Schopfheim „Erhabene Musik, ohne süß zu sein“

Markgräfler Tagblatt
Für eine bravouröse Wiederentdeckung der Orgelmusik des Tiengener Komponisten Heinrich Kaminski sorgte der tschechische Organist Jan Dolezel beim Orgelsommer. Foto: Jürgen Scharf Foto: Markgräfler Tagblatt

Orgelsommer: Gastspiel von Jan Dolezel bietet ein Hörerlebnis erster Güte

Wer war Heinrich Kaminski? Der aus Tiengen am Hochrhein stammende, 1946 gestorbene Komponist zählte zu Lebzeiten nicht zu den selten aufgeführten Komponisten, mittlerweile aber zu den „verschollenen“.

Von Jürgen Scharf

Die Wiederbegegnung mit dem Preisträger des Nürnberger Orgelwettbewerbs von 2014, Jan Dolezel, beim Orgelsommer am Donnerstag war zugleich die Wiederentdeckung von Kaminskis Orgelwerken.

Dass sich diese lohnt, betonte bei der Begrüßung Christoph Bogon. An mehreren Werken Kaminskis, besonders dem Hauptwerk des Abends, der großartigen Toccata über den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, konnte man die Musiksprache des „tonalen Avantgardisten“ zwischen spätromantischer Emotion und musikalischer Moderne nachvollziehen.

Man hörte auch, dass der Pfarrersohn Kaminski einen eigenen Weg gefunden hat, diese Stile zu verknüpfen. Es ist eine, wie der tschechische Organist nach seinem fulminanten, aber doch sehr intim klingenden Recital sagte, „erhabene Musik“, ohne zu süß zu sein, denn Kaminski komponiert mit schlichten Mitteln, einfachen Harmonien eine Musik, die groß und großartig wirkt.

Das war schon einleitend in zwei Choralvorspielen von 1930 zu hören, ganz besonders aber in dem an der romantischen Emporenorgel wirkungsvoll zur Geltung gebrachten Orgelchoral „Meine Seele ist stille“.

Eine Musik, die unter die Haut geht, die überhaupt keine Effekte sucht, mystisch, sehr leise, die aber auch nicht stillstehen darf und die man so fließend im langsamen Gestus spielen muss wie Dolezel. Das muss man als Organist einfach können – er kann das.

Es war ein Hörerlebnis erster Güte, wie dieser 34-jährige Orgelkönner mit subtilster Phrasierungskunst, intelligenter Registrierung und durchdachter Klangvorstellung zu Werke ging. Spannend auch zu hören, nicht nur in den Choralvorspielen, sondern auch in der von Dolezel in großem Aufriss souverän gestalteten Toccata, wie Kaminski komponierte: mit eingeschobenen, unharmonischen Tönen, die sich überlagern – eine höchst eigene Sprache. Diese Musik darf man aber nicht nur so abspielen, sondern muss sie, wie der Gastinterpret, im Wortsinn interpretieren. Der in der Zugabe wiederholte Schlussteil der Toccata machte die Kaminski-Stücke bravourös zum Ereignis dieses Konzertabends.

Auf Kaminskis Vorbild Brahms verwiesen zwei sehr kontemplative Bearbeitungen von Johannes Brahms über denselben Choral „O Welt, ich muss dich lassen“.

Dolezel war aber nicht nur ein sorgfältiger, beredter Anwalt für den vergessenen und entdeckenswerten Heinrich Kaminski, sondern hat auch weitere unbekannte Komponisten zu Tage gefördert wie Johann Ulrich Steigleder aus dem frühen 17. Jahrhundert, einen Zeitgenossen von Heinrich Schütz aus dem Süddeutschen, der ein Orgelbuch mit 46 Variationen über das „Vater unser“ herausgegeben hat, von denen Dolezel nicht alle, sondern nur drei Bearbeitungen spielte, sonst wäre der Abend eine zweite Orgelnacht geworden!

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