Schopfheim „Die toten Rosen meiner Jugend fallen sehen“

Markgräfler Tagblatt
Die Tango-Experten Almut Wellmann und Miguel Chimienti bestritten einen aufschlussreichen Abend zum Inhalt von Tangoversen. Foto: Ines Bode Foto: Markgräfler Tagblatt

Tango: Die Texte zum Tanz sind poetisch und auch voll von Sozialkritik der Migranten in Argentinien

Der musikalische Aspekt drängt sich beim Tango klar in den Vordergrund: Meist sind Gesangsstimme und Instrumente – allen voran das Bandoneon – so charismatisch, dass der Text auf der Strecke bleibt. Umso überraschender gestaltete sich daher der lyrische Abend „Tango & Poesie“.

Schopfheim (ib). Als Gastgeber fungierte der Verein „Tango Schopfheim“, dessen Mitglieder sich um ständig neue Ideen bemühen. Da traf es sich, dass man mit Almut Wellmann und Miguel Chimienti, wohnhaft in Sulzburg, die passenden Experten fand. Gar eine Reihe ist geplant, sofern die Tango-Fans Interesse zeigen. Dafür spricht, dass es Ende Oktober eine bereits nahezu ausverkaufte Fortsetzung von „Tango & Poesie“ gebe, wie Silvia Jäggle und Alfred Metzenroth vom Vorstand mitteilten.

Schon am Auftaktabend waren alle Plätze im Vereinsraum besetzt. Geboten waren lehrreiche Kenntnisse, Gesang und Musik. Almut Wellmann tanzt Tango und spielt im „Ensembles El Piropo“ in Barcelona, wurde folglich mit echtem Wissensschatz vorstellig. Das Mutterland des Tangos sei bekanntlich Argentinien, das um 1870 / 80 eine Einwandererwelle erlebte, deren Heimattänze wiederum den neuen Stil namens Tango prägten.

Als typisch kristallisierte sich der scharfe Zweivierteltakt heraus, zum Tonkurier wurde das unbekannte Bandoneon. Almut Wellmann, eine wahre Meisterin, entlockte „ihrem“ Instrument eine schier verblüffende Klangvielfalt. Und die Verse sollten es mit dem Rhythmus bezüglich Anspruchs aufnehmen.

Namhafte argentinische Texter (eigentlich Allroundkünstler) sprachen den Einwanderern aus den Herzen, zeichneten ein Bild dieser Schicht. „Hoffnung“ lautete ein Schlagwort der frühen Tangotexte, so Wellmann, die Inhalte als Skizze des Zuwanderer-Milieus wertet. „Sozialkritik und Ironie flossen ein.“

Später rückten die Migranten der Vororte näher ans Zentrum, siedelten nach Buenos Aires um, was die Themen veränderte. Jetzt ging es oft um Liebesfreud und -leid. Wellmann äußerte sich zu zwei Epochen und stellte zwei Verfasser vor: Enrique Santos Discépolo und Enrique Cadícamo. Beide verstanden es, Sensibilität und Worte in hohe Poesie münden zu lassen.

Cadicamo schrieb: „In meiner traurigen Einsamkeit werde ich die toten Rosen meiner Jugend fallen sehen“. In seinem Song über den „Garúa“ (Nieselregen) heißt es: „Die Tropfen fallen in die Pfütze meiner Seele, bis auf die Knochen durchnässt und eiskalt, gedemütigt durch diese Qual treibt mich auch noch der Wind“.

Beide Lieder entstanden übrigens zwischen 1936 und 1946, in Europa tobte der Krieg, und so verstehen sich die Inhalte eben auch als Zeugnis einer Politära. Laut Wellmann spielen Tages- und Jahreszeit hinein, darüber hinaus gehe es um Stimmungen, sei es nun politischer oder schlicht emotionaler Art.

Enrique S. Discépolo war Neun, als die Mutter starb, was ihn nie los ließ. 1948 sitzt er im Café in Buenos Aires, nimmt das Lokal als vertrauten Ort, spricht mit ihm: „An deinen Tischen, die niemals fragen, beweinte ich eines Abends die erste Enttäuschung, wurde ich für den Schmerz geboren, trank ich meine Jahre und lieferte mich kampflos aus.“ Gedanken wie diese füllen unzählige Seiten. „Er hat den Tango im Herz erlebt“, sagt eine fließend spanisch sprechende Wellmann.

In Deutschland hieß es übrigens in den 50ern: „Max, wenn du den Tango tanzt, ja, dann merkt man, was du kannst, du hast so einen Rhythmus, dass ein Jeder mit muss.“

Doch selbst Discépolo kam nicht immer an, denn er schrieb dunkle Botschaften wie: „Wenn das Glück, diese Schickse, dich angeschmiert und an die Luft gesetzt hat, …. dann wird dir die Gleichgültigkeit der Welt, die taub und stumm ist, bewusst.“

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