Schopfheim Hoffnung macht das Leben aus

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Interview: Der Schopfheimer Autor Justus Ammann über sein neuestes Werk „Den Himmel berühren“

Schopfheim. Nach seinem skurril-ironischen Erstlingswerk „Abgedreht“ hat der Schopfheimer Autor Justus Ammann einen Band unter dem Titel „Den Himmel berühren“mit Kurzgeschichten veröffentlicht. Die leisen, mal ernsten, mal ironischen Geschichten auf gut 90 Seiten werden von Fotos des Autoren ergänzt, zu denen Kurztexte gesetzt sind. Wir fragten nach Hintergrund und Idee für das Buch und nach der Motivation fürs Schreiben – gerade in Pandemie-Zeiten. Gabriele Hauger stellte die Fragen.

Frage: „Den Himmel berühren“ – so heißt Ihr neuer Novellen-Band. Ein Titel, der viele Assoziationen auslöst. Was steckt dahinter?

Die vergangenen zwei Corona-Jahre waren für mich mental eine Herausforderung – und sind es immer noch. Die Pandemie hat aus meiner Sicht viele Sollbruchstellen offen gelegt: wirtschaftlich, gesellschaftlich, ethisch, persönlich. Leider ist Undenkbares denkbar und Unsagbares sagbar geworden.

Mit Folgen. Einsamkeit, Aggression, Hass auf der einen Seite, aber auch Zuwendung und Besinnung – auf das Wesentliche – auf der anderen Seite. Wenn ich von Herausforderung spreche, meine ich vor allem für mich persönlich die Herausforderung, nach- und überdenken zu wollen, und leider auch zu müssen. Über das Erlebte, Gehörte, Gesehene – im weitesten Sinne Wahrgenommene. Und auch hier wieder die Zwiespältigkeit: Erschrecken über das Beängstigende, Staunen über das Schöne. Schreiben hat in diesen zwei Jahren auch bedeutet zu verarbeiten, zu kompensieren.

So ist das Buch entstanden. Auch als Grenzerfahrung. Der Titel verweist auf unsere Begrenzung als Menschen, aber auch auf die Möglichkeit, unsere Berufung und unsere Bestimmung zu leben. Und dann den Himmel zu berühren. Was auch immer das für den einzelnen bedeuten mag. Die Geschichten lassen diese Berührung anklingen. Auf unterschiedliche Weise, auf unterschiedlichen Ebenen.

Frage: Der Aufbau des Buches ist ungewöhnlich: einerseits Kurztexte mit überraschender Pointe oder Wendung kombiniert mit eigenen Fotografien; andererseits Novellen. Wie kamen Sie auf diese Kombination?

Die Kurzgeschichte ist aus meiner Sicht die ideale Stilform für die eben beschriebene Intention. Weil das Ende offen bleibt – und die Lesenden sich auf die Geschichte ihren eigenen Reim machen können: denkend, fragend, träumend. Die Kurztexte folgen der Instagram-Logik und -Optik: ein schönes Bild, ein treffender Text, und dann kann es der Leser oder Follower mögen oder nicht. Ich habe das Format auch auf Instagram angetestet. Auch hier das offene Ende als Auslöser für die eigene Fantasie und Fortführung der Geschichte.

Frage: Was gibt Ihnen die Fotografie, was das Schreiben?

Da bin ich noch dabei, es herauszufinden. Ob ein Bild mehr sagt als tausend Worte. Oder ob es vielleicht so ist, dass ein Wort tausend Bilder auslöst. In jedem Fall bedeutet Kreativität für mich glücklich sein. Ja, da berühre ich den Himmel.

Frage: In den Geschichten spielt auch Corona eine Rolle. Vor allem die geforderte Distanzierung von Mitmenschen. Drängte es Sie, diese gesellschaftliche Ausnahmesituation zu verarbeiten?

Ja, wie schon angesprochen. Schreiben bedeutete und bedeutet für mich auch verarbeiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft im Moment – leider – die körperliche Gesundheit zu stark im Fokus haben. Die psychischen Herausforderungen und Zumutungen der Pandemie bleiben in der öffentlichen Diskussion, aber auch bei der Beurteilung angemessener Maßnahmen, weitgehend außen vor.

Diese Seiten nicht zu verarbeiten, wird uns früher oder später auf die Füße fallen. Gestern habe ich die Zahlen zu steigenden Suiziden unter Jugendlichen gesehen. Sie sprechen eine deutliche Sprache. Ich spitze es jetzt mal provozierend zu: Was nützt körperliche Gesundheit, wenn die Seele verkümmert? Wir werden als Menschen in der Vereinzelung dauerhaft nicht überleben.

Frage: Ihre Protagonisten sind oft Außenseiter, Fremde, Unglückliche. Sie zeigen aber auch glückliche Schicksalswendungen. Sind Sie ein positiver Mensch, wollen Sie damit Hoffnung machen?

Ja. Eindeutig. Das war und ist vielleicht sogar die Hauptmotivation, zu schreiben: Hoffnung. Chancen. Möglichkeiten. Hoffnung macht aus meiner Sicht unter anderem ganz wesentlich Leben aus.

Frage: Was oder wer inspiriert Sie zu Ihren Geschichten?

Schwierig zu sagen. Ja, vielleicht Wahrnehmungen im eigentlichen Wortsinne. Ich glaube, Schreibende, Kreative sind dafür sensibler. Das Kleine, Unscheinbare zu sehen, die Zwischentöne zu hören, das Nichtgesagte zu spüren, hinter dem Naheliegenden oder Offensichtlichen das Versteckte zu ahnen. Intellektuell und emotional. Ganz ehrlich, manchmal empfinde ich diese Sensibilität auch als Last.

Darüber schreiben zu können, ist wiederum auch befreiend. Die Muße zu haben fürs Schreiben, oder anders ausgedrückt, neben einem anstrengenden Brotberuf sich die Freiheit für diese Muße zu nehmen, ist dabei die eigentliche Herausforderung. Mit Muße schließlich geht es fast von alleine.

Frage: Ein neuer Roman „Jagdlust“ ist in Arbeit. Verraten Sie uns, um was geht es?

Um die verpasste Chance dreier Menschen – in einer unglücklichen Beziehung aneinander gekettet – wirklich zu leben. Weil sie es verpasst haben, ihre eigenen Erfahrungen und die daraus entstandenen Zwänge – negative Leidenschaften – hinter sich zu lassen. Die „Jagdlust“ steht dafür stellvertretend, symbolisch.

 Justus Ammann: „Den Himmel berühren“, 92 Seiten, Verlag Eigensinn, ISBN-978-3-9823861-0-2; 18,95 Euro

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