Schopfheim Für eine Sperrung reicht es nicht

Christoph Schennen

Motorradlärm: Die Polizei informierte über ihre Maßnahmen zur Kontrolle von Kraftradfahrern

Schopfheim -  Das Thema „Motorradlärm“ stand am Donnerstagabend im Mittelpunkt einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in der Stadthalle. Es kamen zirka 20 Zuhörer und damit deutlich weniger als von den Veranstaltern erwartet.

Das Forum „Motorradlärm“ wurde vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Ulrich und den Ortschaftsräten von Kürnberg, Raitbach und Gersbach initiiert. Ralf Ühlin, Leiter des Polizeireviers Schopfheim, Jerry Clark, Referent im Sachgebiet Verkehr beim Polizeipräsidium Freiburg, und Andreas Schaffhauser, Leiter der Verkehrspolizei Weil am Rhein, nahmen sich zwei Stunden Zeit, um zu erklären, wie sie Motorradfahrer kontrollieren. S

ie beantworteten auch Fragen der Zuhörer. Die Polizisten äußerten Verständnis für die Beschwerden der Bürger, wiesen aber auch auf ihre begrenzten Möglichkeiten hin, das Problem im Sinne der lärmgeplagten Bürger zu lösen.

Zunächst lieferten die Verkehrsexperten eine Reihe von Fakten. Aufgabe der Polizei sei es in erster Linie, Verkehrsunfälle zu untersuchen, Unfallschwerpunkte zu lokalisieren und diese den Behörden mitzuteilen, die dann ihrerseits befugt seien, Maßnahmen wie ein Tempolimit zu ergreifen. Wichtig ist der Polizei laut Jerry Clark, Verkehrsunfälle zu verhüten und die Anzahl von Verletzten und Getöteten zu minimieren.

Unfallzahlen rückläufig, aber mehr schwere Unfälle

Die Unfallzahlen sind dank der Corona-Pandemie rückläufig. Viele Arbeitnehmer arbeiten im Home-Office und brauchen nicht mehr ins Büro zu fahren. „Die Motorrad-Unfälle gingen zurück, aber es gab mehr schwere Unfälle mit Motorrädern. Im Landkreis Lörrach gingen die Unfälle zurück, allerdings nicht jene, bei denen Motorradfahrer oder Radfahrer beteiligt sind.

Das liegt auch daran, dass die Anzahl der Motorradfahrer steigt. Seit etwa 2015 ist die Anzahl der Krafträder-Zulassungen in Baden-Württemberg höher als die der Kfz-Zulassungen, wie Andreas Schaffhauser verdeutlichte.

Nach den PKW-Insassen seien Motorradfahrer die zweithäufigsten Todesopfer bei Verkehrsunfällen und die dritthäufigste Personengruppe, die an schweren Unfällen beteiligt sei, so Clark. Die meisten Verletzten bei schweren Unfällen auf den Strecken im Schwarzwald kämen aus der Altersgruppe 20 bis 30 beziehungsweise 55 bis 65 Jahre , so Clark.

Viele Unfälle passieren auf der K 6352

Zu den Straßen, auf denen viele Unfälle passieren, gehört auch die Kreisstraße 6352, was zur Folge hat, dass sie regelmäßig kontrolliert wird. Im Jahr 2020 maßen Polizeibeamte laut Schaffhauser auf dieser Straße zehnmal, in diesem Jahr siebenmal die Geschwindigkeit, und seit diesem Jahr ist die Polizei auch auf den Zubringerstraßen der K 6352 präsent.

Die Polizei hat herausgefunden, dass sich innerhalb der letzten drei Jahre 22 von 1967 Motorradunfällen im Bereich des Polizeipräsidiums Freiburg auf der Strecke zwischen Ortsausgang Kürnberg und Ortseingang Gersbach ereigneten, 19 von 1405 Personen auf dieser Strecke verletzt wurden und zwei der 30 getöteten Motorradfahrer hier ums Leben kamen.

Unfallursache Nummer eins auf allen Strecken außerorts war nicht angepasste Geschwindigkeit, was aber nicht heißt, dass die Kradfahrer immer zu schnell gefahren sind.

Clark wies daraufhin, dass es Möglichkeiten gebe, Fahrzeuge abzubremsen. Im Harz gebe es zum Beispiel Rüttelstreifen. „Sie vibrieren, wenn man drüber fährt und sind sehr laut“, sagte der Verkehrspolizist. In Gegenden mit wenig Bevölkerung könne man sie einsetzen.

Auf den meisten Schwarzwaldstrecken seien sie aber keine Option, weil sich die Bevölkerung dann nicht über laute, motorisierte Zweiräder, sondern über laute Rüttelstreifen beschweren würde.

Motorräder werden kontrolliert

Ein besonderes Augenmerk legt die Polizei auf die Kontrolle von Motorrädern, so Clark weiter. Bei 1271 kontrollierten Motorrädern wurden 323 Verstöße und 89 technische Mängel festgestellt.

Für Messungen der Geschwindigkeit eigne sich nicht jede Strecke, führte wiederum Schaffhauser aus. Die Polizei brauche eine Übersicht über die Fahrbahn, platziere sich dann im 30 Meter-Abstand zur Strecke und könne dann mit einem Lasermessgerät die Geschwindigkeit eines Kraftrades messen, das bis zu 1000 Meter entfernt sei.

Bei einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um mehr als 70 Stundenkilometer drohten ein Bußgeld von bis zu 680 Euro, zwei Punkte in der Verkehrssünderkartei und ein Fahrverbot von drei Monaten.

Neben Geschwindigkeitskontrollen gibt es auch Geräuschmessungen. Bei Geräuschmessungen wird jeder Motoradfahrer angehalten. Es wird dann überprüft, ob die vorgezeigte Fahrerlaubnis für die Fahrzeugklasse des gefahrenen Motorrads gilt. Es wird auch geschaut, ob das Fahrzeug versichert ist, ob der Fahrer unter Rauschmitteleinfluss steht und ob es einen Fahrverstoß gab.

Der „Feuerstuhl“ wird auch auf Mängel überprüft, zum Beispiel, ob der Fahrer mit der richtigen Bereifung unterwegs ist. Alte Motorräder verurschen hohe Lautstärken.

Bei Geräuschmessungen setzt die Polizei Lärmpegelmessgeräte und seit zwei Jahren auch Drehzahlmeßgeräte ein, wie Schaffhauser berichtete. Normale Streifenpolizisten sind nicht damit ausgestattet, weil die Geräte sehr teuer sind und man auch geschult sein muss, um sie bedienen zu können. Gemessen wird das Standgeräusch bei halber Nenndrehzahl. Liegt es mehr als fünf Dezibel (db) über dem in den Fahrzeugpapieren angegebenen Wert, deutet das daraufhin, dass zum Beispiel am Auspuff etwas verändert oder das Fahrzeug getunt wurde.

Eine Lautstärkeüberschreitung muss nicht immer gewollt sein, betonte Schaffhauser: „Es kann sein, dass der Motorradfahrer auf einem alten Göppel unterwegs ist und die hohe Lautstärke durch Verschleißerscheinungen auftritt.“ Er bekommt dann einen Bericht mit Mängeln, die er zu beseitigen hat und zahlt dann ein geringes Bußgeld in Höhe von bis zu 25 Euro.

Bei technischen Veränderungen ohne Grenzwertüberschreitung muss der Motorradhalter 50 Euro, bei technischen Veränderungen mit Grenzwertüberschreitung bis zu 180 Euro zahlen.

Die Sorgen und der Unmut der Bürger

Nach den Erläuterungen der Polizisten äußerten die Bürger ihren Unmut über die Situation an der K 6352. Ehrenfried Barnet (Grüne) sagte, auf dieser Straße müsse radikal die zulässige Geschwindigkeit reduziert werden. Eine Kürnbergerin berichtete von aggressiven Motorradfahrern, die Rennen fahren würden. Insbesondere bei schönem Wetter seien sie unterwegs. Ihre Tochter, die Rennrad fährt, sei auf der Straße nicht mehr sicher.

Neben der Gefährdung von Verkehrsteilnehmern sei der von den Motorrädern produzierte Lärm ein großes Problem. Ein Bürger wies daraufhin, dass Lärm krank mache. Er verurteilte das „asoziale Verhalten“ mancher Motorradfahrer. Er wünsche sich, dass es wie in Österreich Streckenverbote für Motorräder gebe, die bestimmte Schalldruckpegel (zum Beispiel 95 dB) überschreiten.

Motorradfahrer mit Ohrstöpseln

Jerry Clark sagte, es gebe Motorradfahrer, die Ohrstöpsel tragen, weil ihnen ihr Motorrad zu laut sei und solche, die von Motorradgeräuschen „erotisiert“ seien. Es gebe Hersteller von Motorrädern, die „laute“ Motorräder herstellen, weil es eine Zielgruppe dafür gebe. Vor 20 Jahren seien Motorräder zudem leiser gewesen als heute.

Clark sagte, eine Streckensperrung für Motorräder wie es sie auf der Schauinsland-Strecke gebe, käme für die K 6352 nicht in Frage. Es gebe dort zu wenig Unfälle, um eine solche harte Maßnahme durchzusetzen. Eine Streckensperrung würde nur dann verhängt, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft seien und sie keine Wirkung erzielten.

Auch ein Tempolimit von 70 statt wie bisher 100 Stundenkilometer würde die Situation an der Kreisstraße laut seiner Einschätzung nicht verbessern. Clark betonte, dass auch die Möglichkeiten der Straßenverkehrsbehörden (Landratsamt) beschränkt seien, um das Lärmproblem zu lösen.

Eine schnelle Lösung wird es in den vom Motorradlärm geplagten Ortsteilen von Schopfheim also nicht geben, wie Bürgermeister Dirk Harscher betonte. Es sei sehr mühsam, mit den Behörden Verbesserungen zu erreichen. Man müsse aber auf Behörden und Politiker unablässig Druck ausüben, um zu einer zufriedenstellenden Lösung zu kommen.

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