Schopfheim Erotik und Expressivität

Markgräfler Tagblatt
Große Interpretationen gab es bei „Klassik im Krafft-Areal“ mit dem Schweizer Carmina Quartett und der Pianistin Andrea Kauten (hier beim Einspielen) zu erleben. Foto: Jürgen Scharf Foto: Markgräfler Tagblatt

„Klassik im Krafft-Areal“: Carmina Quartett und Andrea Kauten

Von Jürgen Scharf Schopfheim. Madame Franck hätte es gern gesehen, wenn ihr Gatte, der Salonkomponist und Organist César Franck, nur das Chorhemd übergezogen hätte. Man kann nicht überrascht sein, so der Musikhistoriker Wilfrid Mellers, dass sie das Klavierquintett verabscheute: „César, ich kann dem, was du da spielst, nicht zustimmen!“. Auch Widmungsträger Saint-Saens fand keinen Zugang zu dem Klavierquintett, das sogar „einen so erfahrenen Sensualisten wie Franz Liszt erröten ließ“.

Man kann dieses Werk auf die Hitze der Leidenschaft Francks für eine Schülerin zurückführen – also eingedämmte Erotik. Sei es, wie es will, jedenfalls ist dieses f-Moll-Klavierquintett von 1879 spannende, sehr hörenswerte und bei uns viel zu unbekannte Musik. Da war man doch höchst gespannt auf die Aufführung im Krafft-Areal bei der dortigen Klassik-Reihe der Anneliese Benner-Krafft-Stiftung, wo sich die Hauspianistin und künstlerische Leiterin Andrea Kauten mit dem renommierten Zürcher Carmina Quartett zusammengetan hat.

Kauten, die soeben eine neue Porträt-Doppel-CD vorlegt, ist ja eine hervorragende Liszt-Spielerin, und in diesem Klavierquintett von Franck spürt man den Einfluss von Liszt. Mehr noch aber die extreme chromatische Harmonik und ihre für Franck so typische Melodie, die mit höchster Intensität chromatisch oft nur um eine einzige Note kreist – auch das ein Indiz für die zurückgedrängte Erotik.

In der Fahrnauer Tonhalle war nun eine Wiedergabe zu erleben, die der Leidenschaft dieser Musik emotionsgeladen, mit beeindruckender Größe sowie auffahrendem Gestus begegnet und den abgründigen Regionen der Franckschen Seele nachspürt, dabei weniger die melodische und lyrische Sensualität der Musik in den Vordergrund stellt als die rhythmische und dramatische Expressivität.

Die mit Liszt geimpfte Pianistin trumpft am großen Konzertflügel auf, wo er nur geht. Ihre hervorragenden Mitspieler werden zu einem farbig-orchestralen, ja fast sinfonischen Klang animiert. Man merkt, dass das wahrscheinlich beste Schweizer Streichquartett viel moderne Musik (bis zu Jimi Hendrix) spielt und somit für Francks Modernität, die schon auf Debussys Impressionismus hinausweist, sensibilisiert ist.

Dennoch war nicht unbedingt César Franck, so aufregend er auch gespielt war, das alleinige oder hauptsächliche Ereignis, sondern Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ in einer ähnlich spannenden und kontrastreichen Lesart durch das Carmina Quartett, mit starker, ja dramatischer Charakterisierung.

Matthias Enderle und Susanne Frank (Violinen), Wendy Champney (Bratsche) und Stephan Goerner (Cello) sorgen für großes Quartettspiel mit faszinierender Intensität. Sie lassen Schubert extreme dynamische Kontraste, eine scharfe Artikulation und rhythmische Akzente zukommen, dass man von einer radikal subjektiven Gestaltung sprechen muss, die diese Interpreten aber immer schon ausgezeichnet hat.

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