Da bin ich noch dabei, es herauszufinden. Ob ein Bild mehr sagt als tausend Worte. Oder ob es vielleicht so ist, dass ein Wort tausend Bilder auslöst. In jedem Fall bedeutet Kreativität für mich glücklich sein. Ja, da berühre ich den Himmel.
Frage: In den Geschichten spielt auch Corona eine Rolle. Vor allem die geforderte Distanzierung von Mitmenschen. Drängte es Sie, diese gesellschaftliche Ausnahmesituation zu verarbeiten?
Ja, wie schon angesprochen. Schreiben bedeutete und bedeutet für mich auch verarbeiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft im Moment – leider – die körperliche Gesundheit zu stark im Fokus haben. Die psychischen Herausforderungen und Zumutungen der Pandemie bleiben in der öffentlichen Diskussion, aber auch bei der Beurteilung angemessener Maßnahmen, weitgehend außen vor.
Diese Seiten nicht zu verarbeiten, wird uns früher oder später auf die Füße fallen. Gestern habe ich die Zahlen zu steigenden Suiziden unter Jugendlichen gesehen. Sie sprechen eine deutliche Sprache. Ich spitze es jetzt mal provozierend zu: Was nützt körperliche Gesundheit, wenn die Seele verkümmert? Wir werden als Menschen in der Vereinzelung dauerhaft nicht überleben.
Frage: Ihre Protagonisten sind oft Außenseiter, Fremde, Unglückliche. Sie zeigen aber auch glückliche Schicksalswendungen. Sind Sie ein positiver Mensch, wollen Sie damit Hoffnung machen?
Ja. Eindeutig. Das war und ist vielleicht sogar die Hauptmotivation, zu schreiben: Hoffnung. Chancen. Möglichkeiten. Hoffnung macht aus meiner Sicht unter anderem ganz wesentlich Leben aus.
Frage: Was oder wer inspiriert Sie zu Ihren Geschichten?
Schwierig zu sagen. Ja, vielleicht Wahrnehmungen im eigentlichen Wortsinne. Ich glaube, Schreibende, Kreative sind dafür sensibler. Das Kleine, Unscheinbare zu sehen, die Zwischentöne zu hören, das Nichtgesagte zu spüren, hinter dem Naheliegenden oder Offensichtlichen das Versteckte zu ahnen. Intellektuell und emotional. Ganz ehrlich, manchmal empfinde ich diese Sensibilität auch als Last.
Darüber schreiben zu können, ist wiederum auch befreiend. Die Muße zu haben fürs Schreiben, oder anders ausgedrückt, neben einem anstrengenden Brotberuf sich die Freiheit für diese Muße zu nehmen, ist dabei die eigentliche Herausforderung. Mit Muße schließlich geht es fast von alleine.
Frage: Ein neuer Roman „Jagdlust“ ist in Arbeit. Verraten Sie uns, um was geht es?
Um die verpasste Chance dreier Menschen – in einer unglücklichen Beziehung aneinander gekettet – wirklich zu leben. Weil sie es verpasst haben, ihre eigenen Erfahrungen und die daraus entstandenen Zwänge – negative Leidenschaften – hinter sich zu lassen. Die „Jagdlust“ steht dafür stellvertretend, symbolisch.
Justus Ammann: „Den Himmel berühren“, 92 Seiten, Verlag Eigensinn, ISBN-978-3-9823861-0-2; 18,95 Euro