Der dritte Vortrag am 16. Januar markiert nach Angaben von Uwe Gerber den „Höhepunkt“ der Reihe, dreht er sich doch explizit um die Kernfrage – „Individualisieren wir uns zu Tode?“ Heutzutage, so der Theologe, sei jeder sich selbst der Nächste. Die Gesellschaft falle auseinander, der Einzelne existiere als „Monade“ ganz auf sich allein gestellt. Diese „Selfie-Gesellschaft“ sei davon überzeugt, dass der eine den anderen nicht braucht, so Gerber.
Diese Entwicklung habe sich in Etappen vollzogen. Bereits Jesus und später auch Augustinus mit seinen „Bekenntnissen“ hätten angefangen, den Menschen zu individualisieren, indem sie ihn auffordern, den Blick nach innen zu richten. Die Renaissance und Luther, vor allem aber Descartes mit seinem berühmten Satz: „Ich denke, also bin ich“ stünden endgültig für die theologische und philosophische „Geburt des Ich“.
Daher rühre auch der Trend zu den „Patchwork-Religionen“, so Gerber: „Heute hat jeder seinen eigenen Gott“. Es gebe keinen roten Faden mehr, der die Gesellschaft zusammenhält. Es sei eine „schweres Unterfangen“, diese Zerfaserung aufzuhalten und wieder zu Zusammenhalt und Gemeinschaft zurückzukehren. Die einzige Möglichkeit bestehe darin, die vielen Einzelinteressen mittels Diskussion und Konsens zu bündeln. Aber auch dabei bestehe die Gefahr, „neben dem eigenen Ich alle anderen zu vergessen“. Insofern, so Gerber, sei dieses Rezept gegen die überbordende Individualisierung „ein Ritt auf der Rasierklinge“.