Andrea Kauten, die künstlerische Leiterin der Konzertreihe, begann nicht gleich mit den genialischen Klavierfantasien des Kreisler-Werks nach E.T.A Hoffmanns Roman „Lebensansichten des Katers Murr“, sondern mit einem klassischen Klavierstunden-Opus zum Ein- und Warmspielen: vier Stücken aus dem „Album für die Jugend“, um gleich danach im großen Konzertsaal-Stil, äußerst bewegt, sehr aufgeregt, mit großem Zug und romantischem Gestus, die acht Fantasien der „Kreisleriana“ auszudeuten.
Als angemessenes Kriterium ihrer Schumann-Interpretation hat Kauten für die Charakterstücke das Beweglich-Nervöse, Lebhafte ausgewählt und führt vor, welch pianistischer Furor in der Fantasie Nr. 7 von einem Molto presto („Sehr rasch – noch schneller“) ausgehen kann. Die Pianistin jagt diese Miniatur geradezu vor sich her, in einer Wirkung des Gehetzten, Überstürzten, bei der sich unser fiktiver Herr Florestan, der Stürmischere von den beiden Figuren, wohl kaum noch auf dem Stuhl halten konnte.
Doch Kauten setzt in ihrer Wiedergabe keine gewaltsamen Akzente, sondern lässt die Satzbezeichnungen sprechen und das letzte Stück (Nr. 8 „mit aller Kraft“) schnell und gespenstisch vorüberziehen. Schumanns reicher Klaviersatz kommt dieser Virtuosin sehr entgegen, denn sie spielt die Fantasien mit „durchschlagendem“ Ton, romantisch erregt, in einer wahrhaft virtuosen Attitüde.
Andrea Kauten vermag die Welt Florestans beispielhaft zum Leben zu erwecken. Sie zieht ihn hörbar Eusebius vor; wahrscheinlich mag sie mehr den Draufgänger als den Sensiblen, mehr den Leidenschaftlichen als den Introvertierten.
Musikalischer Parforceritt von Brahms zu Liszt
Nach der „Kreisleriana“ braucht es eine Pause, um zu verschnaufen, denn mit den sechs Klavierstücken von Brahms Opus 118 – aussagestarken Miniaturen – stand der vollgriffige Klaviersatz von Brahms an. Die ausgewählten fünf Intermezzi wechseln charakterlich zwischen Herbheit und lyrischer Weichheit, und mit Nr. 3 rückte die Ballade ins Zentrum, eine kraftberstende, vibrierende Musik, wirklich in balladeskem Gestus interpretiert.
Kauten spielt die Brahms-Klavierstücke bohrend-tiefschürfend, farbsatt wie ein Ölgemälde, leuchtend und intensiv formend. Sie werden eindringlich aus den Tiefen des großen Steinway-Flügels herausgeholt, was auf andere Art genauso beeindruckend war wie zuvor der Schumann-Zyklus.
Wie ein solches virtuoses Klavierprogramm noch toppen? Für Kauten, eine der engagiertesten Liszt-Spielerinnen, gar keine Frage: natürlich mit Brahms’ Antipoden Franz Liszt und dem ersten Mephisto-Walzer („Der Tanz in der Dorfschenke“), der besondere Berühmtheit erlangte. Ist es doch ein wilder Tanz auf den 88 schwarzen und weißen Tasten, der dann auch dem ruhigeren Herrn Eusebius in die Beine gegangen sein dürfte.
Kauten spielt diese mitreißende Klaviermusik mit ihrer diabolischen Atmosphäre rhythmisch und zupackend – dabei technisch stets kontrolliert –, dass man nur noch von einem überlegenen Liszt-Spiel reden kann.
Danach hatte sich das Publikum einen Umtrunk verdient, den es wie stets bei den Stiftungskonzerten im Anschluss gab und bei dem sich die nicht ganz so zahlreich wie in früheren Jahren erschienenen Konzertbesucher über das unerhörte Gehörte austauschen konnten.
Es wurde auch noch darauf hingewiesen, dass schon nächste Woche die Reihe „Klassik im Krafft-Areal“ weitergeht mit dem Fritz-Busch-Quartett und dem Soloklarinettisten der Sächsischen Staatskapelle Dresden, Robert Oberaigner, sowie Andrea Kauten wieder am Konzertflügel.