Schopfheim Aus für Würth Elektonik – und 300 Jobs

Anja Bertsch
Die Leiterplattenproduktion von Würth Elektronik in Gündenhausen gehört bald der Vergangenheit an. Foto: zVg/Würth Elektronik

Der Leiterplattenhersteller Würth Elektronik schließt seinen Schopfheimer Standort. Über 300 Mitarbeiter sind betroffen. Bürgermeister Dirk Harscher spricht von einem „schwarzen Montag für Schopfheim.“

Über die anstehende Schließung der Leiterplattenproduktion in Schopfheim informierte der Leiterplattenhersteller „Würth Elektronik Circuit Board Technology“ mit Hauptsitz im baden-württembergischen Niedernhall am Montagnachmittag im Anschluss an eine Betriebsversammlung in einer Pressemitteilung. Aufträge werden demnach künftig an anderen Standorten in Deutschland gefertigt. In Schopfheim selbst fallen 300 Arbeitsplätze weg – Würth war in der Markgrafenstadt bislang einer der größten Arbeitgeber.

„Dramatischer Einbruch im Auftragseingang“

Ausschlaggebend für den Schritt sei die „aktuell schwerste Krise in der Geschichte der Leiterplattenindustrie in Europa, mit einem dramatischen Einbruch im Auftragseingang“, so das Unternehmen in einer ersten Stellungnahme. „Wir sehen leider aktuell keine Alternative zur Einstellung der Produktion in Schopfheim“, wird Daniel Klein, Geschäftsführer von Würth Elektronik Circuit Board Technology zitiert. Die Maßnahme sei notwendig, um Verluste zu minimieren und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. „In unserem Serien- und Standardleiterplattenwerk in Schopfheim ist der Kostendruck am höchsten.“ Die vom Unternehmen veröffentlichte Pressemitteilung trägt den Titel „Standort-Konsolidierung bei Würth “.

Sozialplan: Noch keine Ergebnisse

Die Geschäftsleitung und der Betriebsrat haben am 4. Oktober Gespräche über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufgenommen, um die notwendige Entscheidung durch sozialverträgliche Lösungen abzufedern und die Kolleginnen und Kollegen zu begleiten. Weitere Termine wurden vereinbart. Konkrete Ergebnisse gibt es bisher noch nicht“, wird Würth Elektronik-Geschäftsführer Andreas Gimmer in der Mitteilung zitiert.

„Wirtschaftskrise hat historische Ausmaße“

Würth Elektronik zählt zu den größten Leiterplattenherstellern Europas. Indes: „Die Wirtschaftskrise hat historische Ausmaße, insbesondere in der unter erheblichem Kostendruck stehenden Industrie-Elektronik“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Seit vielen Jahren gehe die Anzahl der Leiterplattenhersteller in Europa einschneidend zurück. Das Produktionsvolumen in Europa sein unter die Marke von zwei Prozent der Weltproduktion gefallen.

Aufträge wandern nach China ab

Aufträge wanderten insbesondere nach China und in andere Niedriglohnländer ab. Erschwert werde die Situation durch massive Steigerungen der Energie- und Personalkosten sowie die unsichere geopolitische und wirtschaftliche Lage weltweit.

Dagegen stehe, dass viele Kunden momentan nicht in der Lage seien, für die Liefersicherheit, die deutsche Werke im Vergleich zu asiatischen Produktionen bieten, entsprechend höhere Preise zu bezahlen. Die Bedarfe aus anderen Industrien, die stark auf eine regionale Wertschöpfung setzen, seien zu gering, um die Kapazitäten aller Leiterplattenfertigungen der Würth Elektronik Circuit Board Technology dauerhaft voll auszulasten. Dazu zählten beispielsweise Medizin, Luft- und Raumfahrt.

„Schwarzer Tag für Schopfheim“

Bürgermeister Dirk Harscher zeigt sich schwer betroffen von der Nachricht, die ihn selbst erst am Montag erreicht habe: „Das ist ein schwarzer Montag für Schopfheim“, so Harscher auf Nachfrage unserer Zeitung. Dass am hiesigen Standort aufgrund der schwierigen Lage Veränderungen anstehen, habe er im Gespräch mit dem Würth-Geschäftsführer in der vergangenen Woche bereits erfahren, und auch, dass am heutigen Montag eine Betriebsversammlung ansteht, erläutert Harscher. Dass das Werk jedoch komplett geschlossen werden soll, sei ihm nicht bekannt gewesen – „das hat mich geschockt“. Der Rückzug des Unternehmens aus der Markgrafenstadt sei „dramatisch“, sagt Harscher – und hat dabei die über 300 betroffenen Arbeitnehmer und ihre Familien ebenso im Blick wie die Stadt als Wirtschaftsstandort insgesamt, die mit Würth ein Unternehmen von Weltruf verliere.

„Versäumnisse im großen Stil“

Mit derlei Werksschließung schlage sich vor Ort die miserable wirtschaftliche Gesamtsituation nieder, setzt Harscher die Schließung in einen größeren Kontext: Verantwortlich seien Versäumnisse der Politik im großen Stil über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Darunter litten nun vor allem die mittelständische Unternehmen auf breiter Front.

Drittes großes Unternehmen zieht ab

Mit Würth Elektronik kehrt in der jüngeren Zeit bereits das dritte große Unternehmen Schopfheim den Rücken: Anfang 2023 hatte die Magnetic Autocontrol GmbH bekanntgegeben, seinen Standort nach Lörrach zu verlegen. Und im September hatte das Schopfheimer Traditionsunternehmen Faller Packaging angekündigt, sein Werk mitsamt 120 Jobs von Schopfheim nach Lörrach zu verlagern.

Im Fall von Würth Electronic indes handelt es sich nicht um eine Standort-Verlagerung, sondern um eine komplette Werksschließung. Das Unternehmen selbst spricht im Wirtschaftsjargon denn auch von einer „Verdichtung der Fertigungsstandorte“. Diese ermögliche eine stabile Auslastung der Kapazität der anderen beiden Werke in Deutschland (Niedernhall, Rot am See) und die Ausrichtung auf eine wirtschaftlich gesunde Zukunft der Würth Elektronik Circuit Board Technology. „Mit 700 Mitarbeitenden bleibt Würth Elektronik der Technologieexperte für die Zukunft“, lässt Würth Elektronik Circuit Board Technology-Geschäftsführer Thomas Beck abschließend wissen – künftig allerdings ohne Schopfheim.

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