Schopfheim „Die Geschichte ist voller Parallelen“

Gerald Nill

Stadt: Ausgrabung, Hanf-Union, Stolpersteine: Das 37. Jahrbuch der Stadt wurde im Museum präsentiert

Ein Jahrbuch ist nicht nur eine Zusammenstellung der jüngeren Geschichte Schopfheims, sondern ein komplexer Rückblick in die Vergangenheit. Eine Vergangenheit, aus der man lernen kann. Das wurde deutlich bei der Präsentation der 37. Auflage des Jahrbuches mit zahlreichen Autoren, dem Herausgeber, einem Gastreferenten und dem Bürgermeister, der das Vorwort dazu geschrieben hat.

Von Gerald Nill

Schopfheim. Dirk Harscher drückte im Museum seine „große Freude“ aus, dass es nach zwei pandemischen Jahren wieder eine richtige Präsentation geben konnte. Er dankte dem „Vater der Jahrbücher“, Klaus Strütt, für seine Leistung. Harscher bekannte, alle 37 Ausgaben in seinem Buchregal stehen zu haben: „Das sind 70 Zentimeter.“ Ebenfalls dankte der Bürgermeister den Mitautoren, die ein Nachschlagewerk mit über 300 Seiten erst möglich machten. Die Ermutigung, Strütt möge die Reihe der Jahrbücher noch lange fortsetzen, quittierte der Angesprochene später mit der Bemerkung, der Stadtrat habe das Projekt nur für ein weiteres Jahr bewilligt.

Den Auftakt im Museum durfte Klaus Schubring gestalten, Historiker, Archäologe und Hebel-Plakettenträger. Sein Thema „Auf der Suche nach der südlichen Altstadt“ fußt im Fund einer 1,75 Meter breiten Stadtmauer aus dem Jahr 1250 beim Erweiterungsbau des Kindergartens im vergangenen Herbst.

„Nicht immer findet man Gold“, verglich Schubring seine Ausgrabungstätigkeiten mit denen vom Grab der Pharaonen oder Schliemanns Funden in Troja. Aber „wenn man gut vorangeht, können diese Funde auch Gold wert sein“, meinte er. Sein Seitenhieb gegen die Stadt, diese habe nach der Kartografierung und Fotografie „alles zerschlagen lassen“, wurde später dementiert. Vielmehr sei ein Teil der Stadtmauer bei den Arbeiten erhalten worden. In einem Kapitel befasst sich Schubring auch mit einem angeblichen Gespenst in einem heruntergekommenen Altstadthaus, in das der Burgvogt im Jahr 1759 einen neuen Diakon einquartiert habe, um das Gerücht zu zerstreuen.

Corona-Zahl vermisst

Einer der Latein-Schüler des neuen Diakons sei kein Geringerer als Johann Peter Hebel gewesen, der „ein Lausbub“ gewesen sein soll, dem man die Flausen mit Schlägen auszutreiben versuchte. So schlecht habe die Lateinschule in Schopfheim nicht gewesen sein können, wie Hebels exzellente Rede auf Latein in Karlsruhe gezeigt habe, meinte Schubring.

Bei der eigentlichen Vorstellung des Jahrbuches ging Klaus Strütt auf sein eigenes Vorwort ein. Sein Brecht-Zitat „Dumm ist, wer sorglos“ ist, habe er auf die Pandemie gemünzt, aber der Krieg in der Ukraine belege schmerzlich die Gültigkeit des Satzes. Krisen habe es gleichwohl immer gegeben. Strütt zitierte gleich zweimal das Markgräfler Tagblatt mit Berichten, die genau 100 Jahre alt sind. So wurde 1921 nicht nur das Silvester-Feuerwerk behördlich verboten, sondern auch das fasnächtliche Treiben. Auch die verheerende Spanische Grippe dürfe nicht vergessen werden - mit Millionen Toten und ohne Impfstoff. Fazit: Die Geschichte ist voller Parallelen.

Strütt referierte aus dem Harscher-Vorwort die Sanierung des Schulcampus und den Verkauf der Uehlin-Häuser, vermisste aber die Zahl der Corona-Opfer in Schopfheim. Dass diese Angabe fehlt, wundert den Chronisten.

Über 100 Jahre alt ist die Geschichte der Hanf-Union. Co-Autor Reinhard Valenta blickte zurück auf den „Standort-Poker“ bei der Ansiedlung des Unternehmens, bei dem Wehr letztlich das Nachsehen hatte. Um die Investoren zu ködern, sei es um Geld und Grundstücke gegangen, um Strom und einen Eisenbahnanschluss.

Die langjährige Museumsleiterin Ulla K. Schmid blickt in ihrem Beitrag fürs Jahrbuch genau 150 Jahre zurück. Sie ging der Frage nach, welche Bedeutung die Kaiser-Krönung von Wilhelm I. hatte. Fazit: Keine.

Der neue Archivar des Museums, Johann Löwen, recherchierte die Leistungen des Bürgermeisters Franz Heeg, der sich von 1909 bis 1931 immerhin 22 Jahre lang - erfolgreich- um die Belange der Stadt im mittleren Wiesental gekümmert hatte. Wasser und Wärme, Wohnungsbau und Krankenhaus seien seine Themen gewesen, die auch heute noch aktuell seien.

Seitenhieb für die Stadt

Strütt gab der Stadt einen Seitenhieb mit, dass kein Straßenname an diesen erfolgreichen Gestalter erinnere.

Schließlich kamen noch die „Stolpersteine“ zu Ehren, denen Andrea Menne und Ingeborg Teipel als Autorinnen im Jahrbuch nachgingen. Strütt brachte es auf den Punkt: Deportationen jüdischer Bürger blieben nicht im Verborgenen, auch wenn dies später behauptet wurde. Eine „Säule der Hoffnung“, die am Boule-Platz zur Erinnerung an die Opfer der Nazi-Zeit stehe, sei „in einem verheerenden Zustand“, machte Strütt einen letzten Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Stadt. „Der Anblick tut weh.“ Diesmal zückte Harscher Stift und Block und machte sich eine Notiz.

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