstündigen Veranstaltung auf dem Marktplatz waren etwa 200 bis 250 ausnahmslos unmaskierte Personen, die sich auf der Hauptstraße versammelt hatten und versuchten, mit lautstarken Zwischenrufen die Kundgebung zu stören. Sie marschierten anschließend durch die Innenstadt, ehe die Polizei dem ungenehmigten Treiben mit Platzverweisen ein Ende setzte (siehe gesonderten Artikel).

Zahlreiche Menschen auch jenseits der offiziellen Demo

Die Teilnehmer der überparteilichen Corona-Kundgebung und die „Spaziergänger“ aus der Querdenker-Szene kamen sich am Montagabend nicht in die Quere.

Die Lager waren erkennbar geteilt: Die Spaziergänger tummelten sich – fast ausnahmslos ohne Maske – auf der Hauptstraße und fielen lediglich durch ein paar gelegentliche Zwischenrufe auf. Auf dem Marktplatz wiederum waren die Befürworter der Corona-Politik unter sich – von Querdenkern, die sich angeblich ja unter die Kundgebung mischen wollten, war – auf den ersten Blick jedenfalls – nichts zu sehen.

Marsch durch die Innenstadt und Fahrnau

Während der einstündigen Veranstaltung registrierte die Polizei denn auch keine Zwischenfälle. Nach der Auflösung der Kundgebung allerdings mussten die Ordnungshüter doch einschreiten. Beim Marsch der Spaziergänger durch die Innenstadt herrschte – anders als an den vorausgegangenen Montagen – eine „passiv-aggressive Stimmung“, wie Polizeisprecher Thomas Batzel erklärt.

Der Aufforderung, die unangemeldete Versammlung gemäß der Allgemeinverfügung des Landratsamts aufzulösen, habe sich ein „harter Kern“ widersetzt. Als die Beamten die Personalien feststellen wollten, sei es zu einer „Rangelei“ gekommen, so Batzel. Daraufhin habe die Polizei zwei Platzverweise und Anzeigen ausgesprochen.

Auch in Fahrnau gingen nach Polizeiangaben um die fragliche Zeit etwa 200 Personen von St. Agathe aus in Richtung Innenstadt auf die Straßen. Als die Ordnungshüter per Durchsage die Spaziergänger aufforderten, die ungenehmigte Versammlung zu verlassen, hätten sich diese einzeln wieder auf den Heimweg gemacht, so Thomas Batzel.

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