Schopfheim „Eine Bereicherung für das ganze Team“

Markgräfler Tagblatt

Serie „Be-Hindert“ - Teil 5: Wie berufliche Inklusion gelingt: Jonathan Skrypnik arbeitet am Empfang eines Seniorenhauses

„Guten Tag, ich muss hier den Platz für einen Schrank ausmessen. Wo geht’s denn zum Hauswirtschaftsraum?“ Jonathan Skrypnik fackelt nicht lange und begleitet den fragenden Besucher zu seinem Ziel. Eine ältere Dame will eine Auskunft haben, Skrypnik weiß Rat. Der 24-Jährige ist ein vielgefragter Mann - er arbeitet am Empfang des neuen Seniorenhauses im Bifig.

Von Petra Martin

Schopfheim. In der Empfangshalle geht es zeitweise zu wie in einem Bienenstock. Wer hier vorbeikommt, sei als es Besucher von außen, oder als Bewohner des Hauses und schnell einen Rat braucht, wendet sich vertrauensvoll an den freundlichen Mann am Empfang. Er sitzt im Rollstuhl, was aber keine Rolle spielt, denn im Seniorenhaus kommt es darauf nicht an - hier ist gutes Arbeiten gefragt.

Jonathan Skrypnik verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als Bürokaufmann und meistert seine beruflichen Aufgaben, zu denen zahlreiche organisatorische Abläufe gehören wie Terminvereinbarungen, die Begleitung von Hausbesuchern oder die Verteilung von Speiseplänen, tagtäglich aufs Neue. Und: „Er ist das Gesicht unseres Hauses, denn die Besucher, die zu uns kommen, sehen als allerersten Mitarbeiter Jonathan Skrypnik“, betont Einrichtungsleiterin Eva Kollhoff.

Jonathan Skrypnik ist ein warmherziger und humorvoller Mensch. Ja, man darf ihn fragen, warum er im Rollstuhl sitzt. „Spina bifida“, sagt er, eine angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule. Geboren in Lörrach, hat Skrypnik bislang überwiegend in Hausen gelebt. Er absolvierte die Grundschulförderklasse der Dr.Max-Metzger-Schule und war auf der Hausener sowie an der Helen-Keller-Schule, bevor er nach Emmendingen-Wasser wechselte, wo er eine weiterführende Schule für Körperbehinderte besuchte. Dort machte er den Hauptschulabschluss, bevor er in Heidelberg eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolvierte - weite Fahrten und weit weg von zu Hause also für die Qualifizierung.

Ein sehr kompetenter Mitarbeiter am Empfang

2017 schloss Skrypnik die Ausbildung ab. Danach arbeitete er in etlichen Firmen, auch bei der Stadt Schopfheim und im Tafelladen, doch zu einer Festanstellung kam es nie. „Es passte nicht, manchmal wurde ich nicht übernommen, ein anderes Mal wollte ich von meiner Seite aus nicht“, berichtet Jonathan Skrypnik. Wichtig sei ihm im Arbeitsleben, dass er gut aufgenommen werde, das Betriebsklima gut sei und die Aufgabe einfach passe.

Das ist nun der Fall im Seniorenhaus Schopfheim - Jonathan Skrypnik wird nach seinem Praktikum zum 1. Januar übernommen. Derzeit erhält Skrypnik Begleitung bei der Einarbeitung in seinen neuen Job durch Jutta Zöbisch von der Stiftung Lernen-fördern-arbeiten.

Seit er weiß, dass er die 75-Prozent-Stelle erhält, ist der Druck von ihm abgefallen. Die Sicherheit, einen Arbeitsplatz zu haben, verhilft zu weiteren Leistungssteigerungen. „Jonathan Skrypnik pflegt einen sehr guten Umgang mit den Senioren“, betont Einrichtungsleiterin Eva Kollhof. „Wir haben in ihm einen kompetenten Empfangsmitarbeiter, das ist seine große Stärke.“ Und das sei auch ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen, Skrypnik nach dem Praktikum fest anzustellen.

Wolfram Uhl, Geschäftsführer des Seniorenzentrums Mühlehof Steinen, Betreiber des Schopfheimer Seniorenhauses, beschäftigt rund zehn Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen in der Steinener Einrichtung. „Es ist eine Bereicherung, den Menschen eine Chance zu geben, das tut dem ganzen Team gut“, betont Uhl. Interessant sei zu sehen, dass es die Bewohner sind, die immer nach den Mitarbeitern schauen, um ihr Wohl besorgt und helfend zur Stelle sind, zum Beispiel beim Anziehen der Jacke bei Dienstschluss.

Wenn die Aufgabe zum Mitarbeiter passt und umgekehrt, wenn die soziale Integration vorhanden ist, dann könne Inklusion gelingen, unterstreichen Wolfram Uhl und Eva Kollhoff.

Jonathan Skypnik schaut auf die Uhr, er hat noch zu tun. Im Seniorenhaus wird Integration gelebt. „Die Kollegen mögen ihn, er gehört dazu. Das ist ein wichtiger Faktor, um Leistung zu bringen“, sagen Skrypniks Chefs. Es sei wichtig, im Team integriert zu sein, hebt Eva Kollhoff hervor. Wenn dann noch der Mitarbeiter am richtigen Platz sei, entfalte er ungeahnte Talente. Ein Mensch im Rollstuhl werde nicht aus Mitleid beschäftigt. Im übrigen erhalte Skrypnik reguläres Gehalt, was mit Unterstützung der Arbeitsagentur gelinge. Die berufliche Integration sei umso wichtiger, da Menschen im Rollstuhl schon oft genug be-hindert werden, sagt Wolfram Uhl. Dies sei ihm schon in den 80er Jahren bewusst geworden, als er als Arbeits- und Beschäftigungstherapeut tätig gewesen sei.

Wie ausgebremst: In Geschäfte oder in Einrichtungen wie Kino oder in die Rathausräume im alten Weinbrennerhaus kann Skrypnik gar nicht oder nur unter größeren Umständen gelangen. Er ärgert sich besonders über Kopfsteinpflaster, Toiletten ohne Rollstuhlzugang, zugeparkte Bürgersteige oder darüber, dass diese nicht abgeflacht, keine Aufzüge vorhanden oder diese zu klein sind.

Skrypnik, eingefleischter SC Freiburg-Fan, der im Januar 25 wird, gern die Kulturkneipe „Goldener Löwe“ besucht und E-Bass in der Kirchenband „Sound of Spirit“ spielt, hat indes weitere Zukunftspläne: Er will den Führerschein machen und in seiner Freizeit immer wieder gern den Wochenmarkt besuchen, um einzukaufen oder Freunde auf eine Cola zu treffen.

Die Aktion „Leser helfen Not leidenen Menschen“ feiert heuer ihr 40-jähriges Bestehen. Im vergangenen Jahr verbuchte die Aktion mehr als 200 000 Euro an Spendengeldern. Das ermöglichte es kurz vor Weihnachten bedürftige Menschen im Landkreis Lörrach, aber auch soziale Einrichtungen finanziell zu unterstützen. In diesem Jahr setzt die Aktion mit dem Thema „Menschen mit Behinderung“ einen Schwerpunkt. Wer spendet, tut Gutes und hat die Chance, tolle Preise zu gewinnen.

Mittwoch, 6. November, Seite Weil am Rhein: Ein paar Schritte gehen – Das wäre schön: Manfred Brehm aus Holzen ist nach einem Schlaganfall an den Rollstuhl gefesselt

Freitag, 8. November, Seite Regio: „Wer immer nur schmollt, wird einsam“ – Christa und Rudi Dresen aus Lörrach: „Es gibt keinen Grund, sich zu verstecken“

Montag, 11. November, Seite Lörrach: Arbeitsplatz mit Hindernissen – Tag für Tag ist Theaterkoch Edwin Engeser beim Freien Theater Tempus fugit anzutreffen

Mittwoch, 13. November, Seite Regionalsport: Stefan und viele andere Judoka sind mit großer Freude beim Judo-Club Grenzach-Wyhlen aktiv.

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading