Schopfheim Hungerjahre durch Vulkanausbruch

Markgräfler Tagblatt
Hans Viardot von KuK bedankte sich bei Franziska Hirschner für ihren Vortrag. Foto: Gudrun Gehr Foto: Markgräfler Tagblatt

KuK-Frühschoppen: Franziska Hirschner berichtet, wie sich das Tambora-Unglück in der Region auswirkte

Der Verein KuK hatte Franziska Hirschner, die Autorin des Aufsatzes „Wie der Vulkanausbruch auf Tambora die Entwicklung der Markgrafenstadt beeinflusste“, zum „Krone“-Frühschoppen eingeladen.

Kleines Wiesental-Tegernau (ger). Etwa 20 Interessierte fanden den Weg in die „Krone“ und konnten sich ein Bild des Infernos machen, das seine Ursache im Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora am 10. April 1815 hatte.

Heftige Explosionen kündigten die Haupteruption des 4300 Meter hohen Tambora an. Diese waren noch in fast 2000 Kilometern Entfernung zu hören, ein Drittel der Bergspitze mit geschätzt etwa 150 Kubikkilometern Material wurde bis zu 50 Kilometern Höhe in die Atmosphäre geschleudert. Der Vulkanausbruch verursachte den Tod von etwa 100 000 Menschen und verdunkelte noch wochenlang den Himmel. Er war einer der gewaltigsten in der jüngeren Menschheitsgeschichte.

Durch die Explosion gelangten bis zu 400 Millionen Tonnen Schwefelgase bis zur Stratosphäre, verbanden sich mit Feuchtigkeit zu Schwefelaerosolen und zogen in der Folgezeit mit dramatischen Folgen rund um den Globus.

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Auswirkungen auf Europa

Die globale Verdunkelung der Atmosphäre traf auf eine Kälteperiode, die ohnehin bereits 1810 eingesetzt hatte. Ab Mai 1815 machen sich die Folgen des Vulkanausbruchs auch hierzulande bemerkbar. Das Katastrophenjahr 1816 wurde im Volksmund „Achtzehnhundertunderfroren“ benannt.

Ein Spätfrost vernichtete die Obsternte, der Sommer war zu regenreich und kalt, der Winter setzte zu früh ein, die Wintersaat wurde zerstört. Auch im Folgejahr herrschte eine raue, nasse, kalte Witterung, Obst- oder Getreideernte fielen aus, auch die Kartoffeln verfaulten auf dem Acker.

Die Menschen backten „Hungerbrote“ mit ausgepressten Leinsamen. Nesseln, Gras, Klee, Heu und Wurzeln kochte man zu Gemüse. Es brach Hungertyphus aus, geschlachtet wurden Katzen, Hunde und Pferde. Dem wirtschaftlichen Elend, aber auch den Schikanen der Obrigkeit, den fehlenden Arbeitsmöglichkeiten und der drückenden Steuerlast versuchten die Menschen durch Auswanderung in scheinbar bessere Gegenden zu entgehen.

Auswanderung als Ausweg

In Süddeutschland schifften sich viele Menschen mit „Ulmer Schachteln“ auf der Donau ein und siedelten in die Gegend um Odessa und Tiflis im Kaukasus. Die Hauptauswanderung galt Amerika, wobei viele Familien zur Bezahlung der Überfahrt Betrügern zum Opfer fielen und noch ärmer als zuvor in ihre Heimat zurückkehrten. Allerdings waren die Folgen des Tambora-Ausbruches auch an der Ostküste des „gelobten Landes“ spürbar.

Besserung ab dem Jahr 1818

Ab 1818 normalisierten sich die Verhältnisse wieder, jedoch war die Bevölkerung durch die Hungerjahre verarmt. Die schlimmen Jahre hatten aber auch als „Wachstumsmotor“ gewirkt. 1818 wurde der Vorläufer der Universität Hohenheim gegründet, die sich mit der Revolutionierung der Landwirtschaft beschäftigte. Auch mit der Entwicklung von Phosphatdünger erzielte man eine spürbare Verbesserung der Erträge in der Landwirtschaft. Intensiviert wurde der Bau von Verkehrswegen, unter anderem die Rheinbegradigung. Die Straßenbautechnik wurde erneuert, die bestehenden Straßen wurden „makadamisiert“.

Straßenbau im Kleinen Wiesental

Franziska Hirschner hatte in den Archiven geforscht. In der Zeit von 1831 bis 1936 stritten die Gemeinden über die Unterhaltspflicht der Straße von Langenau nach Tegernau. 1842 schuf man neue Verbindungswege zwischen Schwand, Raich, Ried, Hohenegg und Tegernau. Der erste reguläre Zug fuhr 1862 von Lörrach nach Schopfheim, auf eine Verlängerung nach Zell musste man noch 14 Jahre warten. Kuriosität am Rande: Die Gemeinden des Kleinen Wiesentals hatten 1862 einen Bahnhof in Gündenhausen beantragt, was jedoch abgelehnt wurde. Sie mussten mehr als 145 Jahre warten, bis im Dezember 2007 die Haltestelle „Schopfheim-West“ eingerichtet wurde.

Eine rege Bautätigkeit setzte auch regional ab 1820 ein. In Schopfheim errichtete man 1824 das neue Amtshaus, der neugestaltete Rathausplatz erhielt einen Springbrunnen. Auch in Tegernau ist ein Projekt von 1827 bekannt, nämlich die „Erbauung eines Feuerlöschspritzen- und Wachhauses nebst Bürgergefängnis“. Zollschranken wurden abgebaut, neue Textilfabriken siedelten sich an. In Wieslet entstand die „Drahtstift- und Schraubenfabrik“, später als „Schuhstiftefabrik“ genutzt. In Tegernau wurde eine „Seiden- und Baumwollfabrik“ errichtet.

Aktueller Stand und Ausblick

Derzeit hat der Mensch mit einem entgegengesetzten Klimaproblem zu kämpfen: Die globale Erderwärmung. Forscher diskutieren ernsthaft, ob ein „künstlicher Vulkanausbruch“ geeignet wäre, die Erde abzukühlen. Wissenschaftliche Modelle bergen aber noch zu große Unsicherheiten.

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